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Verpiss Dich, Hurensohn!

Im Beisein ihrer Eltern und Tillys konfrontierte Evy am Nachmittag Markus mit den eindeutigen, belastenden Aufnahmen seines hemmungslosen Seitensprungs, welche Tilly ihr auf ihren Laptop kopiert hatte und erklärte ihm, er solle sich seinen Schwanz selber in den Arsch stecken, warf ihm den teuren Verlobungsring ins Gesicht, versetzte ihm einige schallende Ohrfeigen und beinahe noch einen harten Tritt in die Hoden, wurde aber von ihrer Mutter geistesabwesend daran gehindert. „Nicht Schatz, der ist es nicht wert. Durch die Gegend zu vögeln, ist eine Sache. Da sind Pa und ich nicht besser, als ihr beide.“

„Ihr?“

„Klar doch. Uns ist nicht entgangen, dass Tilly und Du kleine Flittchen seid. Meinst Du, wir haben nicht mitbekommen, was Ihr da zuweilen in Euren Zimmern treibt? Wir beide sind da auch ziemlich offen. Aber… wir waren immer ehrlich zueinander. Aber das hier… Dir die Treue zu schwören, Dir zu sagen, aus religiösen Gründen keusch zu bleiben und dann wild durch die Gegend zu vögeln, zu erzählen Du wüsstest es… das ist erbärmlich und krank. Schick den Penner in die Wüste und gut. Er ist es nicht wert.“

„Sie haben es gehört, Herr Hauptmann. In diesem Haus ist kein Platz für Ehebrecher. Also beweg den Arsch und raus hier," sagte Evys Vater und baute sich drohend vor Markus auf. Dieser war zwar gut einen Kopf größer als Leonhard, aber Markus war sich sicher, dass er den Kürzeren ziehen würde, weil Evys Vater Stahlkocher und sein Job knochenharte Arbeit war, welche keine Schwächlinge duldete. Und ja, natürlich hier hatte die Familie Brinkmaier Hausrecht und er befand sich plötzlich auf Feindgebiet. Er zog seine Brieftasche, entnahm dieser die beiden Nacktbilder von Evy, ließ Leonhard dabei zusehen, wie er alle Bilder seine Ex-Braut von seinem Smartphone löschte und verließ dann wortlos leise das Haus.

„Tut mir leid, dass das so gelaufen ist, Kleines. Er machte immer einen so tollen, aufrichtigen Eindruck.“

„Schon gut, Papa. Tut zwar weh, aber ich komm drüber weg. Das Arschloch hat mich geblendet, mich an der Nase rum geführt. Aber ich komm klar. Vielleicht… leb ich als Flittchen ja besser?“

Ihre Mutter kicherte, „So wie ich. Und irgendwann… klatsch… begegnest Du dem richtigen,der ist genau so flatterhaft wie Du und ihr arrangiert Euch so wie wir.“

„Habt Ihr wirklich auch nach der Heirat noch gewildert, Mama?“

„Ja, bis heute. Aber wir sind immer ehrlich zueinander und wenn ich mit nem anderen in die Kiste gehe, bestehe ich drauf, dass der ein Kondom benutzt, damit Papa nicht den Schlammreiter spielen muss.“

„Also waren die anzüglichen Bemerkungen von Tante Regina und Onkel Paul nicht nur scherzhaft?“

„Nö. Du treibst es immer wieder mit Deiner Schwester und ich bis heute mit meiner.“

„Du fickst mit Tante Regina und Onkel Paul?“

„Jou. Und Papa fickt Regina auch. Erst letzten Samstag, als Du bei Svenja in Hannover warst. Die einzigen, mit denen wir es definitiv nicht treiben werden, seid Ihr zwei. Ihr seid unsere Töchter und tabu für uns.“

„Shit… Tilly, jetzt wissen wir, dass wir genetisch bedingte Flittchen sind.“

„Anscheinend ja. Aber ganz ehrlich… Ich bin gerne ein Flittchen.“

„Ich auch. Aber nicht unter solchen Voraussetzungen. Dieser Drecksack hat mich betrogen und vor Dir und unseren Freundinnen bloßgestellt. Der muss aufpassen, dass ich ihn nicht fertig mache.“

Tilly lachte böse und wedelte mit ihrem Smartphone.

„Kannst Du haben, Schwesterchen. Ich hab die ganze Szene eben, als Du ihn zur Rede gestellt hast, aufgenommen und auf dem Handy. Ein Wort von Dir und das Video landet im Verteiler.“

„Oha? Mama, Papa? Was würdet Ihr machen?“

„Der Wichser hat Deinen Freundinnen gesagt, Du wüsstest es und wärest einverstanden, um sie ficken zu können. Er hat Dich vor ihnen bloßgestellt und sie halten Dich für die Mega-Schlampe. Mach ihn fertig, Schatz," sagte ihre Mutter und Leonhard stimmte zu.

„Erteil ihm ne Lektion, Süße.“

„Tilly, schieß das Video in den Verteiler, aber lass den Teil, wo Mama sagt, dass sie und Papa auch quer durchs Feld vögeln bitte raus.“

„Schon klar. Ich schick nur raus, wie Du ihm an den Kopf wirfst, Dich betrogen zu haben und Du ihm die Videos auf‘m Laptop zeigst. Ich stelle Mama und Papa nicht bloß. Da mach Dir keine Sorgen. Das bleibt alles unter uns.“

„Dann los, jag das Ding raus.“

-*-

Im Verlauf der folgenden Stunden geschah etwas absolut unerwartetes. Nur zehn Minuten, nachdem Tilly das Video über Messenger in der Freundinnen-Gruppe veröffentlicht hatte, klingelte es an der Tür. Leonhard öffnete, war bereit, zuzuschlagen, sollte Markus vor der Tür stehen und war total verdutzt, als er Inge Nentwisch auf der Schwelle sah. Sie hatte den Kopf gesenkt, eine Flasche teuren Champagner in der Hand und fragte mit leiser Stimme, ob Evy zu sprechen wäre. „Klar, komm rein Inge. Du möchtest etwas loswerden?“

„Ja, Leonhard. Ich… ich möchte mich bei Evy entschuldigen, bitte.“

„Na komm rein," er führte Inge durch den Flur ins Wohnzimmer, „Evy, Du hast Besuch.“

„Huch? Inge?“

Inge trat zögernd an den Sessel, in welchem Evy saß, ging davor auf die Knie und hielt den Kopf gesenkt.

„Ich… ich möchte mich bei Dir entschuldigen, Evy. Er hat gesagt, Du wüsstest es. Ich hätte es nie getan, wenn ich gewusst hätte, was er für ein Schwein ist. Ich… ich hab mir gedacht, dass es ja egal ist, wenn Du so ne Schlampe bist. Es tut mir aufrichtig leid, Evy.“

Evy beugte sich vor, griff Inge sanft unters Kinn und hob deren Kopf vorsichtig an, sah ihr dann tief in die Augen.

„Und jetzt weißt Du, dass ich nicht die Schlampe bin?“

„Ja. Entschuldige bitte, Evy. Ich will unsere Freundschaft nicht kaputt gehen lassen.“

„Sicher nicht, Süße. Alles verziehen. Du hast mich nicht betrogen. Das war dieser Wichser und zwischen uns ist alles gut. Versprochen, Süße.“

Inge warf sich an Evys Hals, weinte befreit und war irgendwann in der Lage, ihr die Flasche zu geben.

„Hier… schnief… als kleine Entschuldigung, Evy.“

Es klingelte noch siebzehn weitere Male an der Tür und Szenen wie die mit Inge wiederholten sich. Ihre Freundinnen, welche seinen Worten geglaubt und es mit ihm getrieben, sie für eine Schlampe gehalten hatten, welche zuließ, dass Ihr Verlobter es mit anderen trieb, baten sie um Verzeihung, fürchteten um die Freundschaft, welche meistens schon seit der frühen Kindheit bestand und weinten aufrichtige Tränen der Erlösung, als Evy ihnen verzieh.

„Alle achtzehn? Der Kerl hat all Deine Freundinnen gefickt und behauptet, Du wärest einverstanden? Shit. Du hättest ihm doch in die Eier treten sollen. Jetzt bitte ganz ehrlich, Tilly: Hast Du Dich wirklich nicht mit ihm eingelassen?“

„Nein, Mama. Ganz ehrlich. Klar, ich wäre mit ihm in die Kiste gegangen, aber nur wenn Evy dabei gewesen wäre und wir zusammen Spaß gehabt hätten. Aber ich hätte nie mit dem Verlobten meiner Schwester hinter deren Rücken gefickt. Ich hab ihm nie wirklich geglaubt und sogar, als ich vor drei Wochen bei Anja ziemlich besoffen war, zu ihm gesagt, dass ich nicht mit ihm vögeln will, weil er der zukünftige Mann meiner Evy ist.“

„Ich glaub Tilly, Mama. Tilly würd mich nie so hintergehen.“

„Ich auch," sagte Leonhard, „Tilly ist vielleicht ein kleines Flittchen… daran sind wohl wir auch durch unsere lockere Erziehung schuld, aber sie ist keine Verräterin.“ „Ja, ich auch. Ich wollt es nur nochmal von Dir persönlich hören, Tilly und Dir dabei in die Augen sehen. Ich glaube Dir auch und alles ist in Ordnung.“

„Gut Leute," Evy erhob sich aus dem Sessel und zahlreiche Kuscheltiere sowie Pralinenschachteln, Versöhnungsgeschenke ihrer Freundinnen, kullerten von ihrem Schoß.

Sie nahm die Hand ihrer Schwester und schloss sie dann in die Arme.

„Mama, Papa?“

„Ja?“

„Nehmt Ihr es mir übel, wenn ich den Kram jetzt einfach hier liegen lasse und erst morgen aufräume?“

„Nein, Schatz," sagte Leonhard entschlossen, erhob sich gleichfalls und nahm seine Frau an der Hand, „wird Zeit für‘s Bett, denke ich.“

„Genau, Danke Papa," sagte Evy und zog Tilly mit sich.

„Soll ich bei Dir schlafen?“

„Ja, Schwesterchen. Bitte komm mit mir. Ich brauch jetzt was zum liebhaben.“

„Aber nicht soo laut," witzelte ihre Mutter und schmiegte sich an ihren Mann, „wenn ich mein eigenes Stöhnen nicht hören kann, seid Ihr eindeutig zu laut.“

„Oups? Sind wir wirklich soo laut?“

„Manchmal ja. Vor allen Tilly.“

„Oje? Na… vielleicht solltest Du mich besser knebeln?“

„Knebeln klingt gut," sagte Leonhard und versetzte seiner Frau einen Klaps auf den Hintern, „was meinst Du?“

„Knebeln und Handschellen… hatten wir lang schon nicht mehr, Schatz. Ich bin bereit zu dienen.“

„Dann komm, Sklavin. Gute Nacht, Mädels.“

-*-

„Soll ich Dich wirklich knebeln, Tilly?“

„Nee, lieber nicht. Da krieg ich doch keine Luft mehr und kann Dir auch nicht das Fötzchen lecken, Evy.“

„Stimmt, das geht nicht. Also, raus aus den Klamotten, stripp für mich.“

Ja, Herrin. Mach Musik an.“

„Der Gedanke, dass Mama sich grad in Handschellen und geknebelt Papa hingibt... der ist geil, oder?“

„Ja. Da wäre ich gerne mal Mäuschen. Aber jetzt mach die Musik an, ich zeig Dir, wie geil ich bin.“

„O.k.“

-*-

Als Markus am nächsten Morgen sein Haus verließ, um in die Kaserne zu fahren, versank er mit beiden Schuhen in stinkenden Kuhfladen, welche Unbekannte auf der Türschwelle deponiert hatten. Der gesamte Weg von der Haustür bis zum niedrigen Gartentor, sowie der hin zum Stellplatz seines Wagens vor der Garage, war mir stinkendem, dampfenden Kuhmist bedeckt.

Sein Wagen, ein erst vier Monate alter Mercedes SLC, war über und über mit Kuhscheiße beschmiert, die Antenne abgebrochen und jemand hatte die Spiegel herunter getreten. Auf die Kennzeichen hatte jemand mit einer Sprühflasche in fetten roten Lettern ‚DRECKSCHWEIN‘ gesprüht. Irgendwer hatte wohl einen ganzen Packen, 500 Blatt, Papier durch einen Laserdrucker gejagt, darauf „Verpiss Dich, Hurensohn!!!“ gedruckt und diese im Vorgarten verteilt.

Das war Sachbeschädigung und Beleidigung im großen Stil, aber Markus ahnte, dass die jungen Frauen, welche er hintergangen und ausgenutzt hatte, erst am Anfang standen und es ihm übel bekommen würde, sollte er die Polizei einschalten. Ihm war bewusst, dass er ausnahmslos alle Freundinnen Evys flach gelegt und sie dazu belogen hatte, er auch Tilly versuchte zu überzeugen, die aber immer widerstand und, dass die halbe Siedlung ihn jetzt im Visier hatte.

Die Gemeinschaft in dem kleinen Neubaugebiet war eine starke, die jungen Männer und Frauen, welche hier lebten, zusammen aufgewachsen und aufeinander eingeschworen. Er hatte das allgemeine Vertrauen missbraucht und seine Verlobte als miese Schlampe hingestellt, um die jungen Büchsen ficken zu können. Das war schief gelaufen, weil Tilly ihn filmte, als er es mit Evys Freundinnen auf Wanjas Party trieb und jetzt bekam er die Quittung.

Er rief in der Kaserne an, ließ sich für zwei Tage vom Dienst freistellen und machte sich dann, mit Übelkeit und Ekel kämpfend, daran, die riesige Schweinerei zu entfernen. Leicht wurde es ihm dabei nicht gemacht, denn er hätte eines Traktors mit Hänger bedurft, aber die beiden Bauen, welche ihre Höfe am Rand der Siedlung hatten, waren damals, als die Häuser gebaut wurden und das Neubaugebiet mit der Zeit bis an ihre Gehöfte heran reichte, in die Gemeinschaft integriert worden und ihre inzwischen volljährigen Töchter, Inge und Christa mit den anderen aufgewachsen. Er rief die beiden Bauern an, um um Unterstützung zu bitten, aber Jonas Frisch legte kurzerhand auf und Rainer Büschel meinte nur:

„Lad die Kacke in Deine Scheißkarre, wenn Du sie loswerden willst, Arschloch.“

Ihm blieb letztlich nichts anderes übrig, als die Schubkarre aus der Garage zu holen und den ganzen Mist in die hinterste Ecke seines Gartens hinter dem Haus zu karren. Dann, als er sich daran machte, die mit Kuhscheiße beschmierte Karosse mit einem Wasserschlauch abzuspritzen, hielt ganz zufällig ein Streifenwagen der Polizei vor seinem Grundstück.

Den beiden Beamten war es absolut egal, dass sein 90.000 Euro teurer Wagen mit Kuhscheiße verschmiert und die Spiegel zerstört waren. Die interessierte nur, dass es in der Kommune verboten war, die Autos auf dem Privatgrundstück oder der Straße zu waschen, weil dadurch das Grundwasser belastet wurde. Sein Rang als hochdekorierter Offizier der Bundeswehr war ihnen gleichfalls absolut schnuppe und sie verpassten ihm eine Anzeige mit Bußgeldandrohung.

Zwei Stunden später, als er glaubte, es doch noch mal versuchen zu können, dauerte es keine fünf Minuten, bis der Streifenwagen wieder vor seiner Auffahrt stand und die Polizisten mächtig laut wurden, ihm eine weitere Anzeige verpassten. Einer der beiden Beamten, Polizeiobermeister Kuno Flechtner war der Vater von Iris, welche von Markus so wie die anderen ausgenutzt und hintergangen wurde. Wäre es nach Flechtner gegangen, er hätte den Kerl am liebsten in flagranti bei einer echten Straftat erwischt und auf der Flucht erschossen. Evy hatte seiner Iris zwar verziehen und in seinem Beisein bekräftigt, dass die Freundschaft nicht gefährdet sei, aber seine Tochter hatte die ganze Situation so schwer mitgenommen, dass sie die ganze Nacht in den Armen ihrer Mama weinte und nicht zur Ruhe kam.

Markus entfernte schließlich den gröbsten Dreck mit bloßer Hand von der Karosse und beschloss dann nach Bückeburg rein zu fahren, um den Wagen in der Waschstraße zu waschen. Allerdings kam er nicht wirklich weit, denn kaum, dass er aus der Ausfahrt auf die Straße rollte, stand der Streifenwagen wieder da und die Beamten verboten ihm unter Strafandrohung, mit dem Auto ohne Spiegel auf der öffentlichen Straße zu fahren, weil dies laut Straßenverkehrszulassungsordnung eindeutig verboten war.

„Und wie zum Geier, soll ich den Wagen dann sauber machen und in die Werkstatt bringen? Was soll die Scheiße?“

„Die Scheiße bedeutet, dass Sie einen Abschleppwagen rufen, um ihre Karre zu bewegen. Fahren Sie auch nur einen Meter weiter damit, mach ich die Kennzeichen von der Kiste ab und Sie bekommen eine Anzeige wegen Fahrens mit einem Wagen, welcher keine allgemeine Betriebserlaubnis mehr hat, weil keine Spiegel dran sind und man durch die verdreckten Scheiben nichts sehen kann. Außerdem haben Sie hinten links einen Platten. Also bleibt die Karre stehen.“

„Das werden Sie noch büßen!“

„Vorsicht… SIE begehen einen Verstoß gegen die Gesetze nach dem andren. Sie bewegen sich auf sehr dünnem Eis und Sie sollten sich genau überlegen, was Sie tun oder sagen. Den Spruch gerade, kann der Staatsanwalt durchaus als Bedrohung von Polizisten im Dienst bewerten. Ganz dünnes Eis, der Herr.“

Der andere Beamte dokumentierte den Zustand des Wagens mit einer Kamera, ging dann an den Kofferraum des Streifenwagens und entnahm diesem eine Parkkralle.

„Ist doch ganz einfach, Kuno," sagte Polizeimeister Gerald Vries, „der Herr hat heute mehrfach bewiesen, dass er uneinsichtig ist. Das Risiko, dass er trotzdem in der Dreckskarre ohne ABE1 losfährt, ist offenbar viel zu hoch. Also legen wir die Kiste vorläufig still.“

„O.k. Hast recht, Gerald. Mach mal.“

Ehe Markus sich versah, setzte Vries die Parkkralle an das rechte Vorderrad des Coupes und verriegelte sie,

„Wenn Ihr Wagen wieder in betriebsfähigem Zustand ist, rufen Sie uns an und wir nehmen die Kralle wieder ab. Guten Tag, der Herr.“

-*-

Die Gemeinschaft in der Siedlung hielt zusammen und das musste Markus deutlich erfahren, als er in Bückeburg beim Abschleppdienst anrief. Der Besitzer und Chef war Klaus Ruppertz, Vater von Frieda Ruppertz und hatte definitiv keine Lust, einen Abschleppwagen zu schicken. Und die Mercedes-Werkstatt… da war Martha Glimmer, die Mutter von Bianca, Geschäftsführerin und erklärte ihm kurz angebunden am Telefon, dass man keinen Wert drauf lege, seinen Wagen zu reparieren. Er könne sich ja eine Werkstatt in Hannover, Hameln oder Minden suchen. Letztlich kam er nicht umhin, einen Abschleppdienst aus Minden kommen zu lassen und durfte Vorkasse 500 Euro für den Abtransport seines Wagens hinblättern.

Der Autoaufbereiter in Minden rief ihn dann an und verlangte eine Sofortzahlung von 400 Euro über einen Online-Bezahldienst, wenn seine Leute sich des stinkenden Dreckhaufens annehmen sollten. Er zahlte zähneknirschend, setzte sich dann nach einem ausgiebigen Bad im Wohnzimmer auf das Sofa, sah sich Pornofilme an und betrank sich.

-*-

Am nächsten Morgen erhielt er schon sehr früh einen Anruf der Mercedes-Werkstatt in Minden. Man teilte ihm mit, dass es nicht nur die Spiegel wären, sondern auch der Auspuff, dessen Aufhängung abgerissen war, sodass er samt Töpfen und Kat am Krümmer abriss, als der Wagen auf die Bühne gehoben wurde.

„Das wird teuer, wir müssen den Krümmer komplett ersetzen und der Auspuff ist auch hin. Sind Sie mit dem Wagen querfeldein gefahren und in nen Kuhstall gerast? Der stinkt ja gotterbärmlich obwohl der Aufbereiter sechs Stunden dran geackert hat. Besoffen gefahren?“

„Scheiße nein… machen Sie einfach.“

„Und… dass die Rückleuchten im Eimer sind, ist Ihnen bekannt?“

„Nein, verdammt. Machen Sie einfach.“

Er legte enerviert auf und der Meister der Werkstatt rief mit einem breiten Grinsen seine Schulfreundin Martha Glimmer an.

„Alles klar, Martha. Der Kerl blutet und kommt nicht unter 5.000 Euro weg. Wie? Nein, ich denke nicht, dass die Kasko dafür einspringt, weil ich denen einen Bericht vorlege, welcher nahelegt, dass die Schäden vermutlich und mit größter Wahrscheinlichkeit das Resultat eine alkoholisierten Fahrt sind… Sicher, für Dich und Deine Kleine immer. Kein Problem, Martha.“

Jahre zuvor hatten der Meister und Martha in diesem Autohaus ihre Lehren gemacht und der Geschäftsführer Peter Wilke mochte sie beide sehr gern. Ihm blieb nicht verborgen, was sein Kollege da für ein Ding drehte und fragte interessiert nach den Gründen. Fritz Bilcher erzählte ihm die Story und das war in Wilkes Augen ein absolutes Unding. Er ging in die Werkstatt und sah sich um.

„Geht es um den silbernen SLC da drüben, Fritz?“

„Jou, Peter. Das ist die Karre.“

„Gut," Wilke ging an die Werkbank und nahm einen schweren Vorschlaghammer zur Hand, „dann schreib noch auf, dass das Schiebedach erneuert werden muss. Da ist ne riesige Delle drin, Fritz. Hast Du wohl vorhin übersehen.“

„Huch? Tjo, kommt vor, Peter. Oder?“

„Jou, kann vorkommen, Fritz.“

Wilkes senkte die Hebebühne ab, stieg auf die Motorhaube des Wagens und ließ den schweren Hammer mehrfach auf das Schiebedach des Coupes knallen.

„So, das passt, Fritz. Der braucht ein neues Schiebedach.“

„Alles klar, Peter. Das muss ne irre Suff-Tour gewesen sein.“

-*-

Um 8: 50 Uhr klingelte bei Markus erneut das Telefon. Es war der Mann vom Mietwagenservice, welcher ihn aufforderte aus dem Haus zu kommen, um den Vertrag zu unterzeichnen und die Kaution zu hinterlegen.

„Und warum kommen Sie nicht zur Haustür und klingeln?“

„Entschuldigen Sie bitte. Aber ich latsche jetzt nicht durch den ganzen Kuhmist in Ihrem Vorgarten. Ich weiß ja nicht, Sie scheinen das ja gewohnt zu sein, aber ich hab keine Gummistiefel dabei, es stinkt erbärmlich und… wissen Sie was? Ich glaube, ich möchte Ihnen keinen Wagen vermieten. Wer weiß, wie der danach aussieht. Bleiben Sie ruhig, wo Sie sind. Ich geb Ihnen den Wagen nicht.“

„SCHEISSEEE!!!“

Markus stürmte durch den Hausflur, riss die Tür auf, erinnerte sich zu spät an die Kuhfladen vom vergangenen Morgen, stand bereits bis zu den Knöcheln mit nackten Füßen in der Scheiße, bremste abrupt, kam dadurch ins rutschen und landete bäuchlings in stinkendem, warmen Kuhmist, welcher seinen Vorgarten vollständig bedeckte. Stöhnend kam er auf die Füße, drehte sich und erstarrte in der Bewegung.

In riesigen roten Lettern hatte jemand etwas quer über seine Fassade geschrieben:

„Verpiss Dich, Hurensohn!!“

Der Spruch war links und rechts von Darstellungen eines Galgen flankiert. Er rief die Polizei an, war jetzt soweit, Anzeige zu erstatten, aber der nette Beamte erklärte ihm mit ruhiger Stimme, dass man keine Anzeige von ihm aufnehmen würde, weil es ja im Ort bekannt sei, dass er sich regelmäßig betränke und dann Wahnideen entwickelte.

„Was ich? Ich betrinke mich nicht regelmäßig.“

„Ach ja? Und wenn ich jetzt eine Streife zu Ihnen schicke und die Sie pusten lassen. Sind Sie nüchtern? Sorry, aber ich kann Ihre Fahne durchs Telefon riechen.“ Der Polizist legte auf, grinste fröhlich und drückte den zweiten eingehenden Anruf von Markus kurzerhand weg.

-*-

Mit Entsetzen erkannte Markus endgültig, dass die Gemeinschaft in der Siedlung ihm das Leben hier zur Hölle machen würde, sollte er hier wohnen bleiben. Deshalb telefonierte er den gesamten Vormittag, bis er schließlich einen Makler in Hannover fand, welcher bereit gewesen wäre, sein Haus zu verkaufen. Der Mann kam gegen sechzehn Uhr an, blieb vor dem Grundstück stehen, betrachtete die Szene und schüttelte dann den Kopf.

„Tut mir leid," rief er Markus über den Vorgarten hinweg zu und wisch zurück, als dieser sich ihm näherte, um ihn zu begrüßen, „aber diese Stinke-Hütte? Machen Sie erst mal richtig sauber und streichen die Fassade neu. Wenn das erledigt ist, rufen Sie mich nochmal an. So, wie das jetzt hier aussieht, kann ich die Bude nicht verkaufen.“

Er drehte sich, ging auf seinen Wagen zu und blieb dann nochmal stehen.

„Ich werd mir erlauben, die 120 Kilometer sinnlose Fahrt in Rechnung zu stellen.“ Noch ehe Markus etwas sagen konnte, stieg er in seinen Porsche, fuhr davon, ließ ihn einfach stehen und wies seine Sekretärin telefonisch an, eine Rechnung über 250 Euro für die sinnlose Fahrt an Markus zu schicken.

An diesem Abend betrank Markus sich erneut nachdem er ausgiebig gebadet hatte, den Gestank aber nicht wirklich loswurde. Am nächsten Tag wachte er erst um zehn Uhr auf, weil das Telefon klingelte. Der Anruf kam aus der Schreibstube seiner Ausbildungskompanie in der Kaserne, wo man sich fragte, wo er wäre. Er hatte sich nur zwei Tage frei genommen und fehlte somit unentschuldigt. Er legte wortlos auf, sah aus dem Fenster und seinen Verdacht bestätigt. Er hatte den ganzen Vortag vergeblich Mist aus dem Vorgarten entfernt und in seinen Garten gekarrt, weil in der Nacht erneut drei Hänger mit Kuhmist auf sein Grundstück gekippt worden waren.

Das allein hatte den wütenden Eltern der jungen Frauen aber nicht gereicht. Jemand hatte kurzerhand eines der ebenerdigen Kellerfenster aufgebrochen und dann rund 10.000 Liter Gülle in den Keller gepumpt. Er war zu betrunken, um das zu merken und die Täter hatten leichtes Spiel.

Am folgenden Abend legte er sich mit seiner Pistole am Küchenfenster auf die Lauer, wollte die Täter erwischen und hindern, sein Grundstück weiter zu verdrecken, aber er trank zu viel, bekam schließlich nicht mehr mit, dass sie erneut kamen, weitere 10.000 Liter Gülle in seinen Keller pumpten und zwei stinkenden Schweinekadaver in seine Auffahrt legten.

Am nächsten Tag stand der Briefträger vor seinem Grundstück, warf ein Einschreiben in den Briefkasten am zerstörten Gartenzaun, in welchem ihn das Ordnungsamt unter Androhung eines Bußgeldes aufforderte, den Dreck im Vorgarten umgehend zu entfernen.

Gegen zehn Uhr an diesem Morgen hielt ein Einsatzwagen der Feldjäger2 vor seinem Haus. Ein Stabsunteroffizier trat heraus, wollte das Grundstück betreten und prallte entsetzt zurück. Er stieg wieder in den Wagen, telefonierte einen Moment und etwas länger als eine Stunde später kam ein Mannschaftswagen der Feldjäger in die Straße gefahren. Aus diesem stiegen sechs Männer in weißen Katastrophenschutzanzügen mit schwerem Atemschutz und mit Maschinenpistolen in den Händen. Die Männer durchquerten den mit Kuhmist, Hausmüll und Kadavern zugemüllten Vorgarten, klingelten mehrfach lange an der Tür und als Markus nicht reagierte, brachen sie sie kurzerhand auf.

Sie fanden Markus vollkommen betrunken in seinem Badezimmer auf dem Boden liegend, umgeben von leeren Schnapsflaschen. Er war seit zwei Tagen abgängig, hatte nicht auf Anrufe seiner Dienststelle in der Kaserne reagiert und wurde somit zunächst als Deserteur betrachtet, in Handschellen abgeführt, dann in einer Zelle im Mannschaftswagen angekettet, ehe sie ihn nach Hannover verfrachteten.

Drei Tage später ließ der Ortsbürgermeister des Ortes nach Rücksprache mit dem Landratsamt zwei große Radlader sowie mehrere vierachsige Kipplaster anrollen und den gesamten Vorgarten bis an die Hauswand planieren, um den stinkenden Dreck zu entfernen. Die Rechnung für den Einsatz zuzüglich der Entsorgungskosten, welche die Kreismülldeponie berechnete, ließ der Bürgemeister Markus per Einschreiben zustellen. Sie belief sich auf satte 18.000 Euro.

Markus indes wurde auf Weisung der Stabsärzte zwischenzeitlich in ein Militärkrankenhaus eingewiesen, um ihn dort von seiner vermeintlichen Alkoholsucht zu heilen und ihn psychiatrisch zu behandeln. Der Vorwurf, er sei desertiert, wurde zwar fallen gelassen, aber nachdem ein Unbekannter das Video von Wanjas Party, in welchem er einwandfrei und deutlich zu erkennen war, sowie die Aufzeichnung des Abends, als Evy mit ihm Schluss machte, an seinen

Vorgesetzten schickte, begann man, ein Disziplinarverfahren gegen ihn vorzubereiten, weil er das Ansehen der Bundeswehr in hohem Maße schädigte.

Als er vier Wochen später – zwei im Krankenhaus, zwei in der Arrestzelle – zum Leutnant degradiert, zurück zu seinem Haus kam, brach er stöhnend zusammen. Sämtliche Fenster waren eingeschlagen, die Hütte auf beiden Etagen mit Unrat vollgestopft, das Mobiliar weitestgehend zertrümmert und das Kellergeschoss bis Oberkante Kellertreppe mit Gülle geflutet. Der Briefkasten, am letzten Überbleibsel des Vorgartentores hängend, war überfüllt mit Rechnungen, amtlichen Bescheiden und Drohbriefen, welche ihm nahelegten, den Ort zu verlassen.

Einer der Briefe kam aus der Mercedes-Werkstatt. In diesem wurde er aufgefordert, seinen Wagen abzuholen und die Rechnung sofort in bar zu begleichen. Ein Gutachten der Versicherung war beigelegt und aus diesem ging hervor, dass diese die Kosten nicht übernehmen würde, weil die erheblichen Schäden am Fahrzeug offensichtlich von einer Fahrt unter erheblichen Alkoholeinfluss stammten.

Als wäre das nicht genug, lag dem Brief noch eine Notiz bei, welche besagte, dass er vor der Abholung des Wagens die Polizei verständigen müsse, damit diese die Parkkralle entfernen könne. Nebenbei gemerkt, um auf der rechtlich sicheren Seite zu sein, hatte man der Polizei natürlich die vermutete Alkoholfahrt angezeigt und eine Kopie des Gutachtens angefügt.

Er ließ die Dokumente achtlos auf den Boden fallen, betrat sein Haus und setzte sich dort zwischen all den Unrat im Wohnzimmer auf das Sofa. In den Überresten des schweren Wohnzimmerschranks aus Mahagoni, lagerten noch einige Flasche edler Whiskeys und anderer Brände, mit denen wollte er sich vergnügen. Dann erinnerte er sich daran, dass er in einer der Schubladen noch ein paar gute Zigarren liegen hatte, von denen er sich früher zu besonderen Anlässen gerne mal eine gegönnt hatte. Inständig hoffend, sie seien noch dort, durchsuchte er die Trümmer und jubelte, als er sie tatsächlich unversehrt fand. Er rauchte eigentlich nicht, paffte lediglich zuweilen eine der teuren Zigarren, aber heute wollte wirklich eine rauchen.

In einem Haus, in dessen Keller mehrere zehntausend Liter Gülle gären, in dessen Fluren Kuhmist verrottet, sollte man tunlichst keinen offenen Funken erzeugen. Er hätte das eigentlich wissen müssen, aber er war geistig schon viel zu weit weg. Er packte eine der Zigarren aus, biss die Spitze ab und zündete das Feuerzeug, um die Zigarre anzuzünden.

Die Druckwelle der Detonation des Hauses ließ noch drei Straßenzüge weiter Fensterscheiben platzen und Trümmer flogen bis zu fünfhundert Metern weit. Ein Sachverständiger meinte später in einem Gutachten, dass es für die Siedlung ein Segen war, dass das Haus kein einziges geschlossenes Fenster mehr hatte, als es detonierte. Wäre das Haus geschlossen, kein Durchzug gewesen, wäre deutlich mehr Gas entzündet worden und die Explosion weitaus heftiger verlaufen.

1 Allgemeine Betriebserlaubnis

2 Militärpolizei der Bundeswehr

Unheiliges Leben

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