Читать книгу Arbeitsrecht für ErzieherInnen in 100 Stichworten - Tanja von Langen - Страница 17

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12.Arbeitsunfähigkeit

Fallbeispiel:

Nina M. ist seit kurzem Kinderpflegerin im Kindergarten „Farbklecks“, der in kommunaler Trägerschaft steht. Nach langer Jobsuche und vielen Enttäuschungen hat sie nun die Stelle gefunden, die sie sich immer gewünscht hat: Man überträgt ihr viel Verantwortung und lässt sie eigenständig mit den Kindern arbeiten. Gruppenleiterin Gisa P. traut ihr viel zu und fordert sie, was ihr sehr entgegen kommt. Als Nina M. wegen einer Nierenbeckenentzündung krankgeschrieben ist, lernt sie die andere Seite der Medaille kennen: Gisa P. ruft sie zuhause an und erkundigt sich, ob sich Nina M. „ausnahmsweise“ in der Lage sehe, am morgigen Ausflug teilzunehmen, es stünden sonst nicht genügend Aufsichtspersonen zur Verfügung, und der Ausflug müsse ins Wasser fallen.

Wann muss ich einen Krankenschein vorlegen?

Die AN ist verpflichtet, dem AG ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so hat die AN eine ärztliche Bescheinigung hierüber spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der AG kann unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auch frühere Vorlage verlangen. Solange die AN schuldhaft dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist der AG berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch auch noch später mit jedem zulässigen Beweismittel erbracht werden (BAG, NZA 1999 S. 370).

Meine Leiterin sagt, Atteste von bestimmten Ärzten nimmt sie gar nicht mehr an, weil die unglaubwürdig seien. Geht das so einfach?

Die von der AN vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat hohen Beweiswert, weil es der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist. Der AG kann daher die Richtigkeit des ärztlichen Attestes nicht ohne weiteres in Frage stellen und den Entgeltanspruch verweigern. Gelingt es ihm allerdings, den Beweiswert des ärztlichen Attestes zu erschüttern, indem er konkrete entgegensprechende Tatsachen vorweist, dann muss die AN grundsätzlich die begründeten Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ausräumen, um den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht zu verlieren (BAG, NZA 1998 S. 372ff.).

Ich war längere Zeit wegen eines Bandscheibenvorfalles krank. Nun wäre es mir wegen meiner Rückenprobleme lieber, ich würde nicht mehr so viel mit den Kindern arbeiten müssen und könnte eher z. B. die Büroarbeit erledigen. Würde das gehen?

Nach einer krankheitsbedingten Abwesenheit obliegt es der AN, ihre Arbeitsleistung anzubieten. Nimmt der AG dieses Angebot nicht an, befindet er sich im Annahmeverzug, vorausgesetzt, die angebotene Leistung ist die vertragsgemäße Leistung. Das Angebot einer anderen, nicht vertragsgemäßen Arbeit begründet keinen Annahmeverzug. Er kommt auch nicht in Verzug, wenn die Schuldnerin zur Zeit des Angebotes außer Stande ist, die vertraglich vereinbarte Leistung zu bewirken (§ 297 BGB). Um nicht in Verzug zu geraten, muss der AG der AN jedoch die ihr mögliche und zumutbare leidensgerechte und ggfs. auch nicht vertragsgemäße Arbeit anbieten. Allerdings muss eine entsprechende Stelle auch frei sein. Unzumutbar ist beispielsweise ein Ringtausch mit anderen AN, also etwa mit der Leiterin, um deren Büroarbeiten erledigen zu lassen. Selbst wenn die AN anbietet, eine bestimmte andere oder generell jede Arbeit im Betrieb ausführen zu können und zu wollen, gerät der AG nur dann in Verzug, wenn es einen entsprechenden freien Arbeitsplatz oder eine entsprechend freie Arbeitskapazität gibt. Ist nach einer Krankheit unklar, ob die AN ihre vertragliche Arbeitsleistung erbringen kann, obliegt ihr die Pflicht, konkret zu benennen, welche Arbeiten sie ausführen kann und will. Tut sie dies nicht, gerät der AG nicht in Verzug (BAG, Urt. vom 27. 8. 2008 – 5 AZR 16/08 –).

Meine Leiterin hat schon häufiger von mir gefordert, dass ich bei besonderen Anlässen trotz Krankheit zur Arbeit erscheine, um den Aufsichtsschlüssel einzuhalten. Darf ich denn überhaupt arbeiten, wenn ich einen Krankenschein habe?

Das Gesetz selbst schweigt sich zu diesem häufig anzutreffenden Problem aus. Hat Ihr Arzt Sie krankgeschrieben, bedeutet das nicht unbedingt, dass Sie in dem genannten Zeitraum auch tatsächlich krank sein müssen, schließlich zeigt die Formulierung auf dem Krankenschein „voraussichtlich bis“ schon, dass es sich um eine Prognoseentscheidung handelt. Kommen Sie vor diesem Zeitpunkt zu der Auffassung, dass Sie wieder arbeitsfähig sind, können Sie selbstverständlich auch Ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Nicht verkennen sollten Sie aber bei dieser Einschätzung, dass ein Arzt in der Regel besser beurteilen kann, ob Sie wieder topfit sind oder ob bei dieser speziellen Erkrankung eventuell eine gewisse Phase der Rekonvaleszenz mitberücksichtigt werden muss, ein Nur-Abklingen der Symptome also nicht ausreicht. Auf der sicheren Seite sind Sie immer dann, wenn der Arzt Sie wieder „gesundschreibt“, also eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellt.

Ein verantwortungsvoller AG wird diese ohnehin von Ihnen fordern, denn: Nach ständiger Rechtsprechung ist ein AG zumindest dann, wenn

•die Arbeitsunfähigkeit der AN objektiv feststeht,

•dieses auch beiden Vertragsparteien bekannt ist,

•die AN aber sehenden Auges gleichwohl arbeiten will,

aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, die AN von dieser Arbeit abzuhalten (LAG Hamm, Urt. vom 10. 11. 1988 – 17 Sa 605/88 –). Das LAG folgt damit der Rechtsprechung des BAG, der zufolge eine Arbeitsunfähigkeit der AN wegen Erkrankung dann vorliegt, wenn ein Krankheitsgeschehen sie außerstande setzt, die ihr nach dem Arbeitsvertrag obliegende Verpflichtung zu verrichten oder wenn sie die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbarer Zeit ihren Zustand zu verschlechtern.

Was passiert, wenn ich trotz Krankenschein arbeite und mein Zustand verschlimmert sich deswegen?

Wird die Arbeit trotz Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit wieder aufgenommen und tritt dann eine Verschlimmerung ein, wird es zu Problemen mit der Versicherung kommen, die zum einen für diesen weiteren Schadensfall nicht eintritt und unter Umständen für bereits geleistete Zahlungen Regress nehmen wird. Schuldner dieses Regressanspruches wären sowohl Sie als auch Ihr AG. Nicht zuletzt ist auch Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung gefährdet, wenn Sie den ärztlichen Anweisungen nicht Folge leisten. Denn verzögern Sie durch eigenmächtige „Gesundung“ den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, verlieren Sie für den verlängerten Zeitraum den Anspruch.

Was passiert, wenn ich trotz Krankenschein arbeite und einen Wege- oder Arbeitsunfall habe?

Abzugrenzen hiervon ist der gesetzliche Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaften. Diese weisen darauf hin, dass auch in den Fällen der früheren Rückkehr an den Arbeitsplatz der Versicherungsschutz im Falle eines Unfalles auf dem Weg zur oder von der Arbeit bzw. am Arbeitsplatz selbst besteht, vorausgesetzt, die Arbeitsaufnahme dient den betrieblichen Interessen. Den betrieblichen Interessen dient die Arbeitsaufnahme immer dann, wenn trotz Krankschreibung den gewöhnlichen Tätigkeiten oder einer Schontätigkeit nachgegangen wird.

Tipp:Sind Sie krankgeschrieben, fühlen sich aber fit und möchten früher als ursprünglich vorgesehen an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sollten Sie sich hierfür das schriftliche Einverständnis Ihres Arztes geben lassen und auch die Krankenkasse entsprechend informieren.

Verwandte Suchbegriffe:

•Arbeitsvertrag, Rechte und Pflichten aus dem

•Entgeltfortzahlung

•Unfallversicherungsschutz

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