Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 9
1.„Täterstrafrecht“ und „Erziehungsstrafrecht“
Оглавление2Aus der besonderen Aufgabe des Jugendstrafrechts ergeben sich erhebliche Verschiedenheiten gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht. Inhaltlich werden diese Abweichungen vor allem durch die Schlagworte „Täterstrafrecht“ und „Erziehungsstrafrecht“ gekennzeichnet. Beide Begriffe sind freilich unscharf und insbesondere heute kriminalpolitisch umstritten. Sie bedürfen deshalb schon hier einer kurzen Erläuterung, die in der weiteren Darstellung konkretisiert werden wird.
3Der Begriff „Täterstrafrecht“ wird verwendet im Gegensatz zu dem des „Tatstrafrechts“. Während das Erwachsenenstrafrecht seine Strafen nach Art und Gewicht ganz überwiegend an die schuldhafte Tat anknüpft, ist dies im geltenden deutschen Jugendstrafrecht nicht im gleichen Maße der Fall. Vielmehr werden hier das Ob und Wie der Sanktionen für eine Tat nicht nur durch deren Schwere, sondern stärker als im Erwachsenenstrafrecht durch die dem Täter nach seiner Persönlichkeit zu stellende Prognose bestimmt. Im Gegensatz zu dieser „täterstrafrechtlichen“ Ausrichtung des geltenden JGG ist freilich eine in der Literatur immer wieder neu erstarkende Auffassung, dass zumindest für Voraussetzung und Bemessung der Jugendstrafe wie im Erwachsenenstrafrecht die Tat des Jugendlichen maßgebend sein müsste (vgl. besonders Rn. 461). Das heißt, das Ob und Wie einer Jugendstrafe soll sich vorrangig am objektiv verwirkten Tatunrecht orientieren und nicht an der Täterpersönlichkeit. Nur bei den sonstigen, nicht als Strafe ausgestalteten Sanktionen des JGG soll der individuelle Erziehungsbedarf des jungen Menschen die Sanktionsauswahl dominieren. Die Bezeichnung des geltenden deutschen Jugendstrafrechts als „Erziehungsstrafrecht“ soll besagen, dass in ihm die Kriminalstrafe, welche ein den Täter treffendes, seine Tat ahndendes Übel darstellt, in weitem Umfange durch Erziehungsmaßnahmen ersetzt wird. Darüber hinaus soll auch die ahndende Strafe selbst, soweit für sie noch Raum bleibt, in Begründung, Dauer und Inhalt wesentlich stärker als im allgemeinen Strafrecht auf den Zweck einer erzieherischen Einwirkung auf den jeweiligen Täter ausgerichtet sein. Auch Strafandrohung und Strafvollzug sind nach diesem Verständnis Erziehungsmittel, die sich für eine wirksame Verhütung von kriminellen Rückfällen eignen.
4Da eine effektive Individualprävention nicht zu erreichen ist, wenn erzieherische Belange nur bei der Festsetzung und Bemessung der Strafe Berücksichtigung finden, muss auch Jugendstraf- oder Jugendarrestvollzug ebenso wie der Vollzug aller anderen Sanktionen des JGG in besonderem Maße jugendgemäß erzieherisch ausgestaltet werden. Das Gebot der erzieherischen Vollzugsgestaltung bereitet aber in allen Bereichen der freiheitsentziehenden Sanktionen wie Jugendstrafe und Jugendarrest Probleme. Stationäre Sanktionen und insbesondere Freiheitsstrafe mit Anstaltsvollzug können sich aus vielerlei Gründen erziehungsschädlich auswirken. Neben den typischen Deprivationseffekten des Strafvollzugs sind aufgrund des engen Zusammenseins mehr oder minder schwer gefährdeter junger Menschen wechselseitige negative Einflüsse zu befürchten. Auch hat jede Kriminalstrafe – und besonders eine mit einem Freiheitsentzug verbundene Sanktion – eine negative Wirkung auf den weiteren Lebens- und Berufsweg des „Vorbestraften“, was die resozialisierende Wirkung der Sanktion erheblich vermindert.