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II. Ansprüche des B gegen K 1. Anspruch auf Schadensersatz aus § 832 II BGB
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B könnte einen Anspruch gegen K aus § 832 II BGB haben. § 832 BGB begründet eine Haftung in allen Fällen deliktischen Handelns des Aufsichtsbefohlenen und gilt damit für sämtliche Deliktstatbestände.[46] Nach Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 ist jemand, der die Aufsicht über einen Minderjährigen durch Vertrag übernimmt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die zu beaufsichtigende Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Haftung nach § 832 BGB ist als Haftung für vermutetes Aufsichtsverschulden ausgestaltet.[47]
Gesetzliche Vermutungen helfen über Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung hinweg. Grundsätzlich müssen die Parteien im Zivilprozess das vortragen und im Bestreitensfall beweisen, was für sie günstig ist. Durch eine Vermutung erleichtert das Gesetz den sonst notwendigen Nachweis, indem das, was dargelegt und bewiesen werden müsste, bei Vorliegen gesetzlich festgelegter Umstände unterstellt wird. Vermutungen können widerlegbar oder unwiderlegbar sein. Während eine unwiderlegbare Vermutung dem Gegenbeweis unzugänglich ist, steht es dem Gegner bei der widerlegbaren Vermutung offen nachzuweisen, dass die gesetzliche Vermutung nicht zutrifft.
§ 832 BGB beinhaltet zwei Vermutungen: 1) dass der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hat und 2) dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht.[48] Der Geschädigte muss lediglich vortragen und im Bestreitensfall beweisen, dass der Minderjährige ihm einen widerrechtlichen Schaden zugefügt hat und die Aufsichtspflicht des Anspruchsgegners während dieser Zeit bestand.
K hat sich durch Vertrag mit den Eltern der R, die als Inhaber der Personensorge nach § 1626 BGB die gesetzlich verpflichteten Aufsichtspersonen sind, zur Übernahme der Aufsicht verpflichtet. Bei dem „Babysittervertrag“ handelt es sich um einen Dienstvertrag oder eine entgeltliche Geschäftsbesorgung – die genaue Natur des Vertragstypus kann hier dahinstehen und bedarf keiner Ausführungen. Entscheidend ist lediglich, dass R dem B einen rechtswidrigen Schaden zugefügt hat, während K sie auf Grundlage des Vertrags mit ihren Eltern zu beaufsichtigen hatte.
Die Aufsichtspflichtverletzung des K wird somit vermutet. K kann dem Anspruch des B gemäß Absatz 1 Satz 2 entgehen, wenn er belegt, dass er seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist – also die vermutete Aufsichtspflichtverletzung nicht vorliegt – oder dass der Schaden auch entstanden wäre, wenn er die R ordnungsgemäß beaufsichtigt hätte, d. h. die vermutete Kausalität fehlt.
Dies wird ihm jedoch nicht gelingen, da seine Pflichtverletzung sogar objektiv feststeht. K hat seine Aufsichtspflicht zum einen dadurch verletzt, dass er R ermuntert hat und zum anderen durch seine Unachtsamkeit.[49] Die Aufsichtsmaßnahme war K ohne Weiteres zumutbar.[50] Bei ordnungsgemäßer Aufsichtsführung hätte das freihändige Fahren der R in der Nähe des geparkten Fahrzeugs jederzeit unterbunden und der Unfall verhindert werden können. Ein Ausschluss der Ersatzpflicht kommt demnach weder wegen Fehlens der Aufsichtspflichtverletzung noch wegen fehlender Kausalität in Betracht.