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Tag 63
Оглавление3. Dezember 2013
Manfred Götzl, Richter. Andreas Temme, Ex-Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der sich mutmaßlich während des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internetcafé in Kassel aufhielt. Er sagte auch an den Tagen 41, 80, 106 und 214 aus.
(Am 41. Verhandlungstag hatte Andreas Temme berichtet, wie er vom Mord an Halit Yozgat erfahren haben will. Der Mord geschah am 6. April 2006, einem Donnerstag – und Temme war an diesem Tag in Yozgats Internetcafé gewesen. Temme beteuerte, er habe nichts mitbekommen und erst am Sonntag nach der Tat etwas darüber in einer Zeitung gelesen. Außerdem gab er an, er habe zunächst gedacht, bereits am Mittwoch vor dem Mord in dem Internetcafé gewesen zu sein.)
Götzl Ich möchte noch mal nachfragen, was Sie an dem besagten Sonntag wussten – was haben Sie da aus der örtlichen Zeitung entnommen?
Temme Es war wohl der »Extra Tip«, ein Anzeigenblatt. Einzelheiten weiß ich nicht mehr. Soweit ich mich erinnere, ging es um das Verbrechen und um das Internetcafé. Am Montagmorgen habe ich im Büro die »Hessische Niedersächsische Allgemeine« gelesen. Aber was ich zu welchem Zeitpunkt erfahren habe, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.
Götzl Welche Informationen haben Sie denn nun am Sonntag gehabt?
Temme Dass offensichtlich dort etwas geschehen ist. Ich bin mir sicher, dass es um das Internetcafé ging. Wie gesagt, im Einzelnen kann ich heute nicht mehr genau sagen, welche Informationen ich da hatte.
Götzl Haben Sie denn am Sonntag erfahren, dass Herr Yozgat getötet wurde?
Temme Dass dort ein Mord geschehen ist, da bin ich mir ziemlich sicher, dass das in dem »Extra Tip« stand.
Götzl Ein Mord an wem?
Temme Wie gesagt, ich kann mit Sicherheit nicht mehr sagen, was ich aus welchen Presseveröffentlichungen entnommen habe. Ich denke schon, dass es um den jungen Herrn Yozgat ging, bin mir aber nicht hundertprozentig sicher.
Götzl Sie hatten mir geschildert, dass Sie aufgewühlt gewesen wären. Habe ich das richtig verstanden?
Temme Ja.
Götzl Können Sie mir erklären, warum?
Temme Soweit ich das entnehmen konnte, ging es ja um einen Ort, an dem ich mich häufiger aufgehalten hatte, und um einen Menschen, den ich kannte. Mord ist ein schreckliches Verbrechen. Das reicht aus, um aufgewühlt zu sein. Zumal ich den Ermordeten, Herrn Yozgat, als sehr netten Menschen empfunden habe. Es hatte ja auch seinen Grund, warum ich weiter dort hinging. Es war immer sehr nett dort, ich hatte keinen Grund, woanders hinzugehen. Natürlich hat mich das dann auch aufgewühlt.
Götzl Was waren denn Ihre Überlegungen am Sonntag?
Temme Ich war aufgewühlt. Ich wollte natürlich schon wissen, wann ist das gewesen? Heute die Gefühle zu beschreiben, die ich an dem Sonntag hatte, ist natürlich auch schwierig.
Götzl Was waren denn die Fakten, die Sie hatten?
Temme An dem Sonntag konnte ich nicht definitiv sagen, war ich am Mittwoch im Internetcafé oder am Donnerstag?
Götzl Es tut mir leid, Herr Temme, das kann ich nicht nachvollziehen. Ich möchte jetzt schon wissen, wie es zu der von Ihnen erwähnten Heranziehung dieser Stempelkarte kommen konnte.
Temme Ich denke, dass ich an dem Sonntag natürlich die Überlegung hatte: Du warst dort und ich muss mehr darüber herausfinden und am Montag sehen, was ich noch mehr dazu herausfinde. Natürlich war ich neugierig, wann hast du an welchem Tag Schluss gemacht.
Götzl Inwiefern war denn die frühere oder spätere Ausstempel-Zeit überhaupt relevant für Sie?
Temme Wenn ich früher Schluss gemacht hätte, hätte ich eher noch Zeit gehabt, ins Internetcafé zu fahren. Dann hätte ich eher gewusst, an welchem Tag ich dort war.
Götzl Ich kann’s bisher nicht nachvollziehen. Wenn es anders gewesen sein sollte, als Sie bisher geschildert haben, sollte es Sie nicht hindern, das jetzt in der Hauptverhandlung zu äußern. Es gab doch in den Medien auch einen Zeugenaufruf zu dem Mord im Internetcafé. Gab es die Überlegung, dass Sie es sind, der da gesucht wird?
Temme Ich denke nicht.
Götzl Das ist eine sehr weiche Formulierung. Gab es jemals Überlegungen, da hinzugehen, also zur Polizei.
Temme Ich weiß noch, dass es das gab, als die Rede war von den PCs. In der HNA (Abkürzung für die Zeitung Hessische Niedersächsische Allgemeine) stand etwas über Mord, und es war auch zu lesen, dass die Polizei die Daten der einzelnen PCs auswerten wolle.
Götzl Warum haben Sie nicht mit Ihrer Ehefrau oder Kollegen darüber gesprochen?
Temme Wie ich schon gesagt habe, wollte ich nicht, dass meine Frau erfährt, dass ich dort in einem Internet-Chat war. Und auch mit den Kollegen zu reden war schwierig, weil ich zu dieser Zeit nicht in dem Internetcafé hätte sein sollen.
Götzl Ihre Kollegin E. hat ausgesagt, Sie hätten ihr gegenüber geäußert, dass Sie das Opfer nicht kennen und das Internetcafé nicht aufsuchen würden.
Temme Kann sein, dass ich das so gesagt habe. Ich hab ja schon gesagt, an meiner Arbeit habe ich mit keinem darüber gesprochen.
Götzl Die Kollegin E. soll sogar gesagt haben, Sie sollten den Namen des Opfers beim Staatsschutz abklären. Und Sie sollen zu Frau E. gesagt haben, dass die Tatwaffe ja schon bei früheren Morden eingesetzt wurde. Vielleicht sollten Sie sich überlegen, ob das, was Sie sagen, der Wahrheit entspricht. Ich hatte Sie belehrt, dass Sie hier die Wahrheit sagen müssen.
Temme Was ich gesagt hab bisher, ist die Wahrheit gewesen.
Götzl Also: Dass der Mord nicht regional, sondern Teil einer bundesweiten Serie war – woher wussten Sie das und seit wann?
Temme Das kann ich heute nicht mehr sagen.