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„Willst du den nicht endlich mal wegwerfen?“ Gielert nickte auf Elijahs Becher. „Es taugt nicht, alten Dingen hinterher zu trauern.“

Gielert war alleine zu Elijah ins Büro gekommen, ohne seine Partner, wozu ihn Elijah insgeheim beglückwünschte.

„Ich trauere dem FBI nicht nach“, sagte er, war sich aber nicht sicher, ob er es auch so meinte. Die Jahre in den USA gehörten zu den besten seines Lebens. „Auch nicht Emma, falls das deine nächste Frage sein sollte.“ Das allerdings meinte er genau so.

„Tut mir leid wegen vorhin“, sagte Gielert.

Elijah sah zu, wie sich der ehemalige Amateurringer gegen die Schreibtischkante lehnte und die Arme verschränkte. Der Anzug spannte an den richtigen Stellen – Rücken, Oberarme, Schultern. Aber auch ein wenig an der falschen.

„Du wirst fett“, sagte Elijah.

„Ich komme in das Alter“, sagte Gielert.

„Was, zu deinen anderen Problemen kommst du jetzt noch in das Alter?“

„Für dich reicht es noch.“ Grinsend.

Elijah grinste auch. „Nein, ich denke, ich sollte mir einen anderen Trainingspartner suchen“, sagte er, „jemanden, der sich tatsächlich noch bewegen kann.“ Und dann ernst, „Wegen vorhin, um das gleich mal aus der Welt zu schaffen-“

„Heiner wird sich zukünftig zurückhalten, Elijah. Er wusste nicht, wer du bist und hatte keine Ahnung von dir und Em.“

„Das meine ich nicht“, sagte Elijah. „Das Lachen, Gielert, das war nicht in Ordnung. Sag deinen Leuten, George steht unter meinem besonderen Schutz. Sag ihnen, wenn sie George auch nur einmal krumm ansehen oder sich einmal in seiner Nähe räuspern oder husten oder an ihren kleinen Hintern kratzen, dann bekommen sie es mit mir zu tun.“

„Elijah“, Gielert schüttelte den Kopf. „Du sollst Genie zu ihm sagen. Und dieser Typ gibt einem Computerprogramm einen Mädchennamen. Also ehrlich.“

„Trisha ist nicht irgendein Programm sondern ein geniales Programm, und George hat es selbst geschrieben. Alle Welt ist dahinter her, das FBI, Google, der BND. Und Trisha ist ein netter Name, ich nenne das verdammte Programm mittlerweile selbst so.“ Elijah sagte, „Hast du gewusst, dass George ein Angebot von Yale hatte und trotzdem zu uns kam?“

Gielert hob seine großen Hände in einer Pose der Kapitulation in die Luft. „Google, Yale. Super. Okay.“

Elijah wartete.

„Was, das reicht dir nicht? Du willst es von mir hören, laut und deutlich? Gut dann, laut und deutlich, Gottgütiger: Ich werde meinen Leuten sagen, sie sollen das Genie in Ruhe lassen, sonst bekommen sie es mit dir zu tun.“ Gielert sagte, „Zufrieden?“

„Ja, zufrieden.“

„Das Genie spricht sich übrigens Ge-or-ge aus, wie der Schauspieler, der Schimanski. So hat er sich mir zumindest vorgestellt“, sagte Gielert. „Ist ja leider auch schon tot, der George. Die Guten sterben alle weg.“

„Ich kannte den nicht“, sagte Elijah. „Der war bei der Kripo Duisburg, hat George gesagt?“ Den Namen wieder englisch aussprechend.

Gielert sah ihn an. „Huh?“

Elijah zuckte mit der Schulter. „Ist auch egal. Also, und nachdem wir das geklärt haben, jetzt sag mir mal, was ihr bei meinem Gespräch mit George zu suchen hattet.“

„Wir sollten dazu kommen. Mehr weiß ich nicht.“

„Das hast du vorhin schon gesagt.“

„Und ist die Wahrheit. Ich weiß nicht mehr.“

Elijah sagte, „Wie habt ihr denn davon erfahren?“

„George hat seinen Bericht geschrieben und in der Maske die Häkchen an den richtigen Stellen gemacht. Du weißt, wie das läuft.“

„Und Georges Bericht ist direkt in deinem Mailfach gelandet?“

„Nicht in meinem, nein.“

„Sondern in wessen?“

„Keinen Dunst.“

Elijah zögerte. „Und wer hat dir gesagt, du sollst zu der Besprechung kommen?“

„Meine Chefin natürlich.“

„Hm“, machte Elijah. „Dann ist Georges Bericht also in ihrem Fach gelandet. Und deine Chefin hat Shanghai gelesen und sich gedacht, Da schick ich mal den Gielert hin, der hat sowieso nichts zu tun.“

„Sie hat nichts davon gesagt, dass ich nichts zu tun habe“, sagte Gielert. „Und nichts davon, dass der Bericht in ihrem Fach gelandet ist.“

„Du hast sie also gefragt?“

Gielert nickte.

Elijah wartete.

„Was soll ich sagen? Hat mich ja auch stutzig gemacht“, sagte Gielert. „Ich hatte noch nie mit deinem Schutzbefohlenen George zu tun, also hab ich sie gefragt. Aber sie hat mir nicht gesagt, von wem sie von Georges Untersuchung dieses Fotos weiß und erst recht nicht, warum sie sich dafür interessiert. Nur, Gehen Sie da mal hin Gielert und nehmen Sie Ihre Leute mit und dann berichten Sie mir zack zack. Was ich tun werde, sobald ich hier raus bin. Denn“ – Gielert nahm sein Telefon hervor und drückte Tasten und hielt Elijah die Nachricht vors Gesicht – „sie wartet bereits.“

Elijah las. „Ihr siezt euch, huh?“

„Ja, meine Chefin ist so ein Typ. Du solltest davon ausgehen, dass jemand ein Auge auf diese Sache hat, Elijah. Und damit auch auf dich.“ Gielert steckte das Telefon wieder ein und schob sich kraftvoll vom Schreibtisch weg. „Kommst du heute Abend? Ich hab ein paar neue Sachen auf Lager, die kann ich dir beibringen.“

Elijah setzte ein Lächeln auf. „Du? Mir? In deinem Alter? Mit deinem Ring um die Hüfte?“

„Ausnahmsweise, warum nicht? Und vielleicht weiß ich dann auch mehr.“

„In dem Fall würde ich dich sogar eine Runde gewinnen lassen“, sagte Elijah. „Ausnahmsweise.“

Als Gielert weg war, ging Elijah zu Jo. Sie saß an ihrem Schreibtisch, den Termin wohl schon hinter sich, auf dem Bildschirm Amelies Todesanzeige und daneben eine Akte, die sie gerade zuklappte.

„Du bist dran“, sagte sie.

„Was hab ich jetzt wieder angestellt?“

„Weiß ich nicht, aber bestimmt irgendwas.“ Sie sagte, „Barbara hat durchgeklingelt, zwei Mal schon. Du sollst zu Eschenbach kommen. Jetzt. Pronto.“

Elijah sagte, „Wer ist Eschenbach?“

Sie sah ihn an, ob er das ernst meinte, schüttelte dann den Kopf und sagte, „Meine Güte, Eschenbach ist dein neuer Chef, Elijah.“

„Oh ... Eschenbach, richtig. Und was will der von mir?“

„Elijah, hallo? Mitarbeitergespräch. Bereits vor einer Woche angekündigt. Steht in deinem Terminkalender.“

„Ich habe einen Terminkalender?“

„Auf deinem Computer, alle offiziellen Termine ...“ Jo winkte ab. „Vergiss es.“

„Also Eschenbach war dein Termin?“

„Und jetzt bist du dran.“

Elijah schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Zeit. Frag Amelie.“

„Amelie ist tot. Das Thema ist für uns beendet. Schlussstrich, Elijah, verdammt.“

„Amelie ist kein Thema. Nenn sie nicht so.“

„Du weißt, wie ich das meine. Jetzt geh halt zu Eschenbach. Dauert auch nicht lange, fünfzehn Minuten.“

„Hat er zu dir etwas von Amelie gesagt?“

„Von Amelie?“ Jo schüttelte den Kopf. „Wie kommst du darauf? Er hat gefragt, an was wir gerade arbeiten, und ich hab ihm von Johansson berichtet, dass der gerade beim Haftrichter sitzt.“

„Du hast nichts von Amelie erzählt?“

„Natürlich nicht, warum sollte ich? Amelie ist nicht unser Fall. Damals nicht und heute nicht.“

„Heute vielleicht doch“, sagte Elijah. „Und du scheinst das auch zu denken, zumindest ein bisschen. Oder warum hast du das da liegen?“ Er nickte auf die Akte. ‚Bennett, Amelie‘ stand darauf und die Fallnummer. „Schlussstrich, huh?“

„Ich habe das aus dem Archiv angefordert“, sagte Jo. „Ich wollte nur – Moment, was meinst du damit, Heute vielleicht doch?“

„Nicht unser Fall also?“

„Eine Art abschließendes Interesse, im Sinne eines Schlussstriches, ja. Was meinst du mit Heute vielleicht doch, Elijah?“

„Das Foto mit Amelie wurde in Shanghai aufgenommen.“

Jo guckte ihn an. „Shanghai? China?“

Elijah nickte. „Sag mal, was is’n der Neue für einer?“

„Redet gerne. Dann korrigiert er sich. So einer halt.“ Sie sagte, „Shanghai. Was hat Amelie denn in Shanghai gemacht?“

„Wenn ich das wüsste.“ Jo würde längst Informationen über ihren neuen Chef eingezogen haben, auch hier funktionierte der Flurfunk. Elijah sagte also, „Was weißt du sonst noch über ihn? Eschenbach?“

„Fünfzehn Jahre älter als du“, sagte sie, „und kein Kriminaler, sondern Verwaltungskarriere. Managertyp. Mit dem haben wir die Arschkarte gezogen, Elijah. Aber du wolltest ja nicht.“

Elijah sagte, „Ausgeschlossen, dass der schon von Amelie weiß, oder?“

„Frag ihn halt“, sagte Jo. „Er wartet.“

Schwesterherz

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