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b) Anwendbarkeit des VwVfG im Verwaltungsprivatrecht
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Verwaltungsprivatrecht. Die Verwaltung kann die von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben entweder mit den Instrumenten des öffentlichen Rechts oder mit privatrechtlichen Organisations- oder Handlungsformen erfüllen.[7] Insoweit hat die Behörde vorbehaltlich entgegenstehender Gesetze oder zwingender Sachgründe ein Wahlrecht, wobei sich die Handlungsformen des Privatrechts besonders bei solchen Leistungen anbieten, die auch ein Privater erbringen könnte.[8] Von der rein fiskalischen Tätigkeit der Behörde unterscheidet sich das Verwaltungsprivatrecht dadurch, dass es unmittelbar zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt wird und diesem Ziel nicht lediglich mittelbar dient.[9]
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Öffentlich-rechtliche Bindungen des Verwaltungsprivatrechts. Bedient sich die Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Privatrechts, gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz mangels einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 1 VwVfG nicht unmittelbar.[10] Dennoch wird sie nicht von allen öffentlich-rechtlichen Bindungen freigestellt und mit den Freiheiten der Privatautonomie ausgestattet, sondern das Privatrecht wird durch öffentlich-rechtliche Normen ergänzt, überlagert und modifiziert.[11] Dies folgt aus der prinzipiellen Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG)[12] und insbesondere aus dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), die der Verwaltung im Zusammenhang mit der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben eine „Flucht ins Privatrecht“ verwehren.[13]
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Maßstab der entsprechenden Anwendbarkeit des VwVfG. Vor diesem Hintergrund kommen diejenigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend zur Anwendung, die auf höherrangiges Verfassungsrecht zurückzuführen oder Ausdruck allgemeiner verfahrensrechtlicher Rechtsgrundsätze sind, soweit dies mit dem durch den Grundsatz der Gleichordnung geprägten verwaltungsprivatrechtlichen Benutzungs- oder Leistungsverhältnis vereinbar ist.[14]
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Unanwendbarkeit der auf Subordinationsverhältnisse zugeschnittenen Vorschriften. Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die nach ihrem Regelungszweck spezifisch auf ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten zugeschnitten sind, sind nicht entsprechend anwendbar, weshalb z.B. für eine Pflicht zur Anhörung analog § 28 Abs. 1 VwVfG im Verwaltungsprivatrecht kein Raum ist.[15]
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Anwendbare Vorschriften des VwVfG. Die Bestimmungen des § 14 (Bevollmächtigte und Beistände), § 20 (Ausgeschlossene Personen), § 21 (Besorgnis der Befangenheit), § 23 (Amtssprache), § 30 (Geheimhaltung) und des § 31 (Fristen und Termine) VwVfG sind hingegen als Ausdruck allgemeiner verfahrensrechtlicher Rechtsgrundsätze im Verwaltungsprivatrecht grundsätzlich entsprechend anwendbar.[16] Bei Verstößen gegen diese Verfahrensgrundsätze ist die Analogie aber auf das dem Gleichordnungsverhältnis des Privatrechts gerecht werdende Maß zu beschränken.[17]
D. Handlungsformen und Entscheidungen im Verwaltungsverfahren › I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens › 4. Außenwirkung