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Die Lehnin’sche Weissagung (~1700)
ОглавлениеAuch in der Lehnin’schen Weissagung (vom Ort Lehnin bei Berlin), die Ende des 17. Jahrhunderts in Berlin als lateinisches Gedicht aufgetaucht ist und auf einen Mönch Namens Hermann zurückgeht, der angeblich um 1300 in der Lehniner Zisterzienserabtei gelebt hat, finden sich Anklänge zu Spannungen mit Fremden im Lande.49
Die Lehnin’sche Weissagung war schon im 18. Jahrhundert recht bekannt; insbesondere dem preußischen Königshaus, den Hohenzollern, schließlich kreist die Prophezeiung schwerpunktmäßig um das Schicksal eben dieser Dynastie. Und so ist vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (König von 1840–1861) folgender Satz überliefert:
„Wir glauben nicht an diese Weissagung, aber wir fürchten sie.“50
Der Grund: Die Lehnin’sche Weissagung sagt den Untergang der Hohenzollern-Herrschaft voraus – aber auch die spätere Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland. Bereits im Jahre 1746 erschien eine kritische Analyse der Prophezeiung, wobei zu bedenken ist, dass bei ambitionierten Aufklärern jener Zeit Hellseherei schon fast den Beigeschmack von Kriminalität hatte. In jedem Fall hielten viele Wortführer der Aufklärung Hellseherei für verwerflichen Aberglauben. Es entsprach dem Geist jener Zeit, derlei „Unfug“ besserwisserisch plattzubügeln. Das Haus Hohenzollern allerdings musste 172 Jahre nach obiger kritischer Analyse tatsächlich den Hut – pardon die Krone nehmen.
Ebenso wie im Lied der Linde werden die Spannungen mit Fremden auch in dieser Prophezeiung erst für die Zeit nach der großen Katastrophe vorausgesagt oder besser: angedeutet. Möglich, dass entsprechende Probleme mit kulturfernen Minderheiten erst relativ kurz vor dem Kriege aufgetreten sind, womöglich im Zusammenhang mit irgendwelchen Verteilungskämpfen auf dem Höhepunkt der Krise.
Die folgenden Zeilen der Prophezeiung beschreiben die Zeit, nachdem das Schlimmste überstanden ist, und sich die Wogen wieder geglättet haben.
Völlig vergisst nun die Mark [Brandenburg°] sämtliche frühere Leiden.
Freudig verpflegt sie wieder die Ihren, der Fremde ist freundlos.
Chorins und Lehnins Gebäude [dortige Klöster°] entsteigen auf’s neue der Erde.
Hochgeehrt glänzet nun wieder nach alter Sitte51 der Klerus.
Nimmermehr lauert der Wolf, sich in den Schafstall zu stürzen.52
Hier lässt sich kritisch anmerken, dass der Ausländeranteil in Brandenburg (natürlich ohne Berlin) aktuell verglichen mit Westdeutschland äußerst gering ist. Im Schnitt liegt er bei 1 bis 2 Prozent.
Ähnlich wie im Lied der Linde wird in der Lehnin’schen Weissagung eine Rückkehr der Monarchie und eine religiöse Renaissance in Europa vorausgesagt, so wie in vielen anderen europäischen Prophezeiungen auch, deren Zukunftsblick bis in die Zeit nach den großen Katastrophen reicht.
In dieser Zeit nach dem Kriege, in der die Bürger Brandenburgs »sämtliche frühere Leiden« »völlig« vergessen – man beachte den mit Nachdruck betonten Wandel zum Positiven – wäre »der Fremde freudlos«. Natürlich ist das eine ziemlich schwammige Formulierung. Theoretisch könnten damit auch Polen oder Bayern gemeint sein. Letzteres scheidet aber schon einmal aus, da für spätere Zeiten eine starke innere Einheit der deutschen Völker prophezeit wird. Und ich glaube auch nicht, dass damit die Polen gemeint sind. So oder so – orientiert man sich an obigen Prophezeiungen, lässt sich aus der Lehnin’schen Weissagung immerhin ein gewisser Druck herauslesen, der, vorsichtig formuliert, den Fremden eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer nahelegt.