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Tag 53

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7. November 2013

Manfred Götzl, Richter. Frank Liebau, 40, Ex-Besitzer des Szene-Geschäfts Madley in Jena. Sein Mitarbeiter Andreas Schultz soll die Waffe für das Trio besorgt haben. Jürgen Länger, 41, Tauchlehrer aus Jena. Er sagte auch an Tag 134 aus. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Alexander Hoffmann, Gül Pinar, Anwälte der Nebenklage.

Götzl Mir geht es um die Zeit, als Sie den Laden Madley in Jena betrieben haben …

Liebau Den Laden hatte ich von 1995 bis 2009, wir haben ganz normale Textilien und Schuhe vertrieben, später ging es mehr in die modischen Richtungen, mit Thor Steinar und so was. Anfangs habe ich das mit Herrn Schultz zusammen gemacht, später war er nur noch als freier Mitarbeiter im Laden, weil er nebenbei noch seine Minigolf-Anlage im Freibad betrieben hat. Ansonsten gibt es dazu nichts weiter zu sagen.

Götzl Hat Ihr Geschäft auf eine bestimmte Kundschaft abgezielt?

Liebau Die bestimmte Kundschaft ist gekommen, aber abgezielt haben wir auf alle.

Götzl Und wer kam?

Liebau Die Jugend. Aus dem rechten Spektrum waren Leute dabei, aber auch ganz normale Leute.

Götzl Welche Aufgaben hatten Sie, welche Herr Schultz?

Liebau Es ging nur um den Verkauf. Wenn ich nicht da war, hat er den Verkauf gemacht. Ich hab die Waren organisiert.

Götzl War Herr Schultz ausschließlich für den Verkauf zuständig?

Liebau Ja.

Götzl Wie häufig waren Sie zugegen?

Liebau Täglich eigentlich.

Götzl Und Herr Schultz?

Liebau Vier oder fünf Mal die Woche.

Götzl Warum haben Sie den Laden wieder aufgegeben?

Liebau Wir hatten mehrere Anschläge gehabt von linken, autonomen Gruppen. Der Vermieter hat uns daraufhin gekündigt.

Götzl Kannten Sie Herrn Böhnhardt?

Liebau Ja, vom Sehen her.

Götzl Bei welcher Gelegenheit?

Liebau Vom Laden her. Jena ist halt nicht sehr groß.

Götzl Wie häufig hatten Sie Kontakt zu ihm?

Liebau Nur wenn man sich mal zufällig getroffen hat.

Götzl War er Kunde bei Ihnen?

Liebau Ja, der war ein paar Mal da.

Götzl Was hat er gekauft?

Liebau Klamotten oder Schuhe. Vielleicht mal ’ne CD. Ich weiß es nicht.

Götzl Kannten Sie Herrn Mundlos?

Liebau Im gleichen Verhältnis.

Götzl Seit wann kannten Sie ihn?

Liebau Das weiß ich nicht.

Götzl In etwa?

Liebau Irgendwann in den Neunzigerjahren.

Götzl Kannten Sie Frau Zschäpe?

Liebau Ja, auch über den Laden.

Götzl War Sie Kundin bei Ihnen?

Liebau Das ist alles ganz schön lange her. Ich weiß nicht, ob sie was gekauft hat. Für Frauen gab es damals nicht so viel bei uns.

Götzl Kennen Sie Herrn Wohlleben?

Liebau (nickt) Hm.

Götzl Wie lange schon?

Liebau Auch seit den Neunzigern.

Götzl Wie häufig haben Sie ihn getroffen und bei welchen Gelegenheiten?

Liebau Wenn er im Laden was gekauft hat oder wenn man sich in der Stadt über den Weg lief.

Götzl Wie waren dann die Situationen?

Liebau Man hat mal kurz gequatscht, vielleicht eine geraucht und ist dann weitergegangen.

Götzl Worüber haben Sie sich unterhalten?

Liebau Das weiß ich doch nicht mehr. Es waren allgemeine Themen, was es alles so gibt.

Götzl Können Sie uns auch über Herrn Schultz noch mehr berichten? War er ein Freund oder ein Bekannter?

Liebau Wir haben uns nach der Wende kennengelernt, und es ist ’ne Freundschaft draus entstanden. Dann haben wir den Laden zusammen gegründet. Irgendwann hat es sich später zerlaufen.

Götzl Was meinen Sie damit?

Liebau Jeder ist dann seinem eigenen Ding nachgegangen.

Götzl Was war das?

Liebau Er hat dann weiter weg gewohnt. Irgendwann hat er keine Lust mehr gehabt, nach Jena zu fahren. Wir haben uns dann nur noch ganz selten gesehen.

Götzl Was haben Sie dann gemacht?

Liebau Ich habe alleine den Laden weitergemacht.

Götzl Hatten Sie trotzdem weiter Kontakt zu Herrn Schultz?

Liebau Unregelmäßig. Die letzten zwei, drei Jahre habe ich ihn zwei, drei Mal gesehen oder so.

Götzl Wurden von Ihnen oder Herrn Schultz mal irgendwelche Waffen in dem Laden verkauft?

Liebau Keine Ahnung.

Götzl Sind Sie mal angefragt worden?

Liebau Nicht, dass ich wüsste.

Götzl Und bei Ihrem Geschäftspartner Herrn Schultz?

Liebau Von der Polizei habe ich gehört, dass Schultz angeblich mal eine Waffe verkauft hat. Weiß nicht, ob das stimmt.

Götzl Haben Sie mit Herrn Schultz auch darüber gesprochen?

Liebau Das geht mich nichts an.

Götzl Das beantwortet nicht meine Frage. Ob Sie mit ihm darüber gesprochen haben?

Liebau Nein.

Götzl Warum nicht?

Liebau Weil ich es gar nicht wissen wollte.

Götzl Warum nicht?

Liebau Es bringt Probleme mit sich, wenn man zu viel weiß.

Götzl Nun sagen Sie, der Herr Schultz ist Ihr Freund. Und Sie sprechen nicht mit ihm darüber?

Liebau Ja, aber man muss nicht immer alles wissen. Das kann man ja nach dem Prozess dann fragen.

Götzl Kam mal jemand und hat Sie nach einer scharfen Waffe gefragt?

Liebau Es ist zu lange her, ich kann mich nicht daran erinnern. Über Waffen haben wir uns alle unterhalten, wir waren jung, wir quatschten darüber. Was man bei der Bundeswehr so geschossen hat. Wir hatten ja schon als kleine Kinder Umgang mit Waffen gehabt in der DDR.

Götzl Haben Sie, als Sie Herrn Schultz zuletzt getroffen haben, über die Thematik Waffen gesprochen?

Liebau Ich hab ihm gesagt, das soll er allein klären. Ich will es gar nicht wissen.

Götzl Dann muss das ja doch Thema gewesen sein.

Liebau Er hat mir erzählt, dass er nach Karlsruhe musste. Bei der Vernehmung muss er irgendwas zugegeben haben.

Götzl Was hat er zugegeben?

Liebau Dass er angeblich ne Waffe verkauft hat. Er war da auch irgendwie überrumpelt worden. Aber davon weiß ich nichts und will auch gar nichts wissen. (Liebau hat sich breitbeinig in den Stuhl gelegt.)

Götzl (leicht gereizt) Ich würde Sie bitten, sich nicht gar so bequem hinzusetzen. Unverschämt werden müssen Sie hier nicht.

Also, ich will da jetzt Klarheit haben: Was haben Sie über Karlsruhe besprochen? In Karlsruhe kann man viel machen. Weswegen waren Sie in Karlsruhe? Ich muss hier andauernd nachsetzen. Es wäre mir lieber, Sie würden im Zusammenhang erzählen, was Sie von diesem Gespräch in Erinnerung haben. Mir wäre es viel lieber, wenn ich nicht nachfragen müsste. Vielleicht überlegen Sie noch mal kurz!

Liebau Es gibt da nicht viel zu erzählen. Wir haben nie richtig über das Thema intensiv gesprochen. Ich wollte es nicht wissen, was er gemacht hat.

Götzl Vorhin haben Sie gesagt, dass er es zugegeben hat.

Liebau Na, das, was in der Zeitung stand. Dass er eine Waffe verkauft hat. Aber was für eine – da hab ich ihm gleich gesagt, das will ich nicht wissen.

Götzl Die Äußerung, er sei überrumpelt worden – ist die so gefallen von Herrn Schultz?

Liebau Sinngemäß, ja.

Götzl In Bezug worauf?

Liebau Wie ich es gesagt habe: Dass er überrumpelt wurde.

Götzl Von wem?

Liebau Von der Polizei, was weiß ich. Dem ganzen Trubel. Es wurde nicht viel gesprochen, ich wollt’s nicht wissen.

Götzl Kennen Sie Herrn Holger Gerlach?

Liebau Bestimmt, wenn ich ihn sehe. Vom Namen sagt es mir nichts.

Götzl Ist er hier im Saal anwesend?

Liebau Keine Ahnung.

(Holger Gerlach lacht vor sich hin, als Liebau in seine Richtung schaut.)

Götzl Laut Vernehmungsprotokoll haben Sie 2012 ausgesagt, dass Sie Herrn Wohlleben im Jahr 2000 oder später mal gefragt haben, ob es etwas Neues zu den drei Untergetauchten gibt.

Liebau Das kann sein. Das ist schon wieder zwei Jahre her, dass ich da befragt wurde.

Götzl Zwischen 2000 und 2012 sind noch viel mehr Jahre her. Kommt da jetzt ne Erinnerung zurück?

Liebau In dem Laden mag darüber gesprochen worden sein. Aber wer und wann das war, weiß ich nicht mehr. Wobei ich bei der Befragung gar nicht gesagt habe, dass Herr Wohlleben Kontakt zu den dreien hatte. Das wurde von den Ermittlern alles so schön zurechtgelegt und zusammengebastelt. Wie das halt so üblich ist bei den Ermittlern.

Götzl Haben Sie das Vernehmungsprotokoll noch mal angeschaut?

Liebau Ich hab’s überflogen.

Götzl Hat es der Wahrheit entsprochen, was darin stand oder nicht?

Liebau Ich hab’s nicht komplett durchgelesen. Mein Eindruck war: Die haben mich befragt und die Sätze dann zusammengebaut.

Götzl In der Vernehmung haben Sie laut Protokoll auch gesagt, es seien in den Neunzigern öfter Leute gekommen und hätten nach Waffen gefragt. Was sagen Sie dazu?

Liebau Da ging es meistens um Schreckschusswaffen.

Götzl Es würden mich jetzt die andern Fälle interessieren.

Liebau Das waren so Armbrüste und solche Waffen.

Götzl Wie ist das dann abgelaufen?

Liebau Ich habe denen immer gesagt: Das führen wir nicht, das haben wir nicht im Programm.

Götzl Ist es so zutreffend, dass das »Madley« ein Szeneladen für Leute aus der rechten Szene war?

Liebau Kann sein.

Götzl Wie häufig war eigentlich Herr Wohlleben bei Ihnen im Laden?

Liebau Einmal im Jahr vielleicht. Ich weiß es nicht mehr genau, wann und wie.

Götzl Sie haben in der alten Vernehmung angegeben, dass Sie mal zwischen Tür und Angel von Ralf Wohlleben nach einer Waffe gefragt worden sein könnten; und dass Sie ihn dann wahrscheinlich abgewimmelt und an Herrn Schultz verwiesen hätten, das sei Ihr Standardsatz gewesen.

Liebau Ich kann mich nicht erinnern, dass es so ein Gespräch gab. Das haben die Ermittler wohl so vorgelegt.

Götzl Diesen Satz? Haben Sie das nicht gesagt?

Liebau Ich habe gesagt, dass ich mich nicht dran erinnern kann. Was da alles an Worten gefallen ist, weiß ich nicht mehr. Es gab mehrmals solche Situationen, dass ich auf dem Sprung war.

Götzl Das kann ich mir nicht so recht vorstellen, ehrlich gesagt. (Lacht.)

Liebau Die ganzen Sätze, die Sie da vorlesen, wurden zusammengebastelt.

Götzl Dann erklären Sie mir bitte, wie das Protokoll der Vernehmung zustande gekommen ist.

Liebau (schweigt länger) Wie das genau alles zusammengekommen ist … Wenn’s so dasteht, wird’s vielleicht so gewesen sein.

Götzl Wurde das hier frei erfunden von den Beamten, die Sie vernommen haben?

Liebau Frei erfunden nicht. Ich hab irgendwas dazu gesagt, dann haben die die Sätze zusammengebaut.

Götzl Wobei sich dann die Frage stellt, warum Sie das alles abzeichnen.

Liebau Ich wollte einfach raus.

Götzl Haben Sie protestiert?

Liebau Protestiert hab ich nicht.

Anwältin Pinar Wer gehörte bei Eröffnung des Ladens zu Ihrem engsten Freundeskreis?

Liebau Schultz sicher. Ansonsten weiß ich nicht.

Anwältin Pinar Das glaube ich Ihnen nicht.

Liebau Wen haben Sie denn vor zwanzig Jahren als Freund gehabt?

Anwältin Pinar Ich stelle hier die Fragen.

Liebau Es ist lange her.

Anwältin Pinar Hatten Sie eine Clique?

Liebau Nein.

Anwältin Pinar Wie? Sie sind immer zu Hause herumgehangen oder was?

Liebau Nein, mal hier, mal dort.

Anwalt Hoffmann Am 26.10.2000 fand bei Ihnen eine Vernehmung durch den Staatsschutz statt. Auch Ihre Wohnung wurde damals durchsucht und es wurden drei Videos sichergestellt, unter anderem mit dem Titel »Kriegsberichter« Volume 2 und 3. Erinnern Sie sich daran?

Liebau Nein.

Verteidiger Klemke Ich beanstande diese Frage.

Götzl Ich lasse sie zu.

Verteidiger Klemke Aber Herr Vorsitzender …

Bundesanwalt Diemer Der Vorsitzende Richter hat die Frage zugelassen, und damit hat sich’s.

Verteidiger Klemke Damit hat sich’s nicht. Herr Diemer, Sie haben eine seltsame Vorstellung der Strafprozessordnung. Ich beantrage einen Gerichtsbeschluss.

(Nach einer kurzen Pause verkündet Götzl den Gerichtsbeschluss: Die Frage wird zugelassen.)

Anwalt Hoffmann Also: Erinnern Sie sich daran, dass im Jahr 2000 in Ihrer Wohnung mehrere Videos sichergestellt wurden?

Liebau Nein.

Anwalt Hoffmann Erinnern Sie sich an die Hausdurchsuchung?

Liebau Nein, dass es eine gab ja, aber nicht wann.

Anwältin Pinar Ich beantrage die wörtliche Protokollierung der Aussagen des Zeugen wegen des möglichen Straftatbestands der Aussageverweigerung.

(Bundesanwalt Diemer und die Anwälte der Nebenklage schließen sich dem Antrag an.)

Götzl (heiter) Schließt sich irgendjemand nicht an?

Verteidiger Klemke Ich rege an, dem Zeugen einen Zeugenbeistand zu bestellen. Er kann offenbar seine Interessen hier nicht alleine wahren.

Götzl Dann beenden wir die Befragung. Ich würde Sie bitten, nächste Woche erneut hier zu erscheinen, Herr Liebau. Sie sind ja Hausmann und haben Zeit.

(Der nächste Zeuge ist Jürgen Länger. Die Ermittler haben den Verdacht, dass er die Česká Liebaus Partner Schultz verkauft habe, der sie dem Angeklagten Carsten Schultze übergab. Carsten Schultze brachte die Waffe schließlich den NSU-Terroristen.)

Länger (zeigt auf Oberstaatsanwalt Weingarten) Mir wurde gesagt von diesem Mann, dass das, worum es hier geht, irgendwie verjährt sei.

Götzl Es geht darum, ob Sie an Personen im Jahr 1998 bis 2000 Waffen übergeben haben.

Länger Ich weiß, worum es geht. Deswegen wurde bei mir eine Durchsuchung gemacht. Ein Anwalt hat mir gesagt, hier sei gar nichts verjährt, denn hier gehe es um einen Schalldämpfer. Deswegen möchte ich die Aussage verweigern. Ich will eigentlich gar nichts mehr sagen, mir ist das zu viel, ich würde mich nur belasten.

(Der Zeuge wird rausgeschickt. Die Prozessbeteiligten beraten unter sich. Oberstaatsanwalt Weingarten macht deutlich, der etwaige Verkauf der Waffe sei strafrechtlich verjährt, nicht verjährt wäre jedoch Beihilfe zum Mord. Dafür hätte der Zeuge die Empfänger der Waffe kennen müssen. Sollte er nun vor Gericht, um der Wahrheitspflicht zu genügen, bekunden, dass er wusste, wohin die Česká-Pistole geliefert wurde, stünde ihm ein Aussageverweigerungsrecht zu, da er sich nicht selbst belasten müsse. Die Richter ziehen sich zur Beratung zurück. Anschließend verkündet Götzl, man wolle prüfen, ob dem Zeugen ein Rechtsanwalt als Zeugenbeistand beigeordnet werde. Der Zeuge Länger darf gehen.)

Der NSU Prozess

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