Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 17
III.Zusammenfassung
Оглавление27Zusammenfassend ergibt sich aus den geschilderten Ursachen und Erscheinungsformen der Jugendkriminalität für eine der Verbrechensvorbeugung dienende Behandlung von Jugendstraftaten die Notwendigkeit einer stärkeren Individualisierung und Differenzierung als im Erwachsenenstrafrecht. Es ist bei jugendlicher Kriminalität möglichst zu klären, ob die Jugendstraftat Episode oder Symptom ist. Sofern es sich noch nicht um einen so genannten Intensivtäter mit vielfachen Vorregistrierungen handelt, sollte zu Gunsten des Jugendlichen selbst bei einer den Bagatellbereich überschreitenden Kriminalität nur von einer vorübergehenden Auffälligkeit ausgegangen werden. Trotzdem können Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe sinnvoll und sowohl für die Gesellschaft als auch für den Betroffenen lohnend sein. Ein Behandlungsbeispiel ist die aus den USA stammende Multisystemische Therapie (MST), die vor allem bei psychisch auffälligen jungen Straftätern Wirkung zeigen soll.43
28Ferner darf es das Jugendstrafrecht bei der Bereitstellung der Reaktionsmittel nicht bei den relativ beschränkten und für seine Zwecke oft ungeeigneten Möglichkeiten des allgemeinen Strafrechts bewenden lassen. Zwar enthält auch das moderne Erwachsenenstrafrecht neben der tatvergeltenden Strafe einen Katalog verschiedenartiger täterbezogener Maßnahmen der Besserung und Sicherung, welche die Strafe im Sinne spezialpräventiver Verbrechensbekämpfung ergänzen. Aber das Jugendstrafrecht geht darin weiter. Es verzichtet in überwiegendem Umfang ganz auf die Sühne einer Jugendstraftat durch Strafe und gestaltet auch dort, wo dies nicht der Fall ist, die nur als ultima ratio eingesetzte Strafe in stärkerem Maße zum Mittel der Resozialisierung um. Dieser vollständige oder teilweise Verzicht auf Rechtsbewährung durch Strafe wird ihm dadurch erleichtert, dass die Schuld des Täters in der Regel durch seine Jugend gemindert ist, während auf der anderen Seite die der Resozialisierung dienenden Maßnahmen eine umso größere Aussicht auf Erfolg bieten.
29Selbstverständlich können sich die strukturellen Abweichungen des Jugendstrafrechts vom Erwachsenenstrafrecht, die sich aus der stärkeren Betonung des Resozialisierungszieles ergeben, nicht auf das materielle Recht beschränken. Sie führen zwangsläufig auch zu einer Verselbstständigung der Jugendgerichtsverfassung, zu einer Spezialisierung des Jugendstrafvollzuges und zu wichtigen Abweichungen im Jugendstrafverfahren, die es dem Richter ermöglichen sollen, über die Schuldfeststellung hinaus diagnostische und prognostische Urteile über die Persönlichkeit des Täters abzugeben und danach die Rechtsfolgen der Jugendstraftat zu bestimmen.
30Die Abweichungen des Jugendstrafrechts vom Erwachsenenstrafrecht werden vom Jugendlichen selbst nicht immer nur als Vorteil empfunden. So kann im materiell-rechtlichen Bereich eine strafbare Handlung z. B. mit einem längeren sozialen Trainingskurs geahndet werden, der von einem finanziell gut situierten Jugendlichen u. U. als gravierender eingestuft wird als eine nicht allzu hohe Geldstrafe, die er als junger Erwachsener bei Begehung eines entsprechenden Deliktes zu erwarten hätte. Auch im Verfahrensrecht gibt es eine ganze Reihe von Abweichungen, die im Vergleich zum Erwachsenenrecht zur „Schlechterstellung“ führen. So werden dem Jugendlichen z. B. Rechtsmittel gegen Urteile nur in geringerem Umfang gewährt (§ 55 JGG). Solche Differenzierungen basieren auf dem das Jugendstrafrecht leitenden Erziehungsgedanken, und sie sind, da hier unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich geregelt werden, mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) vereinbar. Ein generelles „Verbot der Schlechterstellung“ Jugendlicher gegenüber Erwachsenen (bei vergleichbaren Taten bzw. bei vergleichbarer Verfahrenssituation) gibt es nicht, solange die Schuldangemessenheit der staatlichen Reaktion (als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips) gewahrt bleibt (s. dazu unten Rn. 575).44