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Tag 66
Оглавление9. Dezember 2013
Manfred Götzl, Richter. Janine S., 28, Notarfachangestellte aus Zwickau. Ermittlungen ergaben, dass sie im Juli 2003 von Beate Zschäpe in Zwickau angesprochen wurde mit der Bitte, für sie einen Handyvertrag abzuschließen. Rocco R., 45, Kriminalhauptmeister aus Zwickau. Christine L., 32, Kriminaloberkommissarin beim BKA. Anja Sturm, Verteidigerin von Beate Zschäpe.
Janine S. Im Juli 2003 war ich in Zwickau unterwegs, als mich vor einem Telekom-Shop eine Frau ansprach, wie alt ich wäre. Ich sagte siebzehn. Sie meinte, sie hätte ihren Ausweis vergessen, ob ich für sie einen Handyvertrag unterschreiben könnte, sie würde mir 50 Euro geben. Da habe ich unterschrieben, warum auch immer.
Götzl Können Sie die Frau beschreiben?
Janine S. Sie war Mitte zwanzig, älter als ich, und hatte braune Haare. Sie war kleiner als ich. Mehr kann ich nicht sagen.
Götzl Wie lief das ab?
Janine S. Ich hab meinen Ausweis vorgelegt und musste unterschreiben. Von mir ist nie Geld für einen Handyvertrag abgebucht worden.
Götzl Haben Sie sich nicht gewundert, dass Ihnen jemand 50 Euro gibt?
Janine S. Wahrscheinlich habe ich im jugendlichen Leichtsinn nur das Geld gesehen. Ich habe wohl gedacht: Toll, 50 Euro! Es war kurz vor dem Geburtstag meiner Mutter, vielleicht dachte ich auch, dann kann ich ihr ein Geschenk kaufen. Ich weiß es nicht mehr.
Götzl Wie ist die Frau auf Sie zugegangen?
Janine S. Vermutlich nett und freundlich, sonst wäre ich nicht mit ihr mitgegangen.
(Der nächste Zeuge ist der Polizist Rocco R..)
Rocco R. Ich wurde im Dezember 2006 mit der Bearbeitung eines Wasserschadens in der Polenzstraße in Zwickau betraut. Im Haus wohnte eine Frau Lisa Dienelt, die habe ich als Zeugin vorgeladen. Aber es erschien niemand auf die Ladung. Ich bin in das Haus gegangen und habe versucht, mit Frau Dienelt zu sprechen. Die Frau hat mir geöffnet und gesagt, dass sie nicht Lisa Dienelt ist, sondern Susann Eminger. Sie erschien dann zwei Tage später auf der Dienststelle. Herr Eminger kam auch mit.
Götzl Die Susann Eminger, haben Sie die auch vernommen?
Rocco R. Ich habe die Frau vernommen, die mir die Tür geöffnet hat.
Götzl Aber wir haben zwei Namen, Susann Eminger und Lisa Dienelt.
Rocco R. Die Frau sagte, Liese sei ihr Spitzname. Und am Klingelschild steht Dienelt, deswegen würden alle davon ausgehen, dass sie wohl Dienelt heiße.
Götzl Haben Sie Erinnerungen an die Vernehmung?
Rocco R. Als sie sagte, dass sie am Vormittag des Wasserschadens nicht in der Wohnung war, war sie für die Sache nicht mehr interessant.
Götzl Was war mit Herrn Eminger?
Rocco R. Er war nicht geladen, er war einfach da. Er sagte, sie kümmerten sich um die Wohnung des Herrn Matthias Dienelt, weil er Fernfahrer war. Sie kümmerten sich um die Katzen.
(Als nächste Zeugin spricht Christine L., Kriminaloberkommissarin beim BKA. Sie hat ermittelt, wo sich Zschäpe zwischen dem Brand in der Frühlingsstraße in Zwickau am 4. November 2011 und ihrer Festnahme am 8. November 2011 in Jena aufhielt.)
Götzl Was können Sie uns über mögliche Aufenthaltsorte von Frau Zschäpe zwischen dem 4. und 8. November 2011 sagen?
Christine L. Am 4. November 2011 gab es gegen 9.30 Uhr den Banküberfall in Eisenach. Gegen 12.30 Uhr brannte das Wohnmobil. Um 15.08 Uhr ging ein Notrufein, dass das Haus in der Frühlingsstraße brannte. Zeugen berichteten, dass Frau Zschäpe mit zwei Katzenkörben das Haus verließ, die Körbe abstellte, und sich dann entfernte. Im Bereich Wohngebiet hat sie mehrfach versucht, André Eminger anzurufen. Am Platz der Völkerfreundschaft kam eine Verbindung zustande. Danach wurde das Handy nicht mehr benutzt. Gegen 3 Uhr nachts gab es mehrere Anrufe aus Glauchau auf dem Festnetzanschluss von André Eminger. Ob die Anrufe von Frau Zschäpe kamen, wissen wir nicht.
Am Morgen des 5. November hat Frau Zschäpe um 7.09 Uhr von einer Telefonzelle in Chemnitz bei Familie Böhnhardt angerufen, vorher wurde die Nummer der Auskunft gewählt. Danach wurde Familie Mundlos angerufen, das ist zweimal fehlgeschlagen und eine Dreiviertelstunde später geglückt. Sie hat die Eltern über den Tod ihrer Söhne informiert. Dann ist Frau Zschäpe von Chemnitz nach Leipzig gereist, wo sie sich bei Burger King ein Internetticket gekauft hat. Sie hatte das Ticket dabei, als sie sich später der Polizei stellte. Um 10.40 Uhr hat sie sich bei Burger King ins Internet eingewählt. Sie blieb eine Stunde und 15 Minuten online. Welche Seiten sie besucht hat, wissen wir nicht. In ihrer Handtasche fanden wir auch die Telefonnummer ihrer Oma in Jena und auf einer Tablettenpackung die Nummer ihrer Tante. Auch abgestempelte Bahnfahrkarten hatte sie dabei. Von Leipzig ist Frau Zschäpe dann weiter nach Eisenach gefahren. Eine Zeugin glaubt, sie bei Tageslicht gesehen zu haben. Das muss vor 17 Uhr gewesen sein, weil um 17 Uhr die Sonne unterging. Spürhunde haben die Spur bestätigt. Dann ist sie weiter nach Bremen gereist, wo sie am 6. November gegen vier Uhr ankam. Von dort fuhr sie nach Hannover. Der Zug sollte um 5.55 Uhr ankommen, hatte aber leicht Verspätung. In Hannover hatte sie neun Stunden Aufenthalt. Es ist unbekannt, was sie dort tat. Über Uelzen, Magdeburg, Halle an der Saale reiste sie wieder nach Eisenach. Dort kam sie um 21.48 Uhr an. Was in Eisenach geschah, ist ebenfalls unklar.
Am 7. November war sie um kurz vor vier Uhr in Weimar, dann fuhr sie erneut nach Halle, wo sie um 5.50 Uhr ankam und einen ganzen Tag verbrachte. Dafür gibt es zwei Zeugen. In Halle/Saale war sie bis etwa 22 Uhr. Am Folgetag, dem 8. November, fuhr sie über Dresden nach Jena. Dort wurde sie gegen 8.30 Uhr von einer Nachbarin in der Nähe der Wohnung ihrer Tante gesehen. Das Haus, in dem ihre Oma mit ihrer Mutter lebt, ist von dort etwa 500 Meter entfernt. An einer Straßenbahnhaltestelle hat sie eine Schülerin um ihr Handy gebeten. Frau Zschäpe soll stark gezittert haben. Von dem Handy aus hat sie einen Notruf abgesetzt. Der Notruf wurde um 8.49 Uhr registriert. Sie sagte, dass sie Beate Zschäpe sei und sich gerne stellen wolle. Sie habe größere Absperrmaßnahmen wahrgenommen, die sie auf sich bezog. Der Beamte konnte das aber wohl nicht zuordnen, sodass das Gespräch wieder beendet wurde. Mit der Schülerin ist sie dann mit der Straßenbahn stadteinwärts gefahren. Gegen 11 Uhr erschien sie in der Kanzlei von Rechtsanwalt Liebtrau. Gegen 13 Uhr hat sie sich in Begleitung des Anwalts bei der Polizei gestellt. Und um 13.09 Uhr wurde sie festgenommen.
Götzl Was können Sie zum Stichwort Zeugnisse der Frau Zschäpe sagen?
Christine L. Nach der Aussage des Angeklagten Schultze hier vor Gericht, dass er hinter einer sogenannten Fliegerscheune bei Jena Dokumente vergraben habe, haben wir am 3. Mai 2012 eine Grabung veranlasst. In einer braunen Plastikmappe haben wir Zeugnisse von Frau Zschäpe aus der ersten bis neunten Klasse gefunden. Von der ersten bis zur fünften Klasse hatte Frau Zschäpe einen Notendurchschnitt von 2. In der Klasse sechs bis neun einen Durchschnitt von 3. In den Grundschulzeugnissen hatte die Lehrerin Notizen über den Charakter von Frau Zschäpe gemacht. Sie sei eine sehr lebhafte, aufgeschlossene und interessierte Schülerin, müsse aber sorgfältiger und sauberer arbeiten. Sie habe sich sehr schnell ins Klassenkollektiv eingelebt. Herausragende Leistungen, benotet mit 1, zeigte sie im Schulgartenunterricht, in Heimatkunde, in Musik und Sport und gelegentlich in Deutsch. Eine 4 hatte sie in Russisch, Mathematik, Chemie, Physik und Biologie. In der fünften Klasse hatte sie in Deutsch, mündlichem Ausdruck und Fleiß eine 1.
Verteidigerin Sturm Wissen Sie, ob bei der Verbindung, die mit dem Anschluss von Herrn Eminger zustande gekommen ist, auch ein Gespräch mit Herrn Eminger geführt wurde?
Christine L. Ob Herr Eminger selbst abgehoben hat oder jemand anderes, das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, dass wir eine Verbindung zu einem Handy festgestellt haben, das auf Herrn Eminger registriert war.