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b) Verschuldensfähigkeit
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Näher zu erörtern ist, ob R ein Verschulden zur Last zu legen ist. R müsste zunächst über die nötige Verschuldensfähigkeit verfügen.
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Hinweis zum Aufbau:
Die Verschuldensfähigkeit ist Voraussetzung dafür, dass ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorliegen kann. Es liegt deshalb nahe, die Verschuldensfähigkeit vor der Frage, ob ein Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig i. S. d. § 276 BGB erfolgte, zu prüfen. Geht es um das Verschulden von Minderjährigen, ist diese Reihenfolge jedoch nicht zwingend. Wie sich sogleich in der Falllösung zeigen wird, sind im Rahmen von § 828 III BGB auch Fragen der Sorgfaltspflicht zu erörtern. Da für die Frage der Verschuldensfähigkeit auf den Erkenntnisstand des Minderjährigen abzustellen ist, vermischen sich beide Elemente. Es wäre deshalb auch denkbar, zunächst die Fahrlässigkeit der R zu prüfen. Allerdings wäre dies aus klausurtaktischen Erwägungen ungünstig, da man sich damit das Standard-Problem der teleologischen Reduktion von § 828 II BGB bei parkenden Fahrzeugen abschneiden würde.
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Nach § 828 II BGB ist „wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet, hat … für den Schaden, den er bei einem Unfall mit dem Kraftfahrzeug … einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.“ Bei der Prüfung des § 828 II BGB ist zunächst festzustellen, ob es sich um einen „Unfall“ i. S. d. § 828 II 1 BGB handelt. Der Begriff des Unfalls wird (angelehnt an § 7 StVG) definiert als plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmtes Ereignis, welches auf äußerer Einwirkung beruht und zu einer Rechtsgutsverletzung führt.[34] Der Begriff des Kraftfahrzeugs kann § 1 II StVG entnommen werden. Demzufolge gelten Landfahrzeuge als Kraftfahrzeuge, „die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein“, was im vorliegenden Fall nicht problematisiert werden muss.
Bei der Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs durch ein Kind soll § 828 II BGB nach überwiegender Ansicht nicht anwendbar sein, da dies nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift entspricht.[35] § 828 II BGB soll so teleologisch zu reduzieren sein, dass der Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkt ist, in denen sich eine „typische Überforderungssituation eines Kindes aufgrund kraftfahrzeugspezifischen Verkehrs“ verwirklicht hat.[36]
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Zur Bestimmung der Bedeutung einer Regelung gibt es vier seit langem anerkannte Erkenntnismittel: den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), den Regelungszusammenhang (systematische Auslegung), die Normgeschichte (historische oder genetische Auslegung) und den Normzweck (teleologische Auslegung). Die teleologische Reduktion ist ein Unterfall der teleologischen Auslegung. Ziel der teleologischen Auslegung ist es, den Regelungszweck einer Vorschrift zu ermitteln und das Normverständnis zur Geltung zu bringen, das diesen Zweck bestmöglich verwirklicht. Bei der teleologischen Reduktion handelt es sich um einschränkende Auslegung. Ein vom Wortlaut erfasster Fall wird aus dem Anwendungsbereich der Norm herausgenommen, weil er kein entsprechendes Regelungsbedürfnis auslöst.[37]
Es ging dem Gesetzgeber bei § 828 II BGB um den Schutz der Minderjährigen vor Gefahren des motorisierten Verkehrs, dessen Gegebenheiten Kinder aufgrund weniger ausgeprägter Abschätzungsfähigkeit für Entfernung und Geschwindigkeiten nicht in gleicher Weise wahrnehmen und handhaben können, wie dies ältere Jugendliche oder Erwachsene zu tun vermögen.
Neuere Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2007[38] lassen Zweifel aufkommen, ob die Rechtsprechung diese Einschränkung wieder aufweichen möchte. Der BGH befürwortet eine Haftungsprivilegierung des Kindes nämlich unabhängig davon, ob sich die Überforderungssituation konkret auswirkt und hält alleine die Altersgrenze für maßgeblich.[39] Allerdings bezieht der BGH dies in den fraglichen Entscheidungen ausdrücklich auf den Bereich des motorisierten Verkehrs. Die vorherigen Entscheidungen, die eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 828 II 1 BGB befürworten, bleiben unwidersprochen.[40]
Die teleologische Reduktion erscheint auch richtig. Zwar gehören parkende Fahrzeuge zum Verkehr. Für das Verhalten der R ist es jedoch unerheblich, ob in dem Innenhof ein Kraftfahrzeug stand oder ein anderer Gegenstand, den R ebenso beschädigt hätte, wenn sie mit ihrem Fahrrad daran „vorbeigeschrammt“ wäre.
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Die Verschuldensfähigkeit könnte trotzdem zu verneinen sein – aufgrund der allgemeinen Regelung für Minderjährige in § 828 III BGB. Danach ist „wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, …, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat“.
Das Risiko einer Beschädigung der parkenden Fahrzeuge bei freihändigem Fahren in unmittelbarer Nähe abgestellter Fahrzeuge, ist objektiv nicht unerheblich. Die Sorgfaltsanforderungen sind allerdings nach den im jeweiligen Fall maßgeblichen Umständen zu bestimmen. Hierzu zählt insb. der Verkehrskreis, dem der Handelnde angehört.[41] Der Verkehrskreis der neunjährigen R ist durch ihre Altersgruppe vorgegeben. Bzgl. der Fahrlässigkeitsmerkmale, insb. Vorhersehbarkeit der Gefahr, Vermeidbarkeit des schädigenden Ereignisses und auch Zumutbarkeit des Verhaltens, ist nicht auf die individuellen Fähigkeiten des Kindes abzustellen, sondern darauf, ob ein normal entwickeltes Kind dieses Alters die Gefährlichkeit dieses Tuns voraussehen und dieser Ansicht gemäß hätte handeln können.[42]
R konnte als Neunjährige die Gefahr des freihändigen Fahrens möglicherweise schon einschätzen. Jedoch muss auch das Verhalten des K berücksichtigt werden. K ist erwachsen und wurde von den Eltern der R als Aufsichtsperson bestimmt. Er hat R nicht von ihrem Verhalten abgehalten, sondern sie sogar dazu ermuntert, freihändig Rad zu fahren, indem er ihre Geschicklichkeit lobte. Es entspricht dem normalen Verhalten einer Neunjährigen, dass sich diese auf den Ratschlag des sie beaufsichtigenden Erwachsenen verlassen darf und muss.
Hier kann auch eine Parallele zu den Fällen gezogen werden, in denen ein Laie bei einem Fachmann einen – falschen – Rat bzgl. notwendiger Sicherungsmaßnahmen eingeholt hat. In solchen Fällen verneint der BGH eine Sorgfaltspflichtverletzung gewöhnlich.[43] Es erscheint daher besser vertretbar, die Verschuldensfähigkeit der R und zugleich jede Sorgfaltspflichtverletzung abzulehnen.
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Ergänzender Hinweis:
Wer eine Fahrlässigkeit der R dagegen – vertretbar – bejaht und auch die Anwendung des § 828 II und III BGB ablehnt, muss den Schaden prüfen. Die Formulierung im Sachverhalt weist darauf hin, dass es sich nicht um eine überzogene Forderung handelt. Eine fachmännische Reparatur kann in der Regel verlangt werden.[44]