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Die Kommunisten zu Staatsfeinden erklärt

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Der Bundesrat sah im Kommunismus die Hauptgefahr für die Schweiz und glaubte, die Bevölkerung insbesondere vor den geistig-mentalen Einflüssen schützen zu müssen. Als Warnung und Verteufelung zugleich ist die Antwort des Bundesrates vom 21. Mai 1946 auf eine Motion des freisinnigen Nationalrats Ernst Börlin zu verstehen. Auf 61 Seiten schildert der Bundesrat die Geschichte der Kommunistischen Partei der Schweiz, die Aktivitäten der Kommunisten und anderer Linksparteien und erklärt sie zu Staatsfeinden.1

«Die kommunistische Bewegung in der Schweiz erfordert die Aufmerksamkeit der Behörden wegen ihrer revolutionären Tendenzen und ihren ausländischen Beziehungen. […] Aus gelegentlichen Äusserungen schweizerischer Linksextremisten geht jedenfalls hervor, dass sie unter günstigen Umständen auch vor einem gewaltsamen Umsturz unserer verfassungsmässigen Ordnung nicht zurückschrecken.» Es sei nicht wesentlich, ob eine Organisation kommunistisch sei, sondern es komme darauf an, ob sie staatsgefährliche Ziele verfolge. Zu diesen Zielen gehöre auch die hemmungslose Hetze der Linksextremisten gegen den Bundesrat. Die Angriffe der PdA auf das Ansehen der Landesregierung seien ein Mittel der Staatszersetzung und hätten mit einer erlaubten Kritik an der Amtsführung nichts zu tun. Es gehe ihr einzig darum, das Vertrauen des Volkes in die Landesregierung zu untergraben. In der Debatte zu diesem Bericht des Bundesrates verlangte der Ständerat insbesondere die Verschärfung der Staatsschutzgesetze, weil «die ständigen Wühlereien der Kommunisten auf eine Untergrabung der Autorität der Behörden, ja wenn die Gelegenheit günstig wäre, auf gewaltsamen Umsturz der verfassungsmässigen Ordnung hin tendieren».2 Das war ein Freipass, um alles, was vage «linksextremistisch» war, unter den Generalverdacht einer staatsgefährdenden Tätigkeit zu stellen. Dieses Muster blieb während Jahrzehnten massgebend.

Das Geschmeidige am Antikommunismus ist, dass er so unbestimmt ist. Er ist eine Ideologie, die eine Vielzahl von Werten, Glaubensinhalten und Mythen in sich trägt. Er umfasst ein ganzes Spektrum von Komponenten: ökonomische und politische Realitäten, philosophische Motive oder religiöse Einstellungen, die oft unvereinbar sind. Der Antikommunismus wirkt viel stärker als der real existierende Kommunismus, weil er mit Verdächtigungen operiert. Die Kommunisten werden systematisch verdächtigt, ein Trojanisches Pferd zur Unterwanderung der demokratischen Institutionen zu sein. Die Stärke des Antikommunismus in der Schweiz lag darin, dass er die bestehende Ordnung stützen wollte, weshalb er mit Behörden und Institutionen des Staates zusammenarbeitete. In der ablehnenden Haltung des Schweizers, der Schweizerin gegenüber der Sowjetunion herrschte fast völlige Übereinstimmung, sie war gewissermassen selbsterklärend. Durch den äusseren und inneren Feind trug der Kommunismus zur Definition bei, was das Schweizer Volk sein soll, und wurde so Teil einer nationalen Kultur.3 Als sich die Schweiz ihrer Identität nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so sicher war, erfüllte der Antikommunismus die Funktion eines nationalen Kitts.

Seit der Kriegswende 1942/43, nach der für die Sowjetunion siegreichen Schlacht um Stalingrad, lockerten die Behörden die strafrechtliche Verfolgung kommunistischer Aktivitäten und hoben das Verbot der kommunistischen Partei auf. Dass es 1944 zur Gründung der PdA als Nachfolgepartei der KPS kam, war vor allem dem Charisma und den Ressourcen des ersten Sekretärs Karl Hofmaier zu verdanken. Er hatte während des Kriegs die illegale KPS geleitet und galt als Statthalter Moskaus.4 Dank seinen Beziehungen zum Zürcher Geschäftsmann Hans Schauwecker erhielt er eine Million Franken für den Aufbau der Partei beziehungsweise zum Kauf einer Druckerei und zur Gründung der Zeitung Vorwärts. Schauwecker, Gründer der Firma Unipektin, war durch das Geliermittel Pektin reich geworden. Für 20 Millionen Franken soll er Pektin an Nazi-Deutschland geliefert haben, wie die Schweizerische Verrechnungsstelle nach dem Krieg ermittelt hatte.5 Der Geldregen für die neu gegründete PdA blieb nicht unentdeckt. Die beiden SP-Grössen Hans Oprecht und Walther Bringolf wurmte diese ihrer Ansicht nach fragwürdige Geldspritze für die politische Konkurrenz, und sie setzten Bundesrat von Steiger in Kenntnis, dass die PdA durch die Familie Schauwecker finanziert werde. Als von Steiger untätig blieb und die PdA nach dem Krieg Wahlerfolge feierte, ging die SPS an die Öffentlichkeit und teilte mit, die PdA sei durch einen Lieferanten der Nazis finanziert worden. Der Skandal war gewaltig. Die PdA-Presse ging bankrott, und Hofmaier aus der Partei ausgeschlossen.6

Die bürgerlichen Parteien bezeichneten die PdA seit ihrer Gründung als «Partei des Auslands», die SPS witterte die «Hand Moskaus», was aber nie belegt werden konnte. Wie sich später zeigte, interessierte sich Moskau relativ wenig für die Schweizer Genossen. Die PdA hatte die Illusion, dass sie die grosse Linksformation werden und der verkrusteten SPS den Rang ablaufen könnte. Die ersten Wahlen nach dem Krieg waren denn auch verheissungsvoll: Auf nationaler Ebene gewann die PdA 5,1 Prozent der Stimmen, in Genf 36 Prozent, in der Waadt 23 Prozent, in Zürich 6 Prozent. Wurde sie bis 1948 noch als linkssozialistische Volkspartei wahrgenommen, so änderte sich das mit der zwar formal legalen Machtübernahme, aber dem faktischen Putsch in der Tschechoslowakei durch die Kommunisten. Mit der bedingungslosen Loyalität gegenüber Stalin und seiner Politik verlor die PdA massiv an Glaubwürdigkeit. Sie erreichte fortan nie mehr die früheren Stimmenzahlen.

Auch beim Marshallplan, in dem sie ein «amerikanisches Diktat» sah, nahm die PdA konsequent die Linie der Sowjetunion ein und lehnte ihn im Gegensatz zur SPS ab. Fortan galt sie als unschweizerische Partei und Fremdkörper in der Politlandschaft. Walther Bringolf hatte am Parteitag der SPS im August 1947 zwar noch die bürgerlichen Attacken auf die PdA kritisiert: «Hinter dem Antibolschewismus verbirgt sich immer wieder die grosskapitalistische Reaktion und Kriegsgefahr.»7 Bringolf zielte auf den seit dem Landesstreik 1918 existierenden bürgerlichen Antibolschewismus, als die unberechtigte Gefahr einer kommunistischen Revolution hochgespielt wurde. Eines der Resultate dieser Revolutionsangst war die Ausweisung der Mitglieder der sowjetischen Gesandtschaft, denen vorgeworfen wurde, sie seien in den Landesstreik involviert. Darauf folgte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen für fast 30 Jahre – er dauerte damit länger als in fast jedem anderen Staat.

Die Ereignisse in der Tschechoslowakei 1948 führten zu einem politischen Grabenkrieg zwischen der PdA und der SPS und zu rhetorischen Manövern seitens der SPS, die diejenigen der Bürgerlichen an Schärfe teilweise sogar übertrafen. Es war der Anfang eines Prozesses, der die SPS endgültig in die nationale Gemeinschaft integrierte, unter Preisgabe einer antikapitalistischen Alternative und der sozialistischen Utopie. Der gerechte Anteil der Arbeiterschaft am wachsenden Sozialprodukt sollte durch den Ausbau der Sozialwerke erreicht werden.

Die Schweiz im Kalten Krieg 1945-1990

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