Читать книгу Salz. Fett. Säure. Hitze - Samin Nosrat - Страница 8

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VORWORT

ährend ich diese Zeilen schreibe, ist dieses Buch noch gar nicht veröffentlicht, und dennoch fühlt es sich schon unentbehrlich an.

Das klingt wahrscheinlich übertrieben, ich weiß, aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch übers Kochen gelesen habe, das so nützlich oder so ungewöhnlich war. Vermutlich liegt das daran, dass man sich beim Lesen von Salz. Fett. Säure. Hitze. nicht unbedingt fühlt wie bei der Lektüre eines Kochbuchs, sondern eher, als stünde man mit umgebundener Schürze am Herd einer wirklich guten Kochschule, um einer klugen, eloquenten und gelegentlich sehr witzigen Köchin zuzuhören, die vorführt, wie man eine missglückte Mayonnaise repariert. (Ein paar Tropfen Wasser zugeben und dann »so hektisch schlagen wie ein Schwimmer auf der Flucht vor einem Haifisch«.) Dann reicht sie die Schüssel mit der nun seidigen, nicht mehr geronnenen Emulsion herum, damit jeder einen Probierlöffel eintunken und sie auf der Zunge spüren kann. Und man begreift.

Mit Salz. Fett. Säure. Hitze. schafft es Samin Nosrat, uns sehr viel breiter und tief gehender in die Kunst des Kochens einzuführen, als Kochbücher es normalerweise tun. Das liegt daran, dass ihr Buch weitaus mehr bietet als Rezepte – ein zwar nützliches, aber doch stark eingeschränktes literarisches Genre. Ein gut geschriebenes und gründlich getestetes Rezept erklärt Ihnen vielleicht, wie das betreffende Gericht herzustellen ist, aber es bringt Ihnen nichts darüber bei, wie man kocht, jedenfalls nicht richtig. Ehrlich gesagt behandeln Rezepte uns wie Kinder. »Tu einfach ganz genau, was ich sage«, befehlen sie, »aber stell keine Fragen und zerbrich dir deinen Kopf nicht darüber, warum.« Sie verlangen, ihnen getreulich zu folgen, tun aber nichts dazu, um sich das zu verdienen oder es zu rechtfertigen.

Stellen Sie sich vor, wie viel mehr wir lernen – und behalten! –, wenn eine Lehrerin nicht nur Anweisungen für jeden einzelnen Schritt auflistet, sondern die zugrunde liegenden Prinzipien erklärt. Mit Begründungen ausgerüstet, müssen wir uns nicht mehr an ein Rezept klammern wie an ein Rettungsboot; jetzt können wir auf eigene Faust loslegen und anfangen zu improvisieren.

Obwohl es eine Vielzahl exzellenter Rezepte enthält, ist dies ein Buch, in dem es vor allem um die Grundlagen geht. Samin Nosrat hat sich des gewaltigen, einschüchternden multikulturellen Themas, das wir »Kochen« nennen, angenommen und es mutig auf vier grundsätzliche Elemente heruntergebrochen – oder fünf, wenn man das regelmäßige Kosten als ein Grundelement dazurechnet. Wenn Sie diese Prinzipien beherrschen, so lautet ihr Versprechen, werden Sie köstliche Gerichte jeglicher Art und Herkunft kochen können, egal, ob Salatdressing, Schmorgericht oder Galette. Würzen Sie Ihr Essen im richtigen Moment mit der richtigen Menge Salz, wählen Sie das optimale Fett, um das Aroma Ihrer Zutaten zur Geltung zu bringen, nutzen Sie Säure zum Ausbalancieren und um diesen Zutaten Frische zu verleihen, setzen Sie Hitze der richtigen Art und Intensität über die richtige Dauer ein: Tun Sie all das, und Sie werden ein aromatisches, wunderbares Essen zubereiten, ob nun mit oder ohne Rezept. Das ist ein großes Versprechen, aber wenn Sie an Samins Kochkurs teilnehmen – also: dieses Buch lesen –, werden Sie erleben, dass sie dieses Versprechen hält. Ob als Kochanfänger oder mit jahrzehntelanger Kocherfahrung: Sie werden danach in der Lage sein, allem, was Sie kochen, eine neue, verblüffende geschmackliche Tiefe zu verleihen.


Samin ist nicht nur eine begabte und extrem versierte Köchin mit jahrelanger Erfahrung in einigen der besten Restaurants in und um San Francisco, sie ist auch ein pädagogisches Naturtalent – genau, inspirierend und redegewandt. Zufällig weiß ich das aus erster Hand, denn Samin, die einst bei mir das Schreiben erlernte, wurde meine Kochlehrerin, als ich mit der Recherche für mein Buch Kochen begann.

Wir hatten uns ein Jahrzehnt vorher kennengelernt, nachdem Samin schriftlich angefragt hatte, ob sie als Gasthörerin an meinem Oberseminar über Food-Journalismus an der Universität Berkeley teilnehmen könnte. Sie aufzunehmen, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens – nicht nur als Schreiben unterrichtender Professor, sondern auch als begeisterter Esser. Samin hielt nicht nur problemlos mit den Journalisten im Seminar mit, indem sie den einnehmenden Ton und sicheren Stil präsentierte, die auch dieses Buch tragen, sondern sie stellte uns alle komplett in den Schatten, wenn es ums Essen ging.

Weil es in dem Seminar um Essen ging, aßen wir natürlich: Jede Woche war ein anderer Teilnehmer an der Reihe, ein kleines »Gericht mit Geschichte« mitzubringen – ein Nahrungsmittel oder Gericht, das eine Geschichte erzählte, ob nun über seine Herkunft, seine Pläne oder eine besondere Leidenschaft. Wir aßen aus einem Müllcontainer gerettete Baguettes, selbst gesammelte Pilze und Unkräuter sowie alle möglichen traditionellen Gerichte aus der ganzen Welt, aber meistens bekamen wir nicht mehr als ein, zwei Bissen und die Geschichte. Samin servierte uns eine ganze Mahlzeit: eine aufwendige Spinatlasagne, die sie von A bis Z selbst gemacht hatte, auf echten Tellern mit Tischwäsche und Silberbesteck – Gegenstände, die nie zuvor die Schwelle meines Seminarraums passiert hatten. Während wir die beste Lasagne aßen, die wir alle jemals probiert hatten, erzählte uns Samin, wie sie in Florenz gelernt hatte, aus Mehl und Eiern selbst von Hand Pasta zu machen, angeleitet von Benedetta Vitali, die als Lehrerin von größtem Einfluss für sie war. Wir waren alle fasziniert, von ihrem Erzähltalent ebenso wie von ihrer Kochkunst.

Als ich Jahre später beschloss, mit dem Kochen Ernst zu machen, war es keine Frage, wen ich bitten würde, es mir beizubringen. Samin stimmte sofort zu, und so kam sie über ein Jahr lang einmal im Monat vorbei – normalerweise am Sonntagnachmittag – und wir kochten zusammen ein Drei-Gänge-Menü, in dessen Zentrum jedes Mal ein anderes Thema stand. Samin enterte mit ihren Einkaufstaschen, ihrer Schürze und ihrer Messerrolle die Küche und verkündete das Thema der Tageslektion; oft passend zu den Prinzipien, die sich in diesem Buch finden. »Heute lernen wir alles über Emulsionen.« (Die sie auf unvergessliche Weise als »vorübergehenden Friedensvertrag zwischen Öl und Wasser« beschrieb.) Wenn Fleisch auf dem Lehrplan stand, kam Samin oft am Vorabend vorbei oder rief an, um sicherzugehen, dass der Braten oder das Huhn richtig gewürzt wurden, das heißt frühzeitig und üppig: mindestens 24 Stunden im Voraus, mit ungefähr dem Fünffachen der Menge Salz, die Ihr Kardiologe empfehlen würde.


Die Sitzungen begannen als Einzelunterricht, bei dem Samin und ich hackend und schwatzend an der Kücheninsel standen, aber nach einiger Zeit zogen das Gelächter und die Düfte, die aus der Küche drangen, auch meine Frau Judith und unseren Sohn Isaac an. Es wäre schade gewesen, die köstlichen Mahlzeiten, die wir zu produzieren begannen, nicht mit mehr Leuten zu teilen, daher luden wir Freunde ein, an unseren Abendessen teilzunehmen. Mit der Zeit kamen sie immer früher am Abend und schließlich schon am Nachmittag, damit sie beim Ausrollen eines Kuchenbodens helfen oder die Kurbel der Nudelmaschine drehen konnten, die Isaac mit dottergelb gefärbten Teigplatten fütterte.

Samins Unterricht hat etwas Ansteckendes: ihre Kombination aus Leidenschaft, Humor und Geduld, aber vor allem ihre Fähigkeit, auch die komplexesten Vorgänge in Schritte zu zerlegen, die sofort einleuchten, weil sie nie versäumt, die zugrunde liegenden Prinzipien zu erklären. Wir salzten Fleisch deswegen so früh, damit das Salz genug Zeit hatte, in den Muskel einzudringen und dort die Proteinstränge in ein feuchtigkeitserhaltendes Gel umzuwandeln, was für saftigeres Fleisch sorgt und gleichzeitig das Aroma von innen heraus aufbaut. Hinter jedem solchen Schritt steckt eine kleine Geschichte, und sobald man sie kennt, leuchtet der Schritt voll und ganz ein und wird uns letztendlich zur zweiten Natur, ein Teil unseres motorischen Gedächtnisses beim Kochen.

Aber so logisch oder gar wissenschaftlich Samin in puncto der von ihr vermittelten Techniken sein kann, letztendlich ist sie doch der Überzeugung, dass hervorragendes Kochen vom Schmecken und Riechen abhängt – davon, unsere Sinne zu erziehen und dann zu lernen, ihnen zu vertrauen. »Kosten, kosten und dann nochmal kosten«, sagte sie mir immer, selbst wenn ich etwas so Einfaches und scheinbar Ödes machte wie eine Zwiebel anzubraten. Denn in der Pfanne lief eine komplizierte Evolution ab, bei der sich die Zwiebelrechtecke von knackig-säuerlich über pur und mild zu leicht rauchig entwickelten, während sie karamellisierten und dann beim Bräunen leicht bitter wurden. Sie zeigte mir, wie sich ein halbes Dutzend unterschiedlicher Geschmacksrichtungen aus dieser einen bescheidenen Zutat herauskitzeln ließen, je nachdem, wie man mit Prinzip Nummer vier, der Hitze, umging – und wie man seine Sinne einsetzte, denn jede Zwischenstufe der Zwiebelevolution trug ihr eigenes, klar unterscheidbares Aroma. Aber welches Rezept hat jemals all das vermittelt? Wie Samin gerne sagt, sie zitiert dabei eines ihrer Vorbilder: »Es sind nicht Rezepte, die Essen gut schmecken lassen. Es sind Menschen.«

Am besten gefällt mir an diesem Buch, dass Samin irgendwie einen Weg gefunden hat (unterstützt von Wendy MacNaughtons ebenso inspirierten wie informativen Illustrationen), sowohl ihre Leidenschaft fürs Kochen als auch ihren intelligenten Zugang zu diesem Thema zu Papier zu bringen. Das Ergebnis ist ein Buch, das in gleichem Maße lehrreich und vergnüglich ist (keine Selbstverständlichkeit für etwas Geschriebenes), und ich prophezeie Ihnen, dass es schon bald auf dem kurzen Regalbrett landen wird, auf dem die Kochbücher stehen, ohne die Sie sich Ihr Leben nicht vorstellen können. Sie werden ihm einen Ehrenplatz einräumen wollen.

Michael Pollan


Salz. Fett. Säure. Hitze

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