Читать книгу Arbeitsrecht für ErzieherInnen in 100 Stichworten - Tanja von Langen - Страница 7

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2.Abmahnung

Fallbeispiel:

Simone L. ist Zweitkraft in der Kindertageseinrichtung „Wolkenreiter“ in P. Die in kommunaler Trägerschaft stehende viergruppige Einrichtung mit angeschlossener Krippe und Hort hat 18 Mitarbeiterinnen. Heute übergibt Leiterin Kerstin A. ihr ein mit „Abmahnung“ betiteltes Schreiben, das Gesa O., Gruppenleiterin und Vorgesetzte von Simone L., aufgesetzt und unterschrieben hat. Darin wird sie abgemahnt, weil sie wiederholt, die genauen Daten werden aufgelistet, während der Arbeitszeit private Telefonate auf ihrem Handy empfangen und geführt hat. Außerdem sei sie, die Daten werden ebenfalls akribisch aufgeführt, wiederholt zu spät zur Arbeit erschienen. Es folgt der Satz: „Derartige arbeitsvertragliche Verstöße haben in Zukunft zu unterbleiben, worauf wir ausdrücklich hinweisen.“ Das Schreiben trägt die Unterschriften von Gesa O. und Kerstin A.

Warum wird überhaupt abgemahnt?

Nach ständiger Rechtsprechung (BAG, NZA 2002 S. 968ff.) hat eine Abmahnung zwei Funktionen. Zum einen hat sie den Sinn, der AN ihren Vertragsverstoß vor Augen zu führen – dies ist die sog. Beanstandungsfunktion. Gleichzeitig soll ihr die Abmahnung aufzeigen, dass sie im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss – dies ist die sog. Warnfunktion einer Abmahnung.

Unterfällt der Betrieb dem Kündigungsschutzgesetz, ist die Abmahnung notwendige Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung. Damit soll dem Einwand der AN vorgebeugt werden, sie habe die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, dass der AG ihr Verhalten als dermaßen schwerwiegend ansehe. Denn das Kündigungsschutzrecht unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfG, NZA 1999 S. 77). Aus ihm folgt, dass vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine einschlägige Abmahnung als milderes Mittel ausgesprochen werden muss. Der AG muss der AN mit einer Abmahnung die Gelegenheit geben, ihr Verhalten zu ändern. Dies gilt naturgemäß vor allem bei Vertragsverletzungen im Leistungsbereich, also

•Schlechtleistung,

•beharrlicher Verweigerung der Arbeitspflicht,

•häufige Unpünktlichkeit,

•sonstigem Fehlverhalten, dessen Fehlerhaftigkeit die AN nicht erkannt hat oder dessen Hinnahme durch den AG möglich erscheinen könnte.

Darf mich meine Leiterin denn überhaupt abmahnen, muss das nicht immer der Träger tun?

Abmahnungsberechtigt ist nicht nur, wer kündigungsberechtigt ist, sondern alle Mitarbeiterinnen, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind, Anweisungen hinsichtlich Ort, Zeit sowie Art und Weise der zu verrichtenden Tätigkeit zu erteilen (BAG, BB 1980 S. 1269). Eine stellvertretende Leiterin oder eine Gruppenleiterin kann also eine Erzieherin abmahnen. Die Delegierung des Abmahnrechts vom Träger auf Leiterin bzw. von Leiterin auf Gruppenleiterin braucht auch nicht schriftlich erfolgen.

Aber vorher mit mir reden muss man doch wenigstens, oder?

Man könnte meinen, dass vor Erlass einer Abmahnung die betroffene AN das Recht hätte, angehört zu werden. Dies ist jedoch nach herrschender Meinung in der Rechtsliteratur nicht so. Nur wenn eine besondere Regelung dies vorsieht, ist die AN vorher anzuhören. Ein Beispiel für eine solche Regelung, die ein Anhörungsrecht der AN vorsah, ist der ehemalige § 13 Abs. 2 BAT gewesen. Danach musste die Angestellte über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für sie ungünstig sind oder ihr nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden. Das BAT galt bis 2005 und wurde durch den TvöD ersetzt. Der TvöD sieht ein solches Anhörungsrecht nun nicht mehr vor.

Meine Leiterin hat mir neulich eine mündliche Abmahnung erteilt. Ist das überhaupt rechtens?

Auch die Einhaltung einer bestimmten Form, also beispielsweise Schriftform, ist ebenfalls nur dann Wirksamkeitsvoraussetzung einer Abmahnung, wenn diese ausdrücklich, beispielsweise im Arbeitsvertrag, vorgeschrieben ist. Eine Abmahnung kann also durchaus auch mündlich erfolgen, allerdings werden dann Beweisprobleme auftreten und in aller Regel wird auch dem Bestimmtheitserfordernis nicht Genüge getan sein.

Die Abmahnung muss das gerügte Fehlverhalten so genau und konkret wie möglich beschreiben. Pauschale Behauptungen wie „schlechte Arbeitsleistung“, „nicht hinnehmbares Verhalten“ oder „Unzuverlässigkeit“ genügen nicht (LAG Hamm, NZA 1997 S. 1056.)

Deshalb werden Abmahnungen in der Regel immer schriftlich formuliert. Aus der Abmahnung muss hervorgehen:

•die Schilderung des Fehlverhaltens,

•Datum des Fehlverhaltens,

•Uhrzeit des Fehlverhaltens,

•klare Formulierung der Konsequenz: Kündigung bei Wiederholung.

Im Fallbeispiel fehlt es gerade an Letzterem: Mit keinem Wort wird die Kündigung bei nochmaligem Zuspätkommen oder Privattelefonaten angedroht. Die Abmahnung ist daher wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam. Eine auf sie gestützte Kündigung wäre unwirksam.

Muss unser Betriebsrat vorher nicht angehört werden?

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Beteiligung des Betriebsrates an einer Abmahnung nicht einmal dann erforderlich, wenn sie eine Kündigung vorbereitet (BAG, DB 1990 S. 483ff.).

Was ist, wenn mein Fehlverhalten schon längere Zeit zurückliegt. „Verjährt“ es dann nicht?

Eine Ausschlussfrist für die Abmahnung gibt es nicht. Der AG darf also auch lange nach dem Fehlverhalten noch eine Abmahnung aussprechen. Ebenso verliert eine einmal ausgesprochene Abmahnung ihre Wirkung nicht mit Zeitablauf. Ob eine Abmahnung auch nach langer Zeit noch zur Kündigung berechtigt, hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalles ab und wird im Streitfalle vom Gericht entschieden (BAG, Urt. vom 9. 8. 1984 – 2 AZR 400/83 –, NJW 1985 S. 823; BAG, Urt. vom 18. 11. 1986 – 7 AZR 674/84 –, NZA 1987 S. 418). Wie lange eine Abmahnung wirkt, hängt immer von der Schwere der Vertragsverletzung ab. Es kann also sein, dass bei schweren Vertragsverletzungen im Wiederholungsfall der AG auch nach längerer Zeit eine Kündigung ohne erneute Abmahnung aussprechen kann. Selbst bei einem Zeitablauf von dreieinhalb Jahren muss bei schweren Verletzungen die Abmahnung ihre Wirkung noch nicht verloren haben (BAG, Urt. vom 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01 –).

Ich konnte doch aber gar nichts dafür, dass ich ein paar Mal zu spät gekommen bin. Zählt das denn gar nicht?

Für die Wirksamkeit einer Abmahnung ist es – im Gegensatz zur Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung – nicht erforderlich, dass das abgemahnte Verhalten schuldhaft gewesen ist. Der AG ist also nicht verpflichtet, vor Erteilung einer Abmahnung etwa erst zu prüfen, ob eine Entschuldigungserklärung – etwa das defekte Auto oder die Stellwerkschwierigkeiten bei der Bahn – der Mitarbeiterin wahr ist und hier umfangreiche Nachforschungen zu betreiben.

Kann ich mich gegen eine Abmahnung wehren?

Wird die Abmahnung in die Personalakte aufgenommen, was die Regel sein dürfte, steht der AN das Recht zu, eine Gegendarstellung abzugeben, die ebenfalls in die Akte aufzunehmen ist. Außerdem hat die AN das Recht, die Entfernung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte zu verlangen, wenn diese nachweisbar unwirksam ist. Dieser Anspruch folgt nach dem BAG aus den §§ 12, 862, 1004 BGB i. V. m. § 242 BGB nach dem Prinzip der Fürsorgepflicht des AG. Nach bisheriger Rechtsprechung war der Anspruch auf Entfernung regelmäßig ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet war. Nachdem zu dieser Frage eine Änderung der Rechtsprechung eingetreten ist, steht zu erwarten, dass das BAG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nun die Entfernung einer unwirksamen Abmahnung aus der Personalakte als zulässig erachtet. Ist die Abmahnung nur teilweise berechtigt und einzelne Vorwürfe unrichtig, muss die gesamte Abmahnung aus der Akte entfernt werden. Dem AG steht aber das Recht zu, eine neue Abmahnung unter Weglassung der unrichtigen Vorwürfe auszusprechen. Und schließlich kann die AN sogar die Entfernung einer vollkommen zu Recht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist (BAG, Urt. vom 19.7.2012 – 2 AZR 782/11 –).

Unsere Leiterin mahnt uns ständig ab. Müssen wir das wirklich ernst nehmen?

Bei verhaltensbedingten Kündigungen stehen Arbeitgeber häufig vor dem Problem, entweder zu früh zu kündigen (d. h. ohne vorausgegangene wirksame Abmahnung) oder ihr Abmahnungsrecht durch zu viele Abmahnungen zu verwirken. Denn wenn sich ausgesprochene Abmahnungen nur als leere Drohungen erweisen, weil der AG ständig nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen, wird die Warnfunktion einer Abmahnung erheblich beeinträchtigt. Das BAG hat hierzu jedoch festgestellt, dass angesichts der im Arbeitsleben weit verbreiteten Praxis, bei leichteren Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere – häufig drei – Abmahnungen vorausgehen zu lassen, in der Regel die dritte Abmahnung jedenfalls keineswegs schon entwertet ist (BAG, Urt. vom 16. 9. 2004 – 2 AZR 406/03 –, NZA 2004 S. 8). Ob dies auch für weitere Abmahnungen gilt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Tipp:In vielen Rechtsratgebern im frühpädagogischen Bereich wird behauptet, eine Abmahnung sei nur binnen zweier Wochen nach dem Fehlverhalten der AN zulässig und zur Begründung § 626 Abs. 2 BGB angeführt. Hiervon sollten Sie sich nicht verwirren lassen: § 626 BGB gilt ausschließlich für außerordentliche (fristlose) Kündigungen, die ja gerade ohne Abmahnung wirksam sind. Zur Wirksamkeit einer Abmahnung sagt diese Norm nichts aus.

Verwandte Suchbegriffe:

•Kündigung

•Personalakte, Einsicht in die

•Tarifvertrag

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