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I. Ein Appetitanreger vorneweg

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Trinke drei Jahre lang Wein, und Du hast kein Geld.

Trinke drei Jahre lang keinen Wein, und Du hast

auch kein Geld.

Sprichwort

Barkeeper, Bartender, Barmann – alle drei Bezeichnungen werden im allgemeinen Sprachgebrauch für gewöhnlich zur Beschreibung ein und desselben Berufes genutzt. Tatsächlich bestehen zwischen diesen drei Bezeichnungen gewisse Unterschiede, die allerdings nur den allerwenigsten klar sind, und die, offen gestanden, auch niemanden groß zu interessieren brauchen.

Der Beruf des Barmannes, um die grundsätzlichste Beschreibung des Berufes zu wählen, wird hierzulande auch im Jahre 2015 noch immer nicht besonders hoch angesehen. Er gilt vielen als Erwerbstätigkeit ohne Ausbildung, als spaßige Einkommensquelle zur Finanzierung des Studiums, als eine Art „Idiotenjob“, für den man keinerlei besondere Fähigkeiten benötigt - oder alles drei. Besonders grotesk tritt die geringe Meinung, die viele Mitbürger von Bartendern haben, zutage, wenn mir wieder einmal Gäste ihre Bestellung übermitteln, indem sie langsam und gedehnt die gewünschten Getränke vortragen, jeden einzelnen Buchstaben über Gebühr würdigen, das Ganze mindestens einmal wiederholen und dabei ihre Worte mit gesetzten Gesten untermalen, als wäre man ein geistig zurückgebliebener Hinterwäldler, der kaum der deutschen Sprache mächtig ist.

Diese allgemeine Geringschätzung mag vielen meiner Berufsgenossen sauer aufstoßen, doch sind gerade sie zu einem nicht unerheblichen Teil selbst schuld daran, denn kaum anderswo wird so viel gepfuscht, gemurkst, geblendet und betrogen wie in der gerade in den letzten Jahren so unglaublich aufgebauschten Barszene. Es ist, als würde man versuchen der bislang vorherrschenden Missachtung dadurch zu begegnen, indem man nun in das extreme Gegenteil verfällt, den beruflichen Stolz aufbläst wie einen Ballon, das gesamte Handwerk schon beinahe wie einen religiösen Ritus zelebriert und das Ganze mit viel Flitter und Blendwerk ausstaffiert. Die Superstars der Szene und all jene, die es werden wollen, geben sich dabei wie messianische Prediger, die mit prophetischen Worten und elitärem Habitus vorgeben, allein den Weg ins hochprozentige Elysium weisen zu können. Ich verfüge zwar über keinerlei Erfahrungen aus anderen Branchen, doch kann ich mir nur unter Anstrengung vorstellen, dass einem auch dort solche Mengen an Nichtskönnern und Aufdrehern, an Scharlatanen und Blendern begegnen wie hier. Doch nun genug der Schmeicheleien.

Denn natürlich gibt es wie immer Ausnahmen. Hier und da begegnen einem souveräne Meister ihres Fachs, die zu Recht schon beinahe wie geadelte Aufsteiger oder doch wenigstens wie B-Promis angesehen und behandelt werden. Es gibt aber auch unzählige stille Profis, die eher durch Unscheinbarkeit auffallen, ihr umfangreiches Wissen lediglich unter der Hand preisgeben und oft nur dem geübten Auge auf Anhieb als Experten erkennbar sind. Sie haben es überhaupt nicht nötig, sich wie eitle Diven ins Rampenlicht zu drängen.

Was jedoch zeichnet den Beruf eines Bartenders aus? Welche Anforderungen stellt er an Physis und Psyche? Welche Gefahren und Vorzüge bietet er? Welche Menschen und Situationen begegnen einem? Was ist die Essenz seines wahren Wesens?

Es existieren mehrere Wege, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Schlägt man z. B. auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit unter dem Stichwort "Barmixer/in" nach, so erscheint folgender knapper Text:

Barmixer/innen und Barkeeper/innen mixen alkoholische und alkoholfreie Cocktails und schenken diese sowie andere Getränke aus. Zudem bereiten sie kleine Imbisse oder Snacks vor, die an der Bar serviert werden. Barmixer/innen und Barkeeper/innen arbeiten in der getränkegeprägten Gastronomie, wie z. B. in Hotelbars, Restaurants, Diskotheken oder Lokalen mit Barbetrieb. Barmixer/in und Barkeeper/in ist eine Weiterbildung (...). Die Lehrgänge unterschiedlicher Dauer (...) dauern je nach Art der Lehrgänge und Bildungsanbieter zwischen 5 Wochen und 6 Monaten.

Diese knappe, durchaus nicht unzweckmäßige Berufsbeschreibung unterschlägt dem ahnungslosen Interessenten auf der einen Seite, was es tatsächlich bedeutet, als Barmann oder Barfrau zu arbeiten. Mit keinem Wort ist die Rede von Nacht-, Schicht- oder Wochenendarbeit, wenn die Freundin längst alleine (so wollen wir jedenfalls hoffen) im Bett liegt oder die Kumpels gemeinsam (jedoch ohne uns) freudig um die Häuser ziehen. Unerwähnt bleiben ebenfalls die oft miserable Bezahlung, die nicht selten praktizierte Schwarzarbeit sowie die allgegenwärtige Gefahr, die Kontrolle über den ständig verfügbaren Alkohol zu verlieren und irgendwann als nachtaktiver Zombie zu enden.

Auf der anderen Seite offenbart sie aber auch eine große Schwäche dieser Branche: kaum einer der allerorts anzutreffenden Barmänner verfügt über eine fundierte Ausbildung, der absolute Großteil von ihnen wurde lediglich im Verlauf mehrerer Tage angelernt oder mit Hilfe eines behelfsmäßigen Crashkurses in die unausgereiften Grundzüge des Barbetriebs eingeweiht. Nahezu das gesamte Repertoire ihres Wissens und Könnens erwerben die meisten der international operierenden Barmänner und Barfrauen im Verlauf ihrer Tätigkeit hinter dem Tresen, also während des sprichwörtlichen learning by doing. Der berüchtigte Wurf ins kalte Wasser gilt in dieser Branche noch immer als probates Mittel, um neues Personal auf Herz und Nieren zu prüfen – und auch als fragwürdige Art einen Neuling „anzulernen“ und „einzuarbeiten“.

Dabei gleichen die ersten Tage nicht selten der allerersten Autofahrt, sind doch viele von der Vielfalt der Arbeiten, auch von den multiplen Dingen, die gleichzeitig erledigt oder doch wenigstens im Auge behalten werden müssen, überrascht, von den ungewohnten Arbeitszeiten und dem permanenten Umgang mit fremden Menschen und bisweilen anstrengenden Gästen überfordert. Von vielen wird der Beruf des Barmannes unterschätzt: was kann schon Großes daran sein, denkt so mancher, ein paar Getränke einzuschenken, selbige zu kassieren, ein paar Zutaten zusammenzumischen und zum Dienstschluss den Tresen ein wenig zu putzen? Das alles klingt zunächst sehr einfach – und das ist es bis zu einem gewissen Grad auch, sofern man über die nötige Routine, Sachkenntnis und innere Einstellung verfügt. Aber das gilt letztlich auch für jeden anderen Beruf. Dennoch bietet das Gastgewerbe Herausforderungen, die einem in dieser Form wohl in keiner anderen Branche begegnen.

Einen kleinen Einblick in das alltägliche Geschäft des Bartenders möchte ich Ihnen mit diesem Buch aus erster Hand bieten. Der Inhalt ist das komprimierte Ergebnis von rund fünfzehn Jahren Erleben, Staunen, Stutzen, Schmunzeln, Ärgern, Langweilen, Lernen und Freuen – und das alles zu etwa gleichen Teilen in einem Shaker kräftig geschüttelt und ohne Eis serviert. Für eventuelle Unverträglichkeiten übernehme ich selbstverständlich keine Haftung.

Die größte Auszeichnung für dieses Buch muss es naturgemäß sein, wenn Sie sich während des Konsums dieses literarischen Cocktails ebenfalls abwechselnd in Staunen versetzt fühlen, gelegentlich stutzen, öfter mal schmunzeln, manchmal ärgern, hoffentlich nie langweilen, manches dazu lernen, ständig etwas Neues erleben und am Ende mit einem heiteren Ausdruck auf dem Gesicht die letzte Seite zuschlagen.

Wohl bekomms!

Thomas Majhen

Berlin, 23.07.2015

Von Nachtschwärmern & Schnapsdrosseln

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