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Er hatte sich an die Seite gestellt, neben die drei alten Frauen in ihren schwarzen Hüten und alten Wollmänteln und jede eine Handtasche über dem Arm; von hier konnte er besser hinübersehen zu der anderen Beerdigung.

Amelies Beerdigung.

Viel mehr Menschen waren dort, auch viele junge Leute, aber das hatte er erwartet. Die Amelie war ja offensichtlich beliebt gewesen, damals, und die Menschen hingen ja an schönen Erinnerungen. Zwei Jahre waren da nichts. Vor ihrem Sarg mit all den Blumen ein Mann und eine Frau, ihre Eltern müssen das sein, Herr und Frau Bennett – Habe die Ehre! Und zwischen ihnen die Leonie.

Er konnte sie nicht genau sehen, diese Leonie, trotz seiner Brille, er stand zu weit weg. Aber von der Statur her und den Haaren und wie sie sich bewegte und sich ab und an umdrehte zu den Jungs hinter ihr, da sah sie schon aus wie Amelies Zwillingsschwester. Bald auch – und ein Glucksen stieg in ihm auf, er konnte es nicht unterdrücken – bald auch von ihrem Lebenslauf.

Eine der Alten knuffte ihn in die Seite und schaute hoch zu ihm mit bösem Blick, legte dann sogar ihren gichtkrummen Zeigefinger über die faltigen Lippen in ihrem vertrockneten Gesicht. Shhht.

Gott, sie stank nach Tod und Kölnisch Wasser.

Er machte zwei Schritte zurück, sie sah ihm hinterher, und er fasste die Krempe seines Fedora und verbeugte sich kurz. Die Alte guckte weg.

Sein Job heute war anders als sonst, anspruchsvoller, aber das war okay. Er liebte die Herausforderung. Die Chinesen wollten es so, also bekamen sie, was sie wollten, kein Problem.

Geil und Milliardär, hatte Gun zu ihm gesagt, eine perfekte Kombination, für uns ist da jede Menge Kohle drin, aber ohne dich schaff ich das nicht.

Er hatte zugestimmt, warum nicht. An Geld war er interessiert wie jeder andere auch, nicht weniger, nicht mehr, aber das war schon mal ein Anreiz. Verständnis für Sex mit Vierzehnjährigen hatte er zwar nur begrenzt. Wenn sie älter aussahen, meinethalben, aber sonst? Worin der Reiz für einen erwachsenen Mann liegen konnte, mit einem Kind ... Nein, er wusste es wirklich nicht. Aber er verstand Guns Punkt. So viel Geld konnten sie in ihren Brotberufen nicht verdienen, und wer wusste schon, für was es einmal gut sein könnte? Eine schnelle Ausreise nach Südostasien, auf die Philippinen oder vielleicht nach Thailand mit Onewayticket, oder Südamerika vielleicht, Brasilien, wäre auch eine Möglichkeit ... jedenfalls, da war es gut, dort auch angenehm leben zu können, oder?

Aber der wirkliche Reiz lag für ihn woanders. Es war die Kombination: zu tun, was er ohnehin tat, und dann auch noch dafür bezahlt zu werden. Das war ... köstlich. Ganz große Ironie. Ein ganz neuer Kick. Also machte er mit. Seinen Gelegenheitsjob, so nannte er das.

Drüben kam jetzt Bewegung in die Gruppe. Ihr Mann und Leonie gingen zu den Jugendlichen, Frau Bennett blieb allein zurück. Am Grab. Ganz in schwarz natürlich, zierlich sah sie aus, das hatte sie auch ihren Töchtern mitgegeben. Und sie stand aufrecht, kerzengerade, ungebrochen von Amelies Tod.

Bald werden Sie wahre Stärke beweisen können, Frau Bennett, wenn Ihre Leonie auch noch verschwindet, und wissen Sie was? Ich beneide Sie darum.

Und er meinte es ehrlich. Diese Frau erlebte wenigstens etwas.

Und jetzt ging sie zu ihm, die ungebrochene Frau Bennett, zu diesem Elijah Leblanc in seinen Stiefeln und der schwarzen Hose, das Hemd auch schwarz; Krawatte, Hut, Jacke sowieso. Leblanc, der Serienspezialist. Leblanc, die Legende. Der Jonny Cash des BKA. Mit fünf Jahren FBI auf dem breiten Rücken, gar nicht mehr nach Deutschland zurücklassen wollten ihn die Amis.

Aber hatte Leblanc ihn hinter Gitter gebracht? Nichtmal in die Nähe. Oder auch nur im Visier? Nein. Hatte die Legende Leblanc wenigstens einen kleinen Schimmer, was er da draußen tat? Seit Jahren? Der Serienspezialist?

Nein, nein und scheiße nein!

Aber er, er beobachtete Leblanc seit langem. Und auch davon wusste der Serienspezialist nichts.

Ah, jetzt gab sie ihm auch noch die Hand und hielt seine Hand sogar fest, während sie mit ihm redete ... und redete und redete ... und jetzt sagte er etwas und dann wieder sie, bla-bla-laber-Rhabarber; als ob das irgendetwas ändern würde an dem, was mit Amelie geschehen ist. Oder mit Leonie geschehen würde.

Nichts kannst du ändern, Leblanc.

Und jetzt sagen sie Tschüssi, und die Frau Bennett geht zu ihrem Mann, und sie nehmen das Töchterchen ... ja, in die Mitte. Und Abgang. Und die anderen hinterher. Und Leblanc.

Fuck you Leblanc.

Er lächelte. Unerhört bei einer Beerdigung, ihr alten Hexen, nicht wahr?

Er schielte zu ihnen hinüber, aber sie beachteten ihn nicht.

Sein Blick suchte dann das Holzkreuz hinter dem Loch, in dem der Sarg verschwunden war. Er wollte wenigstens den Namen des Körpers wissen, an dessen Beerdigung er teilnahm, der Körper, der mit seinen Säften in Bälde die Erde verseuchen würde und las, Hedwig Marx. Neunundsiebzig ist sie geworden, die Hedwig. Hm, ist ja kein Alter mehr heute. Älter als sechzehn, schon, aber trotzdem kein Alter. Vermutlich hatte sie nicht genug auf der hohen Kante für eine bessere Versorgung. Ein Platz im Altenheim, betreutes Wohnen, kostet ja schon was.

Über den Rand seiner Brille hinweg schielte er auf die Alte mit dem bösen Blick, die jetzt nur noch Augen für den jungen Pastor hatte. Er könnte ihr nach drüben verhelfen, zu Hedwig, er hatte noch etwas Leerlauf vor Leonie. Er wollte ohnehin unbedingt diesen neuen Schnitt ausprobieren, von dem er gelesen hatte. Von einem Ohr zum anderen, oberhalb der Gurgel, dann die Zunge durch die Öffnung herausziehen; soll aussehen, als wäre es eine Krawatte. In Kolumbien soll das verbreitet sein. Und in Mexiko.

Aber ... nein. Die Alte war keine Herausforderung. Und dieser Geruch, der würde ihm noch wer weiß wie lange in der Nase hängen. Wäre ja unerträglich.

Aber du, Leonie, du wirst bald auf eine Reise gehen.

Schwesterherz

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