Читать книгу Salz. Fett. Säure. Hitze - Samin Nosrat - Страница 21
Würzen
ОглавлениеAlles, was den Geschmack verstärkt, ist Würzen, aber der kraftvollste Geschmacksverstärker und -veränderer ist Salz. Wenn Essen nicht richtig gesalzen ist, kann keine noch so raffinierte Kochtechnik oder Garnierung das ausgleichen. Ohne Salz sind unangenehme Geschmacksnoten stärker wahrnehmbar, angenehme weniger stark. Aber auch wenn das Fehlen von Salz im Essen zutiefst bedauerlich ist – seine allzu deutliche Präsenz ist ebenso unwillkommen: Essen sollte nicht salzig sein, sondern gesalzen.
Salzen ist nichts, was man bei der Zubereitung eines Gerichts ein Mal tut und dann auf der Liste abhakt; achten Sie stets genau darauf, wie ein Gericht während des Kochens schmeckt und wie es schmecken soll, wenn es auf den Tisch kommt. Im legendären Zuni Café in San Francisco pflegte Judy Rodgers ihren Köchen oft zu sagen, ein Gericht brauche vielleicht »noch sieben Körner Salz«. Manchmal ist es wirklich so subtil; sieben kleine Körner können den Unterschied zwischen »zufriedenstellend« und »vollendet« ausmachen. Bei anderer Gelegenheit braucht Ihre Polenta vielleicht eine ganze Handvoll. Der einzige Weg, das herauszufinden, ist Kosten und Nachwürzen.
Durch Kosten und Nachwürzen – immer und immer wieder, während Sie Zutaten hinzufügen, die sich im Lauf des Garprozesses verändern – entsteht das schmackhafteste Essen. Richtig würzen heißt, auf allen Ebenen richtig zu würzen: jeden Bissen, die einzelnen Bestandteile, das Gericht und die ganze Mahlzeit. Darum geht es beim Würzen durch und durch.
Auf dem globalen Spektrum der Salzverwendung gibt es eine Bandbreite richtigen Würzens, keinen festen Punkt. Manche Kulturen verwenden weniger Salz, andere mehr. Toskaner geben kein Salz in ihr Brot, gleichen das aber mehr als aus mit dem Salz, das sie handvollweise allem anderen zugeben. Die Franzosen salzen ihr Baguette und Pain au Levain perfekt, alles andere dagegen ein bisschen zurückhaltender.
In Japan bleibt gekochter Reis ungesalzen, als Kontrast zu den intensiv schmeckenden Fisch- oder Fleischgerichten, Currys und eingelegten Gemüsen, die dazu serviert werden. In Indien ist Biryani, ein leckeres Reisgericht, das aus Gemüse, Fleisch, Gewürzen und Eiern aufgeschichtet wird, niemals ungesalzen. Es gibt keine universelle Regel, außer, dass die Salzzugabe in jeder Phase des Kochprozesses sorgfältig bedacht werden muss. Das bedeutet »nach Geschmack würzen«.
Wenn Essen fade schmeckt, ist die Ursache des Übels meist fehlendes Salz. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Salz das Problem löst, nehmen Sie sich einen Löffel oder einen kleinen Bissen, bestreuen ihn mit ein wenig Salz und kosten Sie noch einmal. Wenn sich etwas verändert und Sie das Pling! spüren, dann geben Sie Salz an die ganze Portion. Ihr Gaumen wird durch diese Art aufmerksamen Kochens und Kostens allmählich differenzierter.
Wie das Ohr eines Jazzmusikers wird er mit zunehmender Übung sensibler, raffinierter und geschickter im Improvisieren.