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Tag 56

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14. November 2013

Manfred Götzl, Richter. Thomas J., 49, Kriminaloberkommissar beim LKA Sachsen. Susann E., 26, Hotelfachfrau aus Zwickau. Katrin F., 43, Reinigungskraft aus Zwickau, frühere Nachbarin von Beate Zschäpe. Martin F., 42, Hausmeister, Ehemann von Katrin F. Herbert Diemer, Jochen Weingarten, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.

Thomas J. Von den zwölf abgeschickten NSU-Bekennervideos wurden sechs im Briefzentrum 04 Leipzig abgestempelt, und zwar am Sonntag, 6.11.2011. Das Briefzentrum befindet sich in Schkeuditz nahe dem Flughafen Leipzig/Halle.

Die Frage war: Kann Frau Zschäpe die sechs Bekennervideos selbst eingeworfen haben? Die Ermittlungen haben ja ergeben, dass Beate Zschäpe am 5.11.2011 in Chemnitz war. Laut einer Zeugenaussage hielt sie sich am Nachmittag in Eisenach auf. Am 6. 11 gegen 3.45 Uhr hat sie dann in Bremen ein Wochenend-Ticket gekauft. Die Zugverbindung hätte durchaus nach Leipzig führen können. Am 7.11.2011 ist sie in Halle gesehen worden von einem Zeugen. Die Ermittlungen ergaben, dass ein Einwurf in Halle am Samstagnachmittag oder am Sonntag zwingend im Briefzentrum 04 am 6.11.2011 abgestempelt worden wäre. Es ist also möglich, dass sie die Umschläge selbst eingeworfen hat.

(Die nächste Zeugin ist Susann E. aus Zwickau.)

Susann E. Vor etwa neun Jahren hat mich in der Innenstadt von Zwickau eine Frau angesprochen, ob ich für sie ein Prepaid-Karten-Handy kaufen und unterschreiben könnte. Sie hat mir dafür 20 Euro geboten, aber ich habe kein Geld angenommen. Wir sind in einen Telekom-Laden gegangen, ich habe unterschrieben und das war’s.

Götzl Können Sie die Frau noch beschreiben?

Susann E. Kann ich kaum, es ist neun Jahre her.

Götzl Was ist Ihnen noch in Erinnerung?

Susann E. Ich würde sagen, dass die Frau etwas kleiner war als ich, dunkle Haare hatte. Keine Brille. Schlank, normal gebaut. Sie ist nett und freundlich aufgetreten.

Götzl War sie allein oder in Begleitung?

Susann E. Sie war allein, und ich war auch allein.

(Es folgt die Zeugin Katrin F.)

Katrin F. Wir haben 2005 oder 2006 in der Polenzstraße 2 in Zwickau gewohnt. Frau Zschäpe wohnte damals im Erdgeschoss, wir in der ersten Etage. Da hab ich sie halt kennengelernt. Sie war eine freundliche Frau, hilfsbereit, auch zu den Kindern war sie sehr lieb. Wenn wer wenig Geld hatte, hat sie für die eingekauft. Ich kann jetzt eigentlich über die Frau nichts Schlechtes sagen.

Sie hat dort mit zwei Männern gewohnt. Mit denen konnte man aber nicht so groß reden. Man hat sie auch kaum gesehen. Der eine war groß und schlank. Der andere war etwas stämmiger.

Frau Zschäpe habe ich beim Wäscheaufhängen gesehen. Die drei waren immer viel mit den Rädern unterwegs. Ein-, zweimal im Jahr sind sie mit dem Wohnmobil weggefahren, an die See, für sechs oder sieben Wochen. Frau Zschäpe war meist zu Hause, sie sagte, ihr Freund würde in der Computerfirma des Vaters gut verdienen, deshalb brauchte sie nicht arbeiten. Es waren zwei Männer bei ihr zu Hause, wer ihr Freund war, wusste ich eigentlich nicht.

Götzl Wie sind die drei miteinander umgegangen?

Katrin F. Normal.

Götzl Was haben die Männer gemacht, wenn sie da waren?

Katrin F. Die waren oft mit ihren PC-Ballerspielen beschäftigt. Frau Zschäpe hat das mal erwähnt, dass sie viel Computer spielen. Einmal im Keller haben die sich auch mal über Waffen unterhalten, da wusste ich nicht, worum es geht. Es ging um eine Schießerei, mehr hab ich da nicht gehört. Den genauen Inhalt weiß ich nicht mehr. Ich wollte was im Keller holen, da haben sie von Waffen geredet. Sie haben ihre Räder geholt, da kam ich gerade die Treppen runter.

Götzl In Ihrer früheren Vernehmung klang es so, als sei es um echte Waffen gegangen bei dieser Unterhaltung.

Katrin F. So war es nicht. Ich habe eher an Computerwaffen gedacht damals. Ich kenne mich ja auch nicht so richtig aus.

Oberstaatsanwalt Weingarten Haben Sie sich die polizeiliche Vernehmung eigentlich noch mal durchgelesen?

Katrin F. Nein.

Oberstaatsanwalt Weingarten Aber Sie haben unterschrieben.

Katrin F. Ich hab nur so schnell gemacht.

Oberstaatsanwalt Weingarten Ich habe Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass die Polizei eineinhalb Seiten etwas aufschreibt, was Sie nicht gesagt haben. Ich darf Sie erinnern, Sie stehen hier unter Wahrheitspflicht.

Katrin F. Ich hab das damals ja nicht so geschnallt.

Oberstaatsanwalt Weingarten Kann es sein, dass Sie nicht gern was Schlechtes über Frau Zschäpe sagen?

Katrin F. Ich kann eigentlich auch nichts Schlechtes über sie sagen. Sie war eigentlich recht freundlich zu uns.

Oberstaatsanwalt Weingarten Das kann gut sein. Aber Sie müssen hier die volle Wahrheit sagen.

Anwalt Scharmer Haben Sie denn damals bei der Polizei die Wahrheit gesagt?

Katrin F. Eigentlich schon.

Anwalt Scharmer Und uneigentlich?

Katrin F. Ich hab schon gesagt, wie es war.

(Die Zeugin verlässt den Gerichtssaal, der nächste Zeuge ist ihr Ehemann.)

Götzl Herr F., kennen Sie Beate Zschäpe?

Martin F. Was soll ich denn groß sagen? Ich hab im gleichen Haus gewohnt, im ersten Stock rechts. Neben uns hat Frau K. gewohnt, darüber noch eine vietnamesische Familie, aber ich weiß nicht, wie sie heißt. Im Erdgeschoss hat die Angeklagte gewohnt, daneben war eine Schuldnerberatung.

Götzl Und wohnten im Erdgeschoss auch zwei Männer?

Martin F. Die habe ich nur einmal gesehen.

Götzl Wann haben Sie da gewohnt?

Martin F. Es könnte 1995/96 gewesen sein. Nein, es muss 2005/06 gewesen sein. Groß Kontakt zu Frau Zschäpe oder den Männern hatte ich aber nicht.

Götzl In Ihrer polizeilichen Vernehmung hat sich das etwas anders angehört. Ich will schon die Wahrheit wissen, Herr F.!

Martin F. Na ja, die Männer sind eben ein und aus gegangen. Der eine soll der Bruder gewesen sein, hat Frau Zschäpe meiner Frau erzählt.

Götzl Wie hat sich denn Frau Zschäpe Ihnen gegenüber verhalten?

Martin F. Normal, ganz normal. Freundlich, zuvorkommend. Ich erinnere mich nicht an viel.

Götzl Das wissen Sie jetzt schon?

Martin F. Sie stellen ja keine richtigen Fragen.

Götzl Doch. Aber Sie geben keine richtigen Antworten.

Martin F. Ich bin halt etwas gereizt.

Götzl Weshalb?

Martin F. Weil es ein so langer Tag ist.

Götzl Ja, das ist für uns alle schon ein langer Tag. Aber bin ich deswegen gereizt?

(Anwalt Heer schwenkt die Hand, Gelächter im Saal.)

In der polizeilichen Vernehmung haben Sie ausgesagt, Frau Zschäpe habe mal von »Ausländerpack« gesprochen. Trifft das zu?

Martin F. So habe ich das auf keinen Fall gesagt.

Götzl Weiter heißt es in dem Protokoll: Weil sie so schlecht auf Ausländer zu sprechen war, habe sich Ihr Bruder nicht getraut, Sie dort zu besuchen, weil er mit einer Vietnamesin verheiratet war. Was sagen Sie denn dazu?

Martin F. Gar nichts.

Götzl Das geht aber nicht. Ist es nun so gewesen, wie Sie es bei der Polizei sagten?

Martin F. (wirft einen flüchtigen Blick auf Zschäpe) Es kam das Gerücht auf, dass die Frau Zschäpe Ausländer nicht leiden kann.

Götzl Also stimmt es, dass Ihr Bruder nicht zu Ihnen kam mit seiner vietnamesischen Frau?

Martin F. Das ist richtig.

Götzl Und es stimmt, dass in dem Haus oben eine vietnamesische Familie wohnte?

Martin F. Es ist mir vollkommen rille, ob das Türken, Griechen oder Vietnamesen sind. Für mich sehen sie alle gleich aus.

(Zschäpe schüttelt den Kopf.)

Götzl Haben Sie gehört, dass Frau Zschäpe mal über Ausländer gesprochen hat?

Martin F. Nein. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob Zschäpe »Ausländerpack« gesagt hat.

Bundesanwalt Diemer Sie haben Frau Zschäpe jetzt wiederholt angeschaut. Haben Sie Angst, gegen sie auszusagen?

Martin F. Nein, ich gucke, weil ich sie lange nicht gesehen habe. In meinen Augen hat sie nichts Böses getan.

Bundesanwalt Diemer Sie wissen, dass Sie die Wahrheit sagen müssen?

Martin F. Ja.

Oberstaatsanwalt Weingarten Also gut. Vielleicht erklären Sie mir noch mal genau, warum die vietnamesische Frau Ihres Bruders Sie nicht besucht hat.

Martin F. Ich kann in die Frau nicht reingucken.

Oberstaatsanwalt Weingarten (erhebt die Stimme) Also …

Martin F. … schon gut. Noch mal: Ich habe die Wahrheit gesagt bei der Polizei.

Oberstaatsanwalt Weingarten Dann erklären Sie mir, weshalb Ihr Bruder nur noch ohne seine vietnamesische Frau zu Besuch kam.

Martin F. Weil ich meinem Bruder gesagt habe, was die Leute im Haus mir gesagt haben: dass Frau Zschäpe keine Ausländer mag.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wenn wir Ihren Bruder hier befragen …

Martin F. Der wird dasselbe sagen.

Oberstaatsanwalt Weingarten Und? Ist die Frau Ihres Bruders nun Vietnamesin oder Türkin?

Martin F. Vietnamesin.

Oberstaatsanwalt Weingarten Jetzt können Sie es ja doch auseinanderhalten.

(Martin F. verlässt den Saal, Richter Götzl ruft nochmals dessen Frau Katrin F. als Zeugin auf.)

Götzl Frau F., was können Sie uns über den Bruder Ihres Mannes erzählen? Wie ist es mit seiner Familie?

Katrin F. Der war mit einer Vietnamesin verheiratet. Aber die sind jetzt getrennt.

Götzl Haben die beiden Sie damals in Zwickau besucht? Und gab es irgendwelche Schwierigkeiten?

Katrin F. Gar nicht.

Götzl Gab es Gerüchte, dass Frau Zschäpe ausländerfeindlich ist?

Katrin F. Nein, gar nicht.

Götzl War diese vietnamesische Frau bei Ihnen zu Besuch?

Katrin F. Ja, ein, zweimal.

Götzl Warum nicht öfters?

Katrin F. Das lag an den Unstimmigkeiten in der Familie.

(Katrin F. verlässt den Saal, ihr Mann wird erneut als Zeuge aufgerufen.)

Götzl Ich muss Sie noch mal ermahnen, die Wahrheit zu sagen, Herr F. Warum bestand kein Kontakt zu der vietnamesischen Frau Ihres Bruders? Ihre Frau sagt, das habe an Unstimmigkeiten in der Familie gelegen.

Martin F. Meine Frau weiß eigentlich, dass Frau Zschäpe was gegen Ausländer hat.

Götzl Ihre Frau hat gerade das Gegenteil ausgesagt. Wie können Sie sich das erklären?

Martin F. Das kann ich mir nicht erklären.

Götzl Warum glauben Sie, dass Ihre Frau wusste, dass Frau Zschäpe etwas gegen Ausländer hat?

Martin F. Weil es alle im Haus wussten. Und ich weiß, dass ich es meiner Frau erzählt habe, dass Frau Zschäpe keine Ausländer mag.

Der NSU Prozess

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