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1. Was gibt es zu tun?

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Was ist des Barmanns Daseinsberechtigung, was der Grund für seine berufliche Existenz? Es ist schlicht das natürliche Bedürfnis der Menschen in der Öffentlichkeit zu trinken. Doch geht es nicht nur um den Wunsch nach primitiver Aufnahme von flüssiger Nahrung, es geht um weit mehr als das, nämlich um das tief in uns verwurzelte Verlangen nach Geselligkeit, das Bedürfnis, sich anderen mitzuteilen, der Wunsch, den stressigen Alltag zu vergessen - und sich endlich mal wieder nach allen Regeln der Kunst hemmungslos zu besaufen. Bei jedem Menschen mag die Gewichtung mehr oder weniger anders verteilt sein, doch sind alle diese Bedürfnisse wohl die Ursache dafür, dass es schon seit Jahrhunderten Berufe gibt, deren scheinbare Hauptaufgabe darin besteht, anderen Menschen Alkohol ins Glas zu gießen und unter die Nase zu stellen.

Dem Barmann kommt demzufolge nicht nur die Aufgabe zu, legale Drogen unters Volk zu bringen, er ist auch Dreh- und Angelpunkt eines wichtigen Bereiches des sozialen Lebens. Egal ob Szenebar, Kiezkneipe oder Nobelrestaurant, hier treffen sich die Menschen, pflegen Freundschaften, lamentieren über Nichtigkeiten und verbringen ihre Freizeit mit Gesprächen und der Benebelung der Sinne. Der Barmann steht im Zentrum all dieser Aktivitäten, er ist Dealer, Dirigent, Zuhörer und Redner in einer Person. Durch seinen Charakter hat er entscheidenden Einfluss darauf, wer in diesem Lokal regelmäßig verkehrt, wer gelegentlich wiederkommt und wer erfolgreich die zeitraubende und das Portemonnaie nicht unwesentlich belastende Metamorphose zum Stammgast durchmacht. Er gibt der Bar ihr eigentliches Gesicht und verleiht der Lokalität ihren unverwechselbaren, aber auch empfindlichen und auswechselbaren Charakter.

Undenkbar, dass bei aller Technisierung der verschiedensten Lebensbereiche einmal der Tag kommen könnte, an dem der Mann hinter dem Tresen durch einen seelenlosen Schankautomaten ersetzt werden soll. Man kennt solcherart verstörende Zukunftsvisionen aus Sci-Fi-Filmen wie „Das fünfte Element“, wo ein Roboter die gewünschten Getränke unter perfekter Einhaltung der vorgegebenen Maße kredenzt und dabei stets gleichmütig und unempfindlich gegenüber jedweder Beleidigung höflich und korrekt seinen Gästen gegenübertritt. Wie unglaublich langweilig und alles andere als wünschenswert.

Bei aller Perfektion lassen Maschinen einen alles entscheidenden Faktor vermissen: das Menschliche, das Imperfekte, ja das Unberechenbare. Und alle diese Science-Fiction-Filme missachten oder übergehen den unverrückbaren Umstand, dass ein Barmann nicht nur ein bloßer Schankautomat ist, der Getränke zubereitet und serviert. Menschen möchten sich nicht mit Maschinen unterhalten und von ihnen bedienen lassen – schließlich wissen wir spätestens seit „Star Wars“, dass selbst künstliche Persönlichkeiten wie C3PO oder R2D2 nur allzu oft von ihren humanoiden Zeitgenossen mit Missachtung und Geringschätzung gestraft werden, nicht etwa weil sie dumm oder im übertragenen Sinne seelenlos wären, sondern weil sie eben nicht aus Fleisch und Blut sind.

Menschen verlangt es immerzu nach der Gesellschaft anderer Menschen. Aus diesem Grund ist der Beruf des Bartenders wohl einer der krisensichersten überhaupt. Im Gegenteil haben schon die harten Nachkriegsjahre der 1920er gezeigt, wie Menschen mit besonders schwierigen Zeiten umzugehen wissen: sie gehen in die nächste Bar und helfen dem ohnehin dünnen Geldbeutel dabei, sich nur umso schneller zu leeren.

Der Beruf des Bartenders wird sich sicherlich in naher wie in ferner Zukunft hier und da ein wenig wandeln, niemals aber durch technische Neuerungen vollends verdrängen lassen. Am Ende dieser Kapiteleinführung angekommen möchte ich die eingangs gestellte Frage beantworten indem ich feststelle:

Die Daseinsberechtigung des Barmannes sind die Menschen selbst.

Von Nachtschwärmern & Schnapsdrosseln

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