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5. Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlicher Vertrag
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§ 9 VwVfG begrenzt die unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 10 bis 62 VwVfG auf die Handlungsform des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrages.[23] Sie sind deshalb von anderen geläufigen Handlungsformen abzugrenzen.
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Rechtsetzende Tätigkeit der Verwaltung.[24] Soweit Träger öffentlicher Gewalt im Bereich der Rechtsetzung tätig werden, wie z.B. die Gemeinden beim Erlass kommunaler Satzungen (z.B. gem. § 7 GO NRW, §§ 24 ff. GemO Rh.-Pf.) oder die Exekutive beim Erlass von Rechtsverordnungen, sind die §§ 9 ff. VwVfG mangels Verwaltungsaktqualität bzw. mangels Vorliegens eines Vertrages nicht anwendbar.[25] Eine analoge Anwendung der §§ 9 ff. VwVfG auf die behördliche Rechtsetzung scheidet aus, weil insoweit verfassungsrechtliche oder fachrechtliche Vorgaben (z.B. Art. 80 GG für den Erlass von Rechtsverordnungen, § 7 GO NRW, §§ 24 ff. GemO Rh.-Pf. für den Erlass von Satzungen) gelten.[26] Gleiches gilt für Verwaltungsvorschriften, die in erster Linie behördeninterne Vorgaben über die einheitliche Auslegung und Anwendung höherrangigen Rechts enthalten.[27]
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Unmittelbar anwendbar ist das Verwaltungsverfahrensgesetz ausnahmsweise dann, wenn das Landesrecht spezielle Regelungen für den Erlass von Satzungen oder Rechtsverordnungen enthält, wie dies in Schleswig-Holstein der Fall ist (vgl. §§ 53 ff., 65 ff. LVwG SH).[28] Ebenso können die §§ 9 ff. VwVfG auf die dem Rechtsetzungsakt nachgeschaltete aufsichtsbehördliche Genehmigung der Satzung oder Rechtsverordnung unmittelbar anwendbar sein, wenn diese in Gestalt eines Verwaltungsakts ergeht.[29]
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Schlicht-hoheitliches Handeln.[30] Hierunter wird dasjenige Verwaltungshandeln gefasst, das nicht auf das Herbeiführen einer Rechtswirkung, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet ist,[31] und sich darin vom Verwaltungsakt und vom öffentlich-rechtlichen Vertrag unterscheidet. Solche Realakte sind z.B. die Erteilung einer behördlichen Auskunft oder die Streifentätigkeit der Polizei.[32] Hierfür gelten die §§ 9 ff. VwVfG nicht unmittelbar. Entsprechend anwendbar sind aber diejenigen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Ausdruck allgemeiner verfahrensrechtlicher Rechtsgedanken sind wie z.B. die Bestimmungen über die Amtshilfe (§§ 4 ff. VwVfG) oder die Beweisaufnahme (§§ 24, 26 VwVfG).[33]
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Auch das informelle Verwaltungshandeln[34] ist eine Form schlicht-hoheitlichen Handelns. Es ist Ausdruck der kooperativen Verwaltung und zielt auf die Herbeiführung insbesondere von Verständigungen und Absprachen, die lediglich faktische, nicht aber rechtliche Bindungen erzeugen.[35] Es fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich der §§ 9 ff. VwVfG.[36] Allerdings findet es seine Grenze in rechtsstaatlichen Mindeststandards, insbesondere im verfassungsrechtlichen Prinzip der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).[37]
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Die Verwaltung kann auch informationell tätig werden,[38] d.h. in Gestalt von Rat und Informationen oder auch, wie z.B. im Fall des § 69 Abs. 4 AMG, durch öffentliche Warnung. Diese Maßnahmen können grundrechtsrelevant in einer doppelten Weise sein, weil einerseits der Bürger etwa durch Warnungen vor Umwelt- und Gesundheitsgefahren oder sonstigen Gefährdungen geschützt werden soll, andererseits Dritte wie z.B. Arzneimittelproduzenten in eigenen, namentlich ihre wirtschaftliche Betätigung sichernden Grundrechten betroffen sein können. Die informationelle Tätigkeit der Verwaltung unterliegt deshalb rechtlichen Grenzen dergestalt, dass die Behörde zu einer Aufgabenwahrnehmung mittels öffentlicher Information ermächtigt sein muss, sie innerhalb ihrer Zuständigkeit handeln muss und sie dabei nicht gegen das Gebot der Richtigkeit und Sachlichkeit verstoßen darf.[39] Den verfahrensrechtlichen Bindungen der §§ 9 ff. VwVfG unterliegt sie aber mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts bzw. eines Vertrages nicht unmittelbar, wenngleich auch hier die entsprechende Anwendung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Rechtsgedanken der §§ 9 ff. VwVfG zu bejahen ist.[40]
D. Handlungsformen und Entscheidungen im Verwaltungsverfahren › II. Der Verwaltungsakt