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a. Trete ein, bringe Geld herein

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Gastfreundschaft ist die Kunst, Gästen das Gefühl zu vermitteln, sie seien zu Hause, während man dabei insgeheim wünscht, sie seien es wirklich.

Sprichwort

Ein Barmann ist, sofern es sich nicht um eine reine Buffet- oder Ausschanktätigkeit handelt, nicht zuletzt ein Gastgeber. Man könnte auch sagen, er ist ein Gastgeber, der außerdem noch die Drinks selber mixt.

Da der Beruf des Barmannes ohne die Menschen, die unsere Bar aufsuchen um etwas zu trinken, obsolet wäre, kommt der Bewirtung die vielleicht größte Bedeutung zu. Leider jedoch bringt es die Stellung des Gastgebers im Allgemeinen so mit sich, dass man sich seine Gäste nicht immer aussuchen kann. Und man hat nur bedingt Einfluss darauf, wann sie wieder gehen. Zwischenfälle angenehmer und unangenehmer Art sind also vorprogrammiert. Sie können zwar bis auf ein gewisses Maß reduziert, aufgrund des Unsicherheitsfaktors „Mensch“ aber niemals völlig ausgeschlossen werden.

Die Bewirtung als solche beginnt mit dem Eintreten des Gastes in den Gastraum und endet erst, wenn er das Lokal wieder verlassen hat. Zwischen diesen beiden überaus variablen äußersten Eckpunkten, deren Spanne man sich oftmals so kurz wie nur irgend möglich wünscht, bleibt mehr oder weniger viel Zeit für allerhand zwischenmenschliche Unstimmigkeiten, Missverständnisse und Gelegenheiten, die bei manchen Individuen nur mangelhaft ausgeprägte Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, unter Beweis zu stellen. Das gilt für beide Seiten der Theke.

Bewirtung in der Gastronomie bedeutet in erster Linie Gäste willkommen heißen, die man weder eingeladen hat, noch besonders gut leiden kann. Jedenfalls wenn man nur Angestellter und nicht Inhaber ist. Im Regelfall sind dem Kellner oder Barmann die Leute gleichgültig und alles, was er sich für die Zeit ihrer Verweildauer erbittet, sind keine besonderen Vorkommnisse und ein üppiges Trinkgeld. Letzteres allerdings will zu Recht verdient werden, was sich mal mehr, mal weniger einfach gestalten kann.

Manchmal handelt es sich bei den Eintretenden gar um ausgeprägt widerborstige Naturen, die man mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht innerlich zum Teufel wünscht. Selten ist die Willkommensfreude wirklich ernst gemeint und kommt von Herzen. Es mag zwar eine unschöne Wahrheit sein, aber sie ist letztlich nur menschlich. Und betrachten wir es einmal nüchtern und malen Sie sich folgendes Bild aus: stellen Sie sich einen Menschen vor, der jedes Mal vor purer ehrlicher Freude regelrecht überschäumt, wenn er einem anderen, wohlgemerkt völlig fremden Menschen über den Weg läuft. Was würden Sie von einem solchen Individuum wohl halten? Wahrscheinlich würden Sie sich denken: entweder ist der Typ ein durchgedrehter Schauspieler und auf irgendeinem ganz üblen Trip hängengeblieben oder er hat schlicht und ergreifend nicht mehr alle beisammen.

Im Normalfall sind Gastronomen eine Mischung aus beidem; mehr oder weniger gute Schauspieler, die ganz eindeutig gehörig einen an der Waffel haben. Eine Ausnahme bilden vielleicht die Frischlinge in der Gastronomie, die gerade einmal ein paar Jahre heruntergerissen und eben erst ihre Ausbildung absolviert haben. Bei ihnen ist der Verdruss noch am geringsten, der geistige Verschleiß und moralische Verfall noch kaum zu spüren. Hier bemerkt man bisweilen noch echtes Herzblut und unverfälschten Idealismus. Bei den Dienstälteren hilft meist jedoch nur noch der Gedanke an das bevorstehende Trinkgeld, um ein Minimum der nötigen Motivation zusammenzukratzen. Umso übler die Laune, wenn es im Anschluss, wenn auch verdientermaßen, ausbleibt.

Wenn Sie als Gast nun also eine Bar, ein Restaurant oder eine Hotellobby betreten, erwarten Sie zunächst einmal, ganz klar, eine höfliche Begrüßung. Diese steht Ihnen unbestritten zu, denn Zeit für die von Sitte und Anstand gebotenen üblichen Floskeln sollte jederzeit vorhanden sein. Das ist etwas Selbstverständliches, das ich schon als Kind von Eltern und Mitmenschen gelernt habe, gilt aber natürlich auch anders herum.

Umso mehr erstaunt es mich da so manches Mal, wenn mein Gruß nicht einmal von Gästen der etwas älteren Generation erwidert wird. Oft wird mir lediglich ein emotionslos leerer Blick entgegengeworfen, manch einer stößt sogar umgehend ungeduldig seinen Wunsch hervor: „Bier!“, wahlweise auch: „Zwei Bier!“, oder auch: „Karte!“ entsinne ich mich da einige besonders dreiste Primitivlinge vernommen zu haben. Entgegen der landläufigen Annahme sind jüngere, gerade erst dem Teenageralter entwachsene Gäste im Gegensatz dazu sehr oft ausgesprochen höflich. Anstand ist eben keine Frage des Alters.

Nehmen wir einmal an, Sie hätten wie ich schon im Kindesalter die Grundregeln guten Benehmens gelernt und Sie hätten daher nun also meine Grußformel ebenso freundlich zurückgegeben. Ihre ganze Aufmerksamkeit würde jetzt der Suche eines gemütlichen Platzes gelten. Des in Ihren Augen besten Platzes.

Von besonderer Augenfälligkeit und geradezu mysteriöser Anziehungskraft sind immerzu die eben erst von den Vorgängern geräumten, aber immer noch mit schmutzigen Gläsern, zerknüllten Servietten, abgepopeltem Kerzenwachs und reichlich klebrigen Getränkespritzern verunstalteten Tische. Selbst wenn Gäste ein nahezu leeres Lokal betreten und sämtliche Tische bis auf einen einzigen sauber sind, so können Sie Gift darauf nehmen, dass diese zielsicher und offenbar rein intuitiv den noch nicht gesäuberten ansteuern. Fragen Sie einen Kellner Ihrer Wahl danach und nahezu jeder wird Ihnen dieses Phänomen ohne zu zögern bestätigen, wenn nicht sogar gleich in ein kopfschüttelndes, verständnisloses Klagen verfallen.

Menschen fühlen sich von Schmutz und Chaos magisch angezogen, könnte man meinen. Die Lösung des Rätsels ist mir noch nicht völlig gelungen, doch vermute ich, dass es etwas mit dem unterbewussten Herdentrieb in uns zu tun hat. Ein schmutziger Tisch ist zunächst einmal wesentlich augenfälliger, als ein sauberer und bedeutet außerdem, hier haben eben erst Menschen gesessen und getrunken. Irgendetwas an ihm muss also schon unsere Vorgänger dazu bewogen haben, ausgerechnet ihn auszuwählen, an ihm Platz zu nehmen und eine Zeitlang dort zu verweilen. Es muss ein guter Tisch sein. Vielleicht ist es sogar der beste. Nichts wie ran bevor uns jemand zuvorkommt!

Je nach Situation kann es ratsam sein, die Gäste bei ihrer Platzwahl zu leiten und ihnen nicht völlig freie Hand zu lassen. So macht es logischerweise immer Sinn, ein Pärchen an einem Zweiertisch zu platzieren und nicht an einer Achtertafel. Seltsam begehrt sind ebenso wie schmutzige, immerzu auch große Tische, Sitzbänke und, es ist mir stets aufs Neue ein Rätsel, deutlich reservierte Tische.

Mit gelassener Hartnäckigkeit übersehen Eintretende in regelmäßigen Abständen für meine Begriffe unübersehbare Reserviertschilder. Manch ein Frechling nimmt ein solches Schild gar und stellt es auf den Nachbartisch oder auf den Fußboden. Was denken sich diese Leute bloß?

Beim Heranpreschen an den besagten Tisch vernehme ich sodann oftmals Fragen wie: „Ist der wirklich reserviert?“, oder dreister: „Der ist doch wohl nicht wirklich reserviert, oder?“, manchmal auch: „Für wen ist der denn reserviert?“, und, eine schon etwas klügere Frage: „Ab wann ist der reserviert?“.

Mal ehrlich und abgesehen von der letzten Frage in dieser Kette, die durchaus nicht unklug ist: welche Antwort erwarten diese Menschen bloß auf den Unsinn, den sie von sich geben? Glauben sie allen Ernstes, das Personal würde die Schilder nur zum Spaß oder aus Langeweile auf den Tischen verteilen? Denken diese Leute wirklich, sie könnten die Person vielleicht kennen, wenn man ihnen den Namen nennen würde? Selbst für den außergewöhnlichen Fall, dass sie Herrn Müller tatsächlich kennen - was dann? Und, wie können sie sicher sein, dass es sich dabei wirklich um „ihren“ Herrn Müller handelt? Denken die Fragesteller vielleicht sogar, irgendein unbekannter Wohltäter habe sie unter vielen Millionen als Günstling auserwählt und für sie ausgerechnet für heute Abend diesen Tisch in ausgerechnet dieser Bar reserviert?

Oft habe ich das Gefühl, diese Menschen denken nicht wirklich über ihr Tun nach, sondern handeln rein aus unterbewussten Impulsen heraus. Werden sie sodann auf ihr fragwürdiges Verhalten angesprochen und in einen bewussteren Zustand zurückgeholt, fällt es ihnen selbst schwer, ihr Verhalten sinnvoll zu begründen. Dieser geistige Schwebezustand ist sodann die Geburtsstunde für unsinnige Fragen oder beleidigte Kommentare. Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Aufruf an alle Hersteller von Gastronomiebedarf: machen Sie die Reservierungsschilder größer, ja sie können gar nicht groß genug sein!

Ein hilfreicher Trick beim Platzieren von Gästen ist es, das Lokal „von hinten“ aufzufüllen, also zunächst Tische im hinteren Bereich zu besetzen, sodass von der Straße aus noch freie Plätze zu erkennen sind. Stellen Sie sich eine Bar vor, deren gesamte Fensterfront gerappelt voll mit Leuten ist. Viele der vorbeikommenden Passanten werden vermuten, die Bar sei überfüllt, obwohl der Raum hinter den Schaufenstersitzern nahezu leer ist. Das genaue Gegenteil hiervon ist übrigens ebenfalls ein echter Geschäftskiller. Erscheint nämlich der Gastraum leer, weil die wenigen vorhandenen Gäste in den hinteren Bereichen versteckt sind, oder weil tatsächlich kein einziger Konsument anwesend ist, so wird dieser Umstand auch die anderen potentiellen Gäste vom Betreten des Lokals abhalten. Niemand setzt sich gerne in eine leere Bar oder ein leeres Restaurant.

Mein Chef hat letzteren Effekt immer wieder damit zu bekämpfen versucht, indem er das Personal an den menschenleeren Fensterplätzen allerlei Gläser aufstellen ließ, bzw. uns anwies, die schmutzigen Gläser gar nicht erst abzuräumen. Ob der Trick funktioniert? Schwer zu sagen, mal kommen Gäste, mal eben nicht. Man müsste den Effekt schon wissenschaftlich untersuchen und statistisch auswerten. Über den Daumen gepeilt würde ich eher dazu tendieren, den Gläsertrick als unbedeutend einzustufen. Denn eine Bar ohne Menschen, jedoch mit Tischen voller Gläser, ob nun sauber oder benutzt, erweckt den Eindruck, hier sei bis eben kräftig gefeiert worden. Dass aber alle Gäste scheinbar gleichzeitig das Lokal verlassen haben, ohne dass das Personal sich bislang die Mühe gemacht hat die Tische abzuräumen, könnte genauso gut bedeuten: „hier ist gleich Feierabend“.

Einen besonders raffinierten und pfiffigen Kniff im Zusammenhang mit der Platzierung von eintretenden Nachtschwärmern hat sich einer meiner Bartenderkollegen ausgedacht. Er ist nämlich stets darum bemüht, attraktive Menschen, vorzugsweise Frauen, im Fenster- und damit Sichtbereich der Straße unterzubringen. Während diese „Lockvögel“ weitere Gäste anziehen sollen, werden durchschnittlich attraktive Besucher in die hinteren Bereiche verbannt. „Setz die hinten hin, die sind hässlich.“, lautet in solchen Fällen seine lapidare Aufforderung an die Kollegen.

Ich habe sogar von Barbesitzern gehört, die diese nicht unbedingt schmeichelhafte, dafür aber erstaunlich effektive Vorgehensweise auf die Spitze treiben. Sie sollen junge gutaussehende Frauen mit Hilfe von diversen Freigetränken dazu bringen, in ihrer Bar ein Schausitzen zu veranstalten und weitere Gäste hereinzulocken. Eine nicht unkluge Investition, die sich theoretisch sogar steuerlich geltend machen ließe.

Sitzen die Besucher unserer Bar nun endlich am richtigen Platz, so beginnt der eigentliche Teil der Bewirtung. Die Getränkekarten werden verteilt, um der Etikette gerecht zu werden an die Damen zuerst, und es entwickelt sich bereits das ein oder andere Beratungsgespräch. Vielen Menschen ist es lästig, dicke Getränkekarten mit unüberschaubar vielen Auswahlmöglichkeiten zu wälzen und lassen sich stattdessen lieber vom Barmann oder Kellner an der Hand führen. Ich kann jedes Mal nur den Kopf schütteln, wenn ich selbst als Gast wieder einmal eine Getränkekarte in die Hände bekomme, die mehr einem Buch als einer Karte gleicht. Hier gilt ganz eindeutig „weniger ist mehr“! An diesem Punkt hat man als Bartender erstmals die Möglichkeit aktiv zu verkaufen und seine Gäste beim Trinken anzuleiten.

Empfehlungen sind immer eine schwierige, wenngleich nicht unwichtige Angelegenheit. Meist hört man schlicht die Frage: „Was können Sie denn empfehlen?“. Manchmal mache ich mir den Spaß und antworte: „Wir zaubern hier die beste Apfelschorle der ganzen Stadt!“. Zugegeben, die wenigsten Gäste lachen hierüber, für gewöhnlich werde ich mit humorlosen Blicken abgestraft. Aber was ich damit erreichen möchte ist weniger beifallendes Gelächter, als vielmehr die Leute zum Nachdenken anzuregen, denn ein paar konkrete Hinweise auf Ihren Geschmack, Ihre Vorlieben und Abneigungen benötige ich schon. Und anstatt sich diese jedes Mal aus der Nase ziehen zu lassen, könnten Sie ja das nächste Mal schon von sich aus einige Anhaltspunkte liefern, um das ganze Prozedere ein wenig abzukürzen. Ist Ihnen mehr nach Bier, Wein oder möchten Sie einen Cocktail versuchen? Welche Spirituosen bevorzugen Sie? Soll es süß, sauer, sahnig sein? Welchen Cocktail trinken Sie sonst ganz gerne? Die Frage, was denn zu empfehlen sei, ist viel zu allgemein und kann außerdem zu bösen Überraschungen führen – für Sie als Gast.

Angenommen Sie kommen zu mir in die Bar und stellen mir diese Frage. Sie trinken im Regelfall nur Bitter Lemon und zu Festtagen auch mal eine Kirschschorle, wollen es heute aber einmal mit einem Cocktail versuchen. Gestresst und aufgrund des rollenden Geschäfts kurz angebunden antworte ich mehr scherzhaft als ernst: „Zombie!“. Sie denken nicht lange nach, stellen meine Seriosität nicht eine Sekunde lang in Frage und sagen ja. Sie haken nicht weiter nach und auch ich mache mir nicht die Mühe, Sie über den Inhalt dieses ausgesprochen kräftigen Drinks aufzuklären, denn vergessen Sie nicht, ich bin genervt, übellaunig und habe keine Zeit. Es mag vielleicht auch gut gehen, aber das Risiko, dass Ihre Geschmacksnerven und vor allem auch Ihr Magen äußerst allergisch auf diese ungewohnte Rum-Bombe reagieren werden, ist doch recht groß. Vielleicht bekommen Sie das Ding gar nicht erst runter, vielleicht kotzen Sie sich aber auch auf der Toilette die Seele aus dem Leib. In beiden Fällen können wir wohl nicht damit rechnen, Sie als Stammgast zu gewinnen.

Es ist letztlich also in beiderseitigem Interesse, Empfehlungen ernst zu nehmen und nicht leichtfertig eine solche auszusprechen. Doch seien Sie gescheit und geben Sie dem Barmann oder Kellner gleich ein paar Hinweise Ihren Geschmack betreffend mit auf den Weg. Gerade Ihr Bartender mag zwar vielleicht einen Ruf besitzen, der irgendwo zwischen frauenaufreißendem Zauberkünstler und strohdummen Kammerdiener liegt, hellsehen kann er jedoch ohne jeden Zweifel nicht.

Was nun folgt ist der Hauptteil der Bewirtung. Trotzdem werde ich ihm den kleinsten Teil dieses Kapitels widmen. Denn letztlich sitzen Sie nur da, schlürfen gelegentlich an Ihrem Drink, beobachten die Leute, spielen an Ihrem Handy und sehen Ihr Tun nur dann und wann durch den lästigen Versuch Ihrer Begleitung unterbrochen, ein Gespräch mit Ihnen anzuzetteln.

Ich oder meine Berufsgenossen kommen nur dann wieder ins Spiel, wenn der Inhalt Ihres Glases zur Neige geht, Sie eine Runde Schnaps für zwischendurch bestellen wollen, nach einer Schale Nüsse oder sonstigem Knabberspaß verlangen, den Weg zur Toilette erfragen oder aber gerne eine exakte Wegbeschreibung zum nächsten Restaurant mit papua-neuguineischer Küche, frittierten Salzwasserkrokodilzehen auf der Karte und einem Kellner, der fließend Unserdeutsch spricht, haben möchten. Das alles ist es, was man gemeinhin und im weiteren Sinne unter Bewirtung versteht.

Wirklich interessant wird es erst wieder dann, wenn Sie zu dem Schluss kommen, sich genügend die Sinne benebelt zu haben und endlich dazu entschließen, Ihre Zeche zu bezahlen. Das ist der Moment, der in jedem Kellner oder Barmann ein leichtes Kribbeln hervorruft und oftmals auch bei den Gästen ein Gefühl verursacht, das einem mäßigen Schlag in die Magengegend gleichkommt.

Die in einem solchen Moment in beiden Parteien des Geschehens kreisenden Gedanken könnten gegensätzlicher kaum sein: der eine hat seine Dienste bereits in Vorleistung gebracht, erwartet nun die Begleichung der hierfür anstehenden Kosten plus einem angemessenen Aufschlag, mit dem der Bezahlende seine Wertschätzung gegenüber seiner Person und der Qualität seiner Arbeit zum Ausdruck bringt. Der andere hat gewissermaßen auf Pump geschlemmt und bekommt nun am Ende des Vergnügens die Quittung dafür präsentiert. Er muss also für etwas bezahlen, das er bereits in Anspruch genommen hat und nicht für etwas, dem er noch mit freudiger Erwartung entgegensieht.

Das ist ein gravierender Unterschied. Denn im Gegensatz zur Situation in einem Supermarkt, wo Ihnen die Ware erst dann gehört, wenn Sie sie an der Kasse durchgeschleust und bezahlt haben, haben Sie sie sich in einer Bar oder einem Restaurant bereits buchstäblich einverleibt. Sie mögen unterbewusst denken, die fragliche Ware gehöre längst Ihnen und wer könnte Sie jetzt noch auffordern, sie wieder herauszugeben. Und doch kommt nun einer dahergelaufen und möchte Ihnen etwas wegnehmen: Ihr Geld. Eine unangenehme Situation, die in vielen Menschen einen starken Widerwillen hervorruft.

Es ist ganz ähnlich wie mit dem Abbezahlen eines Kredits. Sie fahren das Auto bereits seit einiger Zeit und betrachten es längst als Ihr Eigentum, trotzdem ist jeden Monat aufs Neue eine schmerzliche Summe fällig. Je länger die Laufzeit des Kredites, desto ungerechter wird Ihnen das Einfordern des Ratenbetrages durch den Gläubiger vorkommen und umso widerwilliger werden Sie den Betrag begleichen.

Im Kleinformat trifft dieser psychische Effekt auch auf das Bezahlen der Rechnung im Restaurant zu. Sie werden die Rechnung genau überprüfen (und Sie tun gut daran) und werden die Summe vielleicht als ungerechtfertigt hoch einstufen – dass Sie die Karte selbst studiert und alle Preise vor Ihrer eigenen Nase stehen hatten, spielt hier keine Rolle mehr. Sie sehen nur eine große Zahl und staunen nicht schlecht darüber, wie sich der Abend zusammengeläppert hat. Nicht selten kommt es an diesem Punkt immer wieder zu Diskussionen, selbst dann, wenn die Rechnung völlig korrekt ist. Stets aufs Neue bekommt man zu hören: „Was? So viel für einen Aperol-Sprizz? Im Restaurant *sowieso* bezahl ich dafür nur die Hälfte!“. Dass das Trinkgeld nun zu wünschen übrig lassen wird, kann sich in einer solchen Situation jeder selbst ausmalen.

Der letzte Eindruck, den beide Parteien nun voneinander haben, ist der entscheidende und wird ausschlaggebend dafür sein, was sie in Zukunft vom jeweils anderen halten werden und ob es überhaupt ein Wiedersehen geben wird. Service und Qualität tadellos, aber für Ihren Geschmack überteuert? Sie werden sich wohl einen anderen Platz zum gelegentlichen Verweilen suchen. Ein zwar recht netter Gast, der mich aber mit einem Almosen abgespeist hat, das schon an Frechheit grenzt? Na hoffentlich kommt der nicht so schnell wieder!

Manchmal merken Gast und Gastwirt im Verlauf der Bewirtung irgendwann, dass sie einfach nicht auf einer Linie sind. Die Zeit hierfür ist meist lange genug und Gelegenheiten bieten sich zu Hauf. Oft ist das Personal aber auch einfach nur gestresst oder der ständigen Routine überdrüssig.

Wenn Sie das nächste Mal eine Bar oder ein Restaurant betreten, denken Sie also daran, dass sich das Personal schon bei Ihrem ersten Anblick möglicherweise insgeheim wünscht, Sie hätten bereits gespeist und getrunken, bezahlt, ein ordentliches Trinkgeld hinterlassen und wären schon wieder auf dem Weg nach draußen. Sich das aber nicht anmerken zu lassen, das ist die Kunst des Bewirtens.

Von Nachtschwärmern & Schnapsdrosseln

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