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e) Mitverschulden

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Das grobe, selbstschädigende Fehlverhalten des A ist bei der Frage nach seinem Mitverschulden in Anschlag zu bringen (§ 254 BGB). Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des A ist zumindest erheblich zu mindern. Es könnte sogar erwogen werden, ob sein eigener Verursachungsbeitrag so stark wiegt, dass er zu einem gänzlichen Ausschluss des Anspruchs führt.[33]

Selbstgefährdungen bzw. -schädigungen sind nicht verboten (Argument: § 903 BGB). Deshalb ist der Begriff des Verschuldens in § 254 BGB anders auszulegen als im üblichen Sinne des § 276 BGB. Es geht nicht um die vorwerfbare rechtswidrige Verletzung einer gegenüber anderen bestehenden Rechtspflicht, sondern um einen vorwerfbaren Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessen (so genannte Obliegenheiten). Man spricht deshalb im Zusammenhang mit § 254 BGB von einem Verschulden gegen sich selbst.[34] Der Geschädigte ist mitverantwortlich, wenn er in zurechenbarer Weise an der Schadensentstehung mitgewirkt hat. In erster Linie sind insoweit die Verursachungsbeiträge der Beteiligten gegeneinander abzuwägen.

A hat den weitaus schwerer wiegenden Beitrag zur Schadensentstehung geleistet. Daneben ist eine Verschuldensabwägung vorzunehmen, wobei wiederum A die Hauptlast trifft. Er hat Zeitungen vor den Warmluftschacht gelegt, dazu eine Plastiktasche. Schon allein dadurch entsteht eine gewisse Brandgefahr. Vor allem aber befanden sich in seiner Tasche Streichhölzer und Feuerwerkskörper, die sodann explodierten und nach aller Wahrscheinlichkeit den Umfang der Verletzungen um ein Vielfaches steigerten.

Ein Mitverschulden nach § 254 BGB setzt aber in entsprechender Anwendung des § 827 BGB auch die Zurechnungsfähigkeit des Geschädigten voraus.[35] Eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit, die zum Ausschluss der Zurechnungsfähigkeit führen würde, wird nach ständiger Rechtsprechung freilich erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 3 Promille angenommen.[36] Es handelt sich hierbei nicht um eine starre Grenze. Für einen Ausschluss schon bei 2,5 Promille müssten aber besondere Anhaltspunkte im Sachverhalt vorhanden sein. A hätte dann ersichtlich stärker auf den konsumierten Alkohol reagiert haben müssen, insb. weit stärker, als ein durchschnittlicher Konsument. Dafür sind im Sachverhalt – trotz des tragischen Unfallhergangs – keine ausreichenden Anzeichen ersichtlich.

Auch dann, wenn man von einer fehlenden Zurechnungsfähigkeit ausginge, wäre ein Mitverschulden im Ergebnis zu bejahen. Man stellt sinngemäß auf § 827 S. 2 BGB ab. Da A sich vorsätzlich betrank, ist der Zustand der Trunkenheit unerheblich. Der Gruppenzwang auf der Feier entlastet ihn keinesfalls.

Zu diskutieren bleibt das Ausmaß des Mitverschuldens. Die genaue Festlegung der Mitverschuldensquote bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Jedenfalls dürfte diese keinesfalls 50% unterschreiten, ohne weiteres wären Quoten von 75%, 80% womöglich gar 90% denkbar. Ein Ausschluss der Haftung aufgrund des Mitverschuldens (Mitverschulden von 100%) erscheint hingegen nicht unbedenklich.

Hinweis für die Fallbearbeitung:

Für Studierende ist es meist schwierig, eine genaue Mitverschuldensquote anzugeben. Wichtig ist, dass bei Festlegung der Quote möglichst alle Gesichtspunkte argumentativ dargelegt werden. Dann kann ein Korrektor nachvollziehen, welche Erwägungen dazu veranlasst haben, eine bestimmte Quote auszuwählen. Von vielen Prüfern im 1. Examen wird aber nicht einmal erwartet, dass die Bearbeiter eine bestimmte Quote beziffern.

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