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Berta Zängeler – und die Hungersnot in der Schweiz (~1950)

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Bei Berta Zängeler aus St. Gallen in der Schweiz, um 1950, erstmals 2008 im Internet veröffentlicht, heißt es:

Eine Hungersnot ist die Hauptgeißel für dieses Land [die Schweiz nach Kriegsausbruch°]. Es nützt nichts, wenn wir Vorräte anlegen, alles wird geraubt werden. [Unfug! Einfach besser verstecken!°] Die Ausländer, die in großer Zahl hier sind, werden wegen der Hungersnot nach Hause gehen.

Mobilmachung wegen Flüchtlingsströmen aus Deutschland [unmittelbar nach Kriegsausbruch°]. Da die Deutschen in so großer Zahl fliehen und in die Schweiz eindringen, muss der Schießbefehl an der Grenze erteilt werden.35

Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz bei Lebensmitteln lag in den letzten Jahren bei etwa 60 Prozent bzw. knapp darunter. Der Wert schwankt von Jahr zu Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland lag der Selbstversorgungsgrad 2017/18 bei 88 Prozent, in Frankreich sogar bei über 100 Prozent (Netto-Exporteur). Großbritannien lag 2019 bei 60 Prozent. Kollabiert der Lebensmittelimport, hat man mit 60 Prozent natürlich sehr viel schneller Probleme als mit 90 Prozent; die Vorräte sind deutlich schneller aufgebraucht. Es wird früher gehungert und geplündert.

Glaubt man Berta Zängeler, haben die Schweizer also schon bald nach Kriegsausbruch fast nichts mehr zu essen, es kommt in der ganzen Schweiz zu Plünderungen, und irgendwann nach den Plünderungen sollen die Fremden dann in die Heimat zurück, weil das Essen in der Schweiz immer noch knapp ist? Bitte?

Frage: Wie soll das rein praktisch geschehen? Schnüren die Schweizer mit knurrendem Magen den „Ausländern“ Fresspakete, klopfen ihnen noch einmal auf die Schulter und wünschen ihnen dann eine gute Heimreise? Möglicherweise ließen sich die Ausländer in der Schweiz ja argumentativ überzeugen, und müssten nicht „fliehen“. Nur müssten sie eben auch davon überzeugt werden, dass sie wohlbehalten wieder in ihrer alten Heimat ankommen und dort auch ein halbwegs lebenswertes Leben auf sie wartet. Das könnte im Falle der in der Schweiz lebenden Deutschen, Österreicher, Italiener und Franzosen sogar gelingen. Was aber wäre mit Menschen, die eine längere Heimreise hätten? In den Balkan etwa, in die Türkei, Syrien, Irak, Afghanistan?

Auch wenn sich durch obigen Hinweis zu den Ausländern kein offenkundiger Bezug zur Flüchtlingsthematik ergibt, so wird doch eine Entsolidarisierung, ein Bruch zwischen den Einheimischen und Hinzugezogenen erkennbar, der vermutlich maßgeblich durch jene Ausländer mitverursacht worden ist, die nicht gut genug integriert waren, denn dort verliefe ja die Bruchlinie. Kaum anzunehmen, dass jene Ausländer gemeint sind, die seit Jahrzehnten in der Schweiz leben, arbeiten, brav ihre Steuern zahlen und oft genug Jobs haben, in denen sie nicht von heute auf morgen zu ersetzen sind.

Berta Zängeler abschließend noch diese Anmerkung: Da jeder Schweizer Wehrdienstleistende nach Beendigung seiner Militärzeit eine Waffe mit nach Hause nehmen darf, vermute ich, dass sich das »Es nützt nichts, wenn wir Vorräte anlegen, alles wird geraubt werden« hauptsächlich auf staatliche Lebensmittellager bezieht, die natürlich auch von hungernden „Bio-Schweizern“ geplündert würden – wenn der Hunger allzu sehr zu nagen beginnt.

Wenn Beteigeuze explodiert

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