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Elijah schob den Vorhang ganz zur Seite und ging hinein und mit weiten Schritten zu ihnen hin und griff Jankowsky über die Schulter und zog das Blatt Papier unter seinem Kugelschreiber weg und machte einen Schritt zurück.

Ronny sah ihn an, stumm.

Jankowsky rief „Hey“ und „Leblanc“ und sprang von seinem Hocker und streckte den Arm nach dem Blatt aus und fiel lang auf den Boden.

Elijah guckte und sah auf Jankowskys Bierdeckel zwei Fünferblocke Striche und vier Kreuzchen. Zehn kleine Bier. Drei Liter. Dazu vier Schnaps. Kein Wunder, dass er sich langlegte.

Zugleich behielt er Ronny im Auge.

„Einen guten Rat habe ich für Sie, Jankowsky“, sagte Elijah. „Bleiben Sie liegen. Und ein guter Rat an dich, Mister Trier, bevor du handelst, denke über die Konsequenzen nach.“

„Wat? Woher weißt du, dat ich Mister Trier bin, heh? Dat war ers jetz am Wochenend.“

„Wow“, sagte Elijah, „du redest ja noch immer so.“

Jankowsky stand langsam auf und blieb stehen, zu Elijahs Erstaunen ohne sich festzuhalten. „Sag ich doch, du Arsch, der beobacht dich.“

Elijah las. Oben auf dem Blatt stand, Auswendig lernen, doppelt unterstrichen, und darunter Fragen und Deine Antworten. Frage: Wann haben Sie A.B. zuletzt gesehen? Antwort: Hab ich doch bereits damals gesagt, am zweiten März. Frage: Was haben Sie mit ihr gesprochen? Antwort: Ich habe mit ihr Schluss gemacht. Wir waren befreundet, aber ich wollte das nicht mehr. Hab ich auch damals schon gesagt. Frage: Wo haben Sie und A.B. gesprochen? Antwort: In meinem Wagen, wir standen vor ihrer Haustür. Auch dass hab ich gesagt.

Dass mit zwei s.

Jankowsky ließ sich auf seinen Hocker fallen.

Ronny stand auf.

Elijah sagte, ohne vom Blatt hochzugucken, „Hast du schon nachgedacht?“

„Wodrüber?“

„Über die Konsequenzen“, sagte Elijah.

„Wat für Konsequenzen?“, sagte Ronny. „Et git kein Konsequenzen für neist.“

„Nicht für deine Sprache, da hast du Recht“, sagte Elijah. „Aber für dein Handeln.“

„Weil du’n Bulle bis, oder wat? Da tu ich ächt drauf scheißen.“

Elijah nickte. „Ich bin mir nicht ganz sicher“, sagte er, „aber ich glaube, ich habe verstanden, was du sagen wolltest.“

Frage: Haben Sie gewusst, dass A.B. versucht hat, sich das Leben zu nehmen? Antwort: Nein. Frage: Hat A.B. bereits vorher einmal versucht, sich das Leben zu nehmen? Antwort: Davon weiß ich nichts.

Und dann kam der lange Strich, als er Jankowsky das Blatt weggenommen hat.

Elijah sagte, „Kannst du das hier eigentlich lesen, Ronny?“, und hielt das Blatt hoch.

„Kann ich“, sagte Ronny.

„Richtig, du gehst ja zur Universität von Wisconsin. Kannst du es denn auch aussprechen? Denn immerhin, was hier steht ist Hochdeutsch.“

Ronny sagte, „Ich kann dir sogar wat uf’de Fress kloppn“, und drückte die Fäuste gegeneinander, dass die Finger knackten.

Elijah schüttelte den Kopf und schaute auf Jankowsky, dann wieder auf Ronny und wieder auf Jankowsky und sagte, „Sagt mal, ihr zwei, kommt ihr eigentlich vom selben Stamm? Mit eurer Sprache?“

„Was wollen Sie schon wieder hier, Leblanc?“

„Jankowsky, ich habe Ihnen doch gesagt, in welchem Fall wir uns wiedersehen. Und dieser Fall scheint eingetreten. Und schneller, als ich gedacht habe. Wo ist Giggi?“

„Macht uns wat zu essen. Was Sie wollen, Leblanc?“

„Wissen, was das hier zu bedeuten hat.“

Jankowsky guckte auf das Blatt in Elijahs Hand. Elijah sah ihm an, wie er überlegte und trotzdem zu keiner intelligenten Antwort fand und sich schließlich eine weitere Zigarette anzündete und, Rauch aus Mund und Nase ausstoßend, sagte, „Hat mit was zu tun, an dem ich arbeiten tu“, und einen langen Schluck trank. „Geht dich nix an, Leblanc.“

„Reden Sie keinen Müll, Jankowsky. Sie haben schon lange an nichts mehr gearbeitet.“

„Dat musste zurückginn, Leblanc“, sagte Ronny jetzt und rollte seine Schultern.

Elijah guckte ihn an. „Bist du Boxer, oder hast du das aus einem Film?“

„Weltmeister“, sagte Ronny und packte Elijah am Arm und streckte sich nach dem Papier, das Elijah in der anderen Hand hielt, die Hand außerhalb von Ronnys Reichweite.

„Schon gut, schon gut“, sagte Elijah, „hier ... ups“, und ließ das Blatt fallen und sah Ronnys Blick dem Blatt folgen.

Wie Elijah es erwartet hat.

Elijah drehte die Hüfte ein und schlug Ronny die Faust zwei Mal gegen den Oberkörper, zwei schnelle Körperhaken exakt auf die Eurostück große Stelle unter dem Brustbein und über den Bauchmuskeln wo der Solar Plexus bei jedem Kerl, egal wie groß und breit er war, nur darauf wartete, nach einem Treffer das eine Signal an den Rest des Körpers zu senden: kurze Pause.

Und genau das geschah.

Und weil Ronny groß und schwer war und vollgepumpt mit aggressiv machenden Anabolika und vielleicht noch mit schmerzdämpfenden Medikamenten, ging Elijah auf Nummer sicher.

Und rammte ihm das Knie zwischen die Beine. Zwei Mal hintereinander. Schnell und hart.

Dann sah Elijah zu, wie sich einhundert Kilo Ronny stumm und im wahren Wortsinn atemlos auf den Weg nach unten machten.

Auf dem Boden angekommen, wälzte sich Ronny und krallte sich die Bandana vom Kopf, sein Mund weit aufgerissen, aber ohne Nutzen, denn noch immer war Pause, noch immer bekam er keine Luft. Er hielt sich den Bauch mit beiden Händen, massierte, drückte die Muskeln und endlich, endlich konnte er wieder atmen, wenn auch nur kurz und schnell und laut wie ein Kranker bei einem Asthmaanfall.

Schließlich, jetzt vornübergebeugt und sich mit Händen und Knien aufstützend, das Gesicht weiß, der Schädel nass von Schweiß, wurden die Atemzüge länger, tiefer, strömte wieder Luft bis in den letzten Winkel der Lunge.

Aber Ronny nutzte seine wiedergewonnene Redefähigkeit auf die falsche Weise.

„Du dumm Sau, ich schlaach dir-“

Und Elijah trat die Arme unter ihm weg, schnell, rechts-links.

Ronny klatschte mit dem Gesicht wieder auf den Boden.

Dann stellte sich Elijah mit einem Größe vierundvierzig Westernstiefel auf die Finger von Ronnys rechter Hand und verlagerte die Hälfte seines Gewichts darauf.

„Ich muss das fragen, Ronny: kennst du einen guten Handchirurgen?“

Ronny stöhnte, „Oh scheiße, nit dat schowidda.“

„Was du jetzt spürst, Ronny, sind rund vierzig Kilo“, sagte Elijah. „Die Sohle ist aus hartem Leder, aber ich vermute, das ist dir bereits klar geworden. Ich kann noch einmal vierzig Kilo dazu tun, wenn du das möchtest.“ Er sagte, „Möchtest du?“

Keine Antwort. Aber Ronnys Atemzüge waren wieder kürzer und schneller.

Jankowsky saß auf seinem Hocker und trank und rauchte, als würde ihn das alles nichts angehen. Von Giggi war nach wie vor nichts zu sehen und nichts zu hören.

Elijah sagte, „Ich nehme das als ein Nein. Ich werde dich jetzt loslassen und dir zurück auf deinen Hocker helfen. Dann stelle ich dir Fragen, und du wirst sie beantworten. Solltest du nicht antworten oder etwas Dummes versuchen, dann werde ich dir die Finger brechen. Hast du das verstanden?“

Keine Antwort.

„An dieser Stelle brauche ich allerdings zwingend eine Antwort, Ronnyboy, und die Antwort“, sagte Elijah und verlagerte mehr Gewicht auf Ronnys Hand, sechzig Kilo, „kann nur Ja oder Nein lauten. Weiß nit ist als Antwort nicht vorgesehen. Ich bevorzuge Ja. Also, verstanden?“

„Scheiße ... ja ... ja!“

„Gut.“

Elijah nahm seinen Fuß von Ronnys Hand und packte den Bodybuilder am Kragen seiner Jacke und zerrte ihn hoch und drückte ihn auf den Hocker.

„Du bist schwer wie ein Elefant“, sagte Elijah, „und irgendwie siehst du auch so aus. Dir fehlt nur der Rüssel, dann könntest du im Zoo auftreten.“

Dann hob er das Blatt auf und setzte sich neben Jankowsky auf denselben Hocker, auf dem er eine Stunde zuvor gesessen hatte.

Jankowsky warf die Zigarette in den Aschenbecher und stand auf. Langsam, vorsichtig. „Oh Mann ... ich glaub ich muss kotzen“, und schwankte los. Nicht in einer geraden Linie, aber immerhin noch ungefähr in Richtung einer Tür mit einem pinkelnden Männchen aus Messing.

Elijah grinste Ronny an. „Jetzt, du Elefant, sind wir ganz alleine.“

Schwesterherz

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