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Kapitel 12 | Lymle | Reno mit der Flammenfaust

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Ich rannte bis um die nächste Ecke und lehnte mich erschrocken gegen die Wand. Erst einmal durchatmen und nachdenken. Was hatte ich da überhaupt gesagt? Ob man neue Heilzauber entwickeln konnte, wenn man diese Zauberart beherrschte!? Wollte ich ihn noch deutlicher darauf stoßen, dass ich nicht gesund war wie die anderen? Was dachte ich mir nur dabei?

In Gedanken versunken bemerkte ich relativ spät, wie einer meiner Mitschüler etwas entfernt einen Feuerzauber wirkte und seinen gesamten Unterarm in Feuer tauchte. Sein weißes Kurzarmhemd und die gestreifte Krawatte waren von den Flammen völlig unbeeindruckt und kein bisschen angesengt. Ich staunte. Er war wirklich gut in der Elementarzauberei.

Er schlug wild in die Luft und schien eine Faustkampfart zu trainieren – gekoppelt mit Feuerzauberei. Es erinnerte mich an meine Anfänge, meinen Tanz mit dem Licht zu verbinden, das sich zwischendurch zeigte. Ich beobachtete ihn eine ganze Weile, bis er mich bemerkte und auf mich zu sprintete.

Die flammende Faust ein paar Zentimeter neben meinem Gesicht in der Wand versenkt und sein unverschämtes Grienen nah an meinen Lippen, stoppte er seinen Sprint und meinte: »Nur zuschauen ist doch langweilig. Bist du nicht die, die im letzten Sportunterricht selbst die Jungs in den Schatten stellte? Was hast du denn so an Zaubern drauf? Sportbegabt ist ja schön und gut, aber die Mischung macht’s, oder denkst du nicht?«

Er entfernte sich etwas von mir, sodass ich aufatmen konnte, ohne Angst zu haben, ihn unangenehm zu berühren. Sein Hemd war ein Stück aufgeknöpft, was seinen Stil trotz Krawatte leger wirken ließ. Ausgewaschene Jeans rundeten seinen Look ab. Die Luft zischte leise, wenn seine flammende Faust sie durchschnitt. Schließlich zeigte er mir ein Victoryzeichen und griente: »Wir sehen uns im Unterricht. Zeig mir, was du drauf hast, Kleine.«

Er sprintete luftboxend davon um die nächste Ecke und ich war für mich. Langsam ließ ich mich auf die Erde nieder und sah auf den Boden. Die Mischung macht‘s?

Als ich wenig später die Flure entlang ging und den Klassenraum suchte, in dem wir Verstärkungslehre hatten, hörte ich erneut diese Gerüchte um die Prophezeiung. Sie waren verwirrend und so viele sprachen durcheinander, dass ich nichts verstehen konnte. Ich hoffte, nachher noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, mir all diese Sagen anzuhören, und betrat das Klassenzimmer.

Soweit hatten bereits alle meine Mitschüler einen Sitzplatz gefunden und nur wenige Plätze waren übrig geblieben, auf denen ich für mich alleine saß. Ich ertrug es nicht: Die Stille, wenn jemand neben einem saß und nichts sagte. Und doch war jedes kleinste Geräusch so laut und unangenehm, dass man sich weit wegwünschte.

»Hey Kleine!«, hörte ich eine bekannte Stimme rufen, und als ich durch das Klassenzimmer blickte, entdeckte ich den Feuer-Jungen. Er wies auf den freien Stuhl neben sich.

Es war mir unbehaglich, wie sie mich alle ansahen und zu tuscheln begannen. Ich senkte den Kopf leicht und nahm Kurs auf einen leeren Sitzplatz, der sich abseits an der Fensterseite befand und keinen direkten Kontakt zu anderen Plätzen hatte. Ich wollte vermeiden, dass man sah, dass ich nicht gut war in der Zauberei. Ich wünschte mir, dass mich niemand von ihnen wahrnahm. Nicht einer.

»Was machst du denn!?«, riss mich seine laute Stimme aus meinen Gedanken. Er stand vor dem Tisch, den ich mir ausgesucht hatte, und wies erneut auf den Sitzplatz neben sich am anderen Ende der Klasse, wo die meisten Schüler einen Platz gefunden hatten. Es war voll in dieser Ecke. »Los! Komm zu mir. Ich will dich besser kennenlernen.«

Ich wollte mit dem Kopf schütteln, als er mich bereits am Arm nahm und hinter sich herzog. Ich plante, mich dagegen zu stemmen, aber es klappte nicht. Sein Griff war nicht so fest, dass es weh tat, und doch packte er genau richtig zu, dass ich meinen Arm nicht verkanten konnte, um mich zu wehren. Hatte er etwa einen dieser Verstärkungszauber bei sich angewandt?

Er drückte mich auf den Stuhl neben sich und griente mich zufrieden an, nachdem er sich auch hingesetzt hatte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als der Professor den Raum betrat, war es zu spät.

Professor Biegle war ein in die Jahre gekommener Mann, der eine runde Brille aus schwarzem Holz auf der langen Nase trug. Kleine, alte Augen guckten aus dem in Falten gelegten Gesicht hervor.

»Der soll ziemlich streng sein, hab ich gehört«, flüsterte der Junge neben mir, als keine zwei Sekunden später ein Kreidestück gegen seine Stirn flog und ein missbilligender Blick von Professor Biegle ihn traf. Beängstigend, dass er selbst das Flüstern aus der vierten Reihe verstand. Er musste seinen Hörsinn gestärkt haben. Vielleicht durch einen Zauber?

Er begann ohne Umwege seinen Unterricht. Wir schlugen das Buch im letzten Drittel auf. Thema waren Zaubersprüche, die unsere Sinne schärfen konnten, um andere Zauberarten und zum Teil auch den Zauber selbst erkennen zu können, der beispielsweise auf einem Gegenstand lag. Ich wunderte mich darüber, dass wir nicht ein paar der einfachen Sprüche zuerst durchnahmen. Als ich das Buch auf den ersten Seiten aufschlug, sah ich Zauberpraxen, die Körperkraft oder Geistesstärke anheben konnten. Wäre das für Adepten unseren Standes nicht die bessere Themenwahl gewesen?

Mein Lehrbuch schlug sich schlagartig auf die Seitenzahl zurück, die Professor Biegle uns angesagt hatte. Haarscharf; beinahe hätte es mir auf die Finger geschlagen. Verstört sah ich nach vorne. Ein missbilligender Blick lag auf mir, jedoch sagte er kein Wort. Es war beängstigend.

Der Unterricht verlief still und nur, wenn Professor Biegle dazu aufgeforderte, wurde etwas gesagt. Es war nicht so, als hätten wir mehr Respekt vor ihm als vor anderen Professoren. Es war einfach so, dass er so gewaltig und einschüchternd auf die Schüler wirkte. Ich fragte mich, ob dieser in seiner Größe eigentlich sehr kleine Mann dies nicht ebenfalls einem Verstärkungszauber verdankte.

In der kurzen Pause zwischen dem Wechsel der Professoren war die Stimmung angenehm normal. Die Adepten sprachen miteinander und übereinander. Es war das Alltägliche und auch das Ungewöhnliche, was man hörte. Ich wurde aufmerksam, als sich eine Traube bildete und über die Geschehnisse außerhalb der Stadt geredet wurde.

»Die fahrenden Händler haben es doch gesehen. Der Stadtwald hat geleuchtet!«, meinten zwei Mitschüler.

»Das war nicht der Wald selbst. Es muss etwas darin geleuchtet haben.«

»Und was? Ein Tier vielleicht?«

»Was ist, wenn es einer der Weisen ist?«, stellte eine Mitschülerin in Frage. Viele sahen sie verwundert an. »Na, die Weisen des Lichts. Die, die den Lichtaltar beschützt haben. Damals soll einer verrückt geworden sein.«

»Du meinst den, der die Prophezeiung in die Welt gesetzt hat?«

»Was für eine Prophezeiung?«, wollten andere wissen. Ich spitzte interessiert die Ohren.

»Na, es heißt doch, wenn sie leuchten, geht die Prophezeiung in Erfüllung.«

»Was leuchtet denn?«

»Was für eine Prophezeiung?«

Es ging durcheinander und ich erkannte mehr Fragen als Antworten daraus. Ein Weiser sollte vor Jahren eine Prophezeiung gemacht haben. Und die Menschen schienen sich vor ihrer Erfüllung zu fürchten. Soviel konnte ich heraushören. Doch was für eine Prophezeiung das war, wusste ich nicht.

»Du hörst deren Geschwätz zu?«, lehnte sich der Junge an meine Schulter. Sein dichtes, dunkles Haar schimmerte im Sonnenlicht leicht rötlich.

»Sie reden über eine Prophezeiung«, erwiderte ich.

»Ja«, antwortete er nur und kippelte mit seinem Stuhl. »Das tun sie ständig. Jedes Mal, wenn die Händler von einem Leuchten berichten, werden die Bürger in Maalan etwas unruhig. Wie viel da dran ist oder ob das nur ein Bubenstreich ist – keine Ahnung. Aber ich habe gehört, dass Miss Johanna im Magierviertel ganz gut Bescheid wissen soll über die Gerüchteküche der fahrenden Händler. Falls dich das wirklich interessiert, solltest du da nachfragen.«

Ich nickte. Das würde ich tun. Miss Scarlett schickte mich nicht selten in ihren Laden, um ein paar Zaubervorräte aufzustocken.

Die Tür sprang auf und Professor Ziegmar kam herein. Er war der Professor, der uns über die Regeln der Magie aufklärte und uns immer wieder vor Augen führte, was für eine Verantwortung die Macht der Zauberei mit sich brachte. Er ging geradewegs zum Pult, schlug ein Mal kräftig mit der Hand auf den Tisch und es kehrte augenblicklich Ruhe ein.

»Guten Morgen«, begann er außer Atem und sah um sich. »Sind alle da? Ich habe gemeinsam mit eurem Praxislehrer in Elementarzauberei einen kleinen Testlauf für euch vorbereitet. Bitte kommt nach vorne und zieht einen Zettel.«

Er stellte eine Urne auf das Pult und wies die Ersten durch Handzeichen an, ein Stück Papier zu entnehmen. Nach und nach zogen sie alle und ich ahnte bereits, dass dies die Auslosung für das Testduell sein würde, welches Miss Scarlett angekündigt hatte.

Als ich vorne vor der Wahlurne stand, zögerte ich kurz. Danach griff ich hinein, durchwühlte sie einmal bedacht und zog leicht an einem Zettel. Ich entnahm ihn der Urne und entfernte mich, ohne darauf zu sehen, was drinstand. Zurück an meinem Platz griente mich der Junge nur an und meinte: »Was steht drauf?«

»Ich habe nicht nachgesehen«, erwiderte ich und wollte ihn wegpacken, als er ihn mir aus der Hand nahm.

»Wir tauschen«, beschloss er auf eigene Faust und drückte mir sein Papier mit einer roten Null darauf in die Finger. Ich kam nicht dazu, etwas zu sagen, weil der Professor bereits das Wort ergriff: »Schaut nun alle auf eure Zettel. Derjenige von euch, der das blaue Pentagramm gezogen hat, kommt bitte zu mir nach vorne.«

Ich sah, wie der Junge mein Faltpapier öffnete und ein dunkelblaues Zeichen zum Vorschein kam. Mein Zettel war der, von dem Miss Scarlett gesprochen hatte. Würde ich nicht ihre Vorhersage unwirksam machen, wenn er mein Los behielt und an meiner Stelle das Testduell bestritt?

Ich zögerte zu lange, da hatte er sich bereits gemeldet und war nach vorne zum Professor gegangen. Er griente zufrieden.

»Dann folgt mir!« Der Professor ging voran und führte uns in den Akademiepark. Ich sah, wie der gegnerische Kurs aus einem der anderen Tore kam. Und als ich sah, wen Professor Blue als Kandidaten vorstellte, wusste ich, dass Miss Scarlett eingeplant haben musste, dass ich meinen Zettel abgab.

»Das Trainingsduell wird ausgetragen zwischen Reno und Jonathan. Da ihr beiden euch ja bereits kennen solltet, werde ich nur noch einmal auf die Regeln dieses kleinen Wettstreits eingehen«, sagte Professor Blue sichtlich aufgeregt.

Ich war gespannt. Jonathan hatte sich ja letzte Nacht darauf vorbereitet, in dieses Testduell zu gehen. Was hatte er sich wohl für Tricks einfallen lassen, um als Sieger hervorzugehen?

Die verbotene Prophezeiung

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