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8. Rechtsqualität der Verträge

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Alle innerhalb des vom SGB V eröffneten Aufgabenbereichs von den unterschiedlichen Beteiligten geschlossenen Verträge sind öffentlich-rechtlich und unterliegen damit den formellen Bestimmungen der §§ 53 ff. SGB X, soweit das insoweit vorrangige SGB V keine Abweichungen vorsieht.[140] Die Verträge sind nach § 72 Abs. 2 SGB V schriftlich abzuschließen.[141] Die Erstellung einer einheitlichen Vertragsurkunde ist bei den Kollektivverträgen nicht erforderlich und wegen deren vielfältigen Bestandteilen, die zu verschiedenen Zeiten vereinbart werden, auch gar nicht möglich. Bezugnahmen sind zulässig und im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebenen Vertragsstrukturen auch ausreichend. Die Unwirksamkeit einzelner Regelungen führt abweichend von § 58 Abs. 3 SGB X in der Regel nicht zur Gesamtnichtigkeit, da die Vertragspartner gesetzlich verpflichtet sind, den Vertrag hinsichtlich der übrigen Bestandteile abzuschließen.[142]

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Rechtsprechung[143] und Literatur[144] sind sich einig, dass den zur Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung nach § 2 Abs. 2 S. 3 i.V.m. §§ 69 ff. SGB V geschlossenen Verträgen eine normative Wirkung zukommt. Auch der EBM ist ein solcher Vertrag mit Normwirkung.[145] Die Normwirkung der Verträge ist aus der im Gesetz angeordneten Verbindlichkeit für die Mitglieder der Vertragsparteien und teilweise auch für Dritte, die über die gesetzlichen Transformationsmechanismen in den Geltungsbereich der Verträge einbezogen werden, ableitbar. Darüber hinaus führt die traditionell „gemeinsame“ Selbstverwaltung der vertragsärztlichen Versorgung durch die Krankenkassen und die KV zur Notwendigkeit, über ihre Institutionen verbindliche Vereinbarungen für ihre Mitglieder abzuschließen.

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Alle Vereinbarungen der Kollektivvertragspartner, die Vergütungen zum Inhalt haben, sind nach § 71 Abs. 4 SGB V den zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen, welche ein Beanstandungsrecht innerhalb von zwei Monaten haben. Dadurch soll u.a. die Einhaltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität überwacht werden können.

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Die vertraglichen Vereinbarungen können ihre normative Wirkung gegenüber den am Vertragsschluss nicht unmittelbar Beteiligten nur durch öffentliche Bekanntgabe erlangen.[146] Hierfür gelten die in den Satzungen der KV und Krankenkassen festgelegten Bekanntmachungsverfahren.[147] Nach Meinung des LSG Bayern[148] gelten die Satzungsbestimmung der KV nicht für die Bekanntmachung gesamtvertraglicher Vereinbarungen.[149] Wie diese bekannt zu machen sind, bleibt offenbar den Vertragspartnern überlassen. Ein Rundschreiben ohne Beifügung der maßgeblichen Richtgrößenvereinbarung, das auf die Internetseite und Hotline der KV Bayern für weitere Informationen verwies, hat das BSG in der Revision als rechtsstaatlich ausreichend angesehen.[150] Diese „verkürzte“ Bekanntmachungsform mag für Strukturverträge ausreichen,[151] weil deren Teilnahme auf freiwilliger Basis erfolgt und es daher dem interessierten Arzt zumutbar ist, sich vorab zu informieren. Bei allgemeinverbindlichen Verträgen, die wie die früheren Richtgrößenvereinbarungen, zu grundrechtsrelevanten und existenzbedrohenden Maßnahmen der Prüfungsgremien führen können, muss der betroffene Vertragsarzt frühzeitig und umfassend über deren Inhalt und Tragweite informiert werden. Daher ist entgegen dem BSG die Bekanntmachung des Volltextes der Norm erforderlich.[152] Die fehlende Unterzeichnung der bekanntgemachten Norm steht deren wirksamer Bekanntmachung nicht entgegen, wenn sie mit der später unterzeichneten Version übereinstimmt.[153]

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Abweichend von den vorstehenden Ausführungen handelt es sich bei den Vereinbarungen mit dem Verband der privaten Krankenversicherer nach § 75 Abs. 3b SGB V hinsichtlich der Vergütungen im Standard- bzw. Basistarif zwar um öffentlich-rechtliche Verträge, weil sie von dem auf freiwilliger Basis gebildeten PKV-Verband als beliehener Unternehmer kraft hoheitlicher Befugnis abgeschlossen werden.[154] Andererseits fehlen die für die Normwirkung der Verträge erforderlichen Transformationsmechanismen, weil der Verband der privaten Krankenversicherer keine öffentlich-rechtliche Körperschaft, sondern ein eingetragener Verein[155] ist und eine Verpflichtung zur Mitgliedschaft im Verband gesetzlich nicht vorgesehen ist.

8. Kapitel VertragsarztrechtD. Rechtsgrundlagen des Vertragsarztrechts › III. Schiedswesen

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