Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 69
Tag 52
Оглавление6. November 2013
Ansgar Japes, 35, Chemiker beim LKA Sachsen und Sachverständiger zur Brandstiftung am 4.11.2011 in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau. Michael M., 53, Leitender Polizeidirektor aus Gotha. Wolfgang Stahl, Anja Sturm, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Yavuz Narin, Anwalt der Nebenklage.
(Es geht um den Brand in der Frühlingsstraße in Zwickau. Der Sachverständige hat Gegenstände aus der Wohnung und die Kleidung von Beate Zschäpe, die sie bei ihrer Festnahme trug, auf Rückstände brennbarer Flüssigkeiten untersucht. Darunter auch Zschäpes Socken.)
Japes An etlichen Objekten waren Kohlenwasserstoffgemische deutlich nachweisbar. Es handelte sich um Einzelkomponenten von Ottokraftstoff. Dieser bildet in der Luft explosionsfähige Gemische. Auch die Rückstände an den schwarzen Socken stammten höchstwahrscheinlich von Benzin. An den Lederschuhen wurde kein Ottokraftstoff gefunden.
Verteidiger Stahl Wie lange halten sich denn Spuren von Ottokraftstoff an einem Material wie dem der Socken?
Japes Das hängt von der Umgebungstemperatur ab und davon, ob die Socken zum Beispiel durch Schuhe so abgekapselt sind, dass wenig entweichen kann. Es sind aber auch noch leichtflüchtige Komponenten gefunden worden, sodass von keiner langen Verweildauer auszugehen ist. Wären die Socken beispielsweise gewaschen worden, hätte man diese Komponenten nicht mehr gefunden.
Verteidiger Stahl Wie lange dauert es, bis nur noch minimale Rückstände zu finden wären?
Japes Schwerflüchtige Verbindungen sind noch nach einer Woche nachweisbar. Die leichtflüssigen Verbindungen wie Feuerzeugbenzin sind schon nach kurzer Zeit weg.
Verteidigerin Sturm Wie waren die Asservate denn verpackt, als Sie sie bekommen haben, und wann haben Sie mit Ihrer Untersuchung begonnen?
Japes Begonnen haben wir direkt nach Eingang des Materials am 9. November 2011. Das Material war in gasdichter Folie oder Einmachgläsern verpackt, die Socken in gasdichtem Beutel.
(Der Zeuge Michael M. wird aufgerufen. Er hatte als Leiter einer Sonderkommission zu einer Serie von Banküberfällen ermittelt und am 4. November 2011 die Arbeit der Polizei in Eisenach koordiniert, als dort Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Filiale der Sparkasse überfallen hatten und später tot in ihrem Wohnmobil gefunden wurden.)
Michael M. Wir haben eine Meldung über den Überfall in Eisenach erhalten. Es waren genügend Einsatzkräfte vorrätig, die nach Eisenach gefahren sind. Von einem anderen Fall war bekannt, dass die Täter vielleicht mit einem Transporter oder einem ähnlichen Fahrzeug vom Tatort flüchten würden, deshalb wurden Transporter in die Fahndung genommen. Ein Zeuge in Eisenach hat dann berichtet, er habe zwei Männer gesehen, die Fahrräder in ein weißes Wohnmobil mit dem Kennzeichen »V« für Vogtland geladen hätten. Diese Information ist sofort weitergeleitet worden. Die Stadt wurde fast abgeriegelt, und wir haben systematisch Eisenach durchkämmt. Um die Mittagszeit hat eine Streife ein Wohnmobil mit diesem Kennzeichen »V« gesehen. Bei der Annäherung der Beamten sind Schüsse gefallen, die Kollegen sind in Deckung gegangen, blieben aber in Sichtkontakt. Die Beamten haben Verstärkung gerufen, das Wohnmobil brannte, auch die Feuerwehr wurde verständigt. Als ich eintraf, war der Brand schon weitgehend gelöscht. Im linken Bereich des Wohnmobils, vom Eingang aus gesehen, lagen zwei tote männliche Personen. In dem Wohnmobil wurden mehrere Waffen gefunden. An einer Pistole war der Magazinboden geschmolzen und eine Patrone ausgetreten. Ich konnte diese Patrone als Polizeimunition identifizieren. Wir haben dann die Ermittlungen zu den Personen und zu den Waffen vorangetrieben, und am Nachmittag konnte die Pistole anhand der Waffennummer als diejenige identifiziert werden, die die Kollegin Kiesewetter in Heilbronn getragen hat. Bei den Ermittlungen zur Anmietung des Wohnmobils hat sich ergeben, dass die Anmietung auf die Personalien von Holger Gerlach erfolgte. Die Leichen aus dem Wohnmobil wurden zur Gerichtsmedizin nach Jena verbracht. Herr Gerlach wurde in der Nacht auf Samstag, um 1.30 Uhr, an seiner Arbeitsstelle in Lauenau von den Kollegen aus Niedersachsen festgenommen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits die Information, dass Gerlach als rechtsmotiviert einzuschätzen ist. Und wir wussten, dass sein Geburtsort Jena ist. Das war der entscheidende Punkt. Am Samstag gegen 8 Uhr oder 8.30 Uhr habe ich dann das vorläufige Sektionsergebnis aus Jena erhalten. Eine Person wurde als Uwe Mundlos identifiziert, anhand von Unterlagen zu einer Vermisstenanzeige des Vaters von 2005. Es waren Fingerabdrücke vorhanden. Die Identifizierung war in der Nacht erfolgt. Das Ergebnis stand um 3.15 Uhr fest, da hat man mich aber nicht noch einmal anrufen wollen. Damit hat sich natürlich ein ganz neues Bild ergeben im Zusammenhang mit den Ereignissen 1998 in Jena. Unsere These war: Vielleicht war Mundlos weiterhin in Begleitung von Herrn Böhnhardt und Frau Zschäpe. Wir wollten also wissen: Ist die zweite Person Böhnhardt? Und wo ist Frau Zschäpe? Von den Zielfahndern des LKA erhielten wir Bildmaterial einer Tätowierung auf der linken Wade von Böhnhardt. Dadurch war klar, dass es sich bei der zweiten Person mit hoher Wahrscheinlichkeit um Böhnhardt handelt. Gegen 12.30 Uhr rief ein Kollege aus Sachsen an und teilte mit, dass es am Freitagnachmittag in Zwickau in der Frühlingsstraße 26 zu einer Explosion gekommen ist. Und es gab eine Zeugenaussage, dass dort in der Vergangenheit ein weißes Wohnmobil gesehen wurde. Das führte zu der Frage, ob die Frühlingsstraße 26 ein Wohnunterschlupf von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war. Am Nachmittag erfuhren wir aus Sachsen, dass die Wohnung auf den Namen Dienelt angemietet war und zwei männliche Personen und eine weibliche Person dort gewohnt haben sollen. Das hat das Bild eigentlich nur noch abgerundet.
Anwalt Narin Warum wurde das Wohnmobil am Nachmittag in eine Lagerhalle geschleppt? Bestand dabei nicht die Gefahr, Spuren zu vernichten oder zu verändern?
Michael M. Der Transport erfolgte so spurenschonend wie möglich. Es ging darum, das Fahrzeug an einen Ort zu bringen, wo es vernünftig weiter untersucht werden konnte.
Verteidiger Klemke Was können Sie zu Aussagen zu einer dritten Person im Umfeld des Wohnmobils sagen?
Michael M. Es gibt immer wieder Hinweise, die sich zum Schluss in Luft auflösen und nicht weiterführen. Eine Zeugin hat gesagt, sie habe vor der Tatzeit zwei Männer und eine Frau gesehen. Wir haben die Streifenpolizisten gefragt, die hätten es ja sehen müssen, wenn da jemand weggelaufen ist. Die Polizisten vor Ort konnten das Wohnmobil einwandfrei sehen, sie konnten auch unter das Fahrzeug gucken. Sie haben sich eindeutig festgelegt: Da war niemand. Daher ist das aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich, dass es so gewesen ist. Auch die Auffindesituation lässt nicht den Schluss zu, dass da ein Dritter weggelaufen sein könnte. Schon der erste Eindruck beim Betreten des Wohnmobils war, dass die sich selbst erschossen haben.
Verteidiger Klemke Gab es weitere Hinweise auf eine dritte Person?
Michael M. Es gab einen weiteren Hinweis. Ein Zeuge sagte, an der Autobahnanschlussstelle Eisenach-Ost wollte eine Person als Anhalter mitgenommen werden. Wir haben das überprüft, auch durch Einsatz eines Hubschraubers. Es hat sich nicht bestätigt.