Читать книгу Die Geschichte der Menschheit - Ulrich Offenberg - Страница 23
Israel
ОглавлениеVon den antiken Chronisten zunächst kaum beachtet, lebte ein bedeutungsloser, bettelarmer Volksstamm im Nahen Osten: Die Juden. Dabei hat die Geschichte des jüdischen Volkes einen besonderen Stellenwert, und das gleich aus mehreren Gründen: Juden sind ein besonders aussagestarkes Beispiel für die Quantität-Qualität-Relation: Ihre enorme Wirkung erzielten sie mit geringer Quantität, sprich Bevölkerungszahl. Die längste Zeit ihrer 3000-jährigen Geschichte gab es gar keinen Staat.
Als erstes Buchvolk der Weltgeschichte sind ihre Anfänge zugleich Teil der Heilsgeschichte für die drei monotheistischen Offenbarungsreligionen, die alle vom „Heiligen Land“ oder in unmittelbarer Nähe ihren Ausgang nahmen. Die Bibel ist daher noch immer wichtige Quelle zur Rekonstruktion jüdischer Geschichte. Gleichgültig, ob sie sich historisch und objektiv tatsächlich so abspielte oder ob sie, durch spätere schriftliche Fixierung mündlicher Überlieferungen redigiert und stilisiert, subjektiv als wahr interpretiert und geglaubt wurde.
Ursprünglich waren die Vorfahren der alten Juden semitische Nomaden, die aus dem Umland von Ur unter dem legendären Stammvater Abraham nach Kanaan eingewandert waren. Dort blieben sie kleinviehzüchtende Nomaden, die im saisonalen Zyklus weiträumiger Wanderungen Weidegründe und Wasserquellen aufsuchten. Ihre nächste Entwicklungsstufe zu Hebräern hängt am plausibelsten mit dem Habiru-Komplex des Alten Orients zusammen: Habiru waren deklassierte, entwurzelte Unterschichten aus den Gesellschaften der Sesshaften. Zum Überleben schlossen sich die Ausgestoßenen zu Banden zusammen, die zwischen den großen Kulturzentralen des Alten Orients wanderten, gefürchtet als wahre Landplage.
In Dürrejahren kamen Gruppen von Habiru, dazu auch noch andere Nomaden, die sich von Abraham und seinen Nachfahren ableiteten, nach Ägypten. Vermutlich zur Zeit der Hyksos. Nach dem Sturz der Hyksos sanken sie im Neuen Reich zu Zwangsarbeitern herab und forderten unter ihrem Führer Moses, der am Hof des Pharaos aufgewachsen war, um 1250 v. Chr. den Auszug aus Ägypten. Ihre Landnahme Kanaans als Bund von zwölf Stämmen mit einem mobilen Heiligtum, der Bundeslade, vollzog sich gemeinsam mit Bauern aus Syrien und brachte sie in Konfrontation mit den Philistern, einem Volk, das im Zuge des so genannten „Seevölkersturms“ am Ende des 2. Jahrtausends nach Palästina gelangt war.
„Und das ganze Volk zog nach Gilgal, und sie machten dort Saul zum König vor Jahwe in Gilgal.“ Mit diesen Worten berichtet das 1. Buch Samuel von der Einführung des Königtums in Israel kurz vor der Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend v. Chr.. Israel trat nunmehr als Reich in Erscheinung und überwand seine bisherige Existenzform als lockerer Verbund von zwölf Stämmen, der nur im Kriegsfall unter der Leitung von charismatischen Heerführern oder Richtern gemeinsam agierte.
Dem Juden Saul war es gelungen, als Führer des aus den verschiedenen israelitischen Stämmen erhobenen Heerbanns, den Ammoniterkönig Nahasch zu besiegen. Lange hatten sich die israelitischen Stämme dagegen gesträubt, ein Königreich zu errichten, denn als König galt allein ihr Gott Jahwe. Doch gegen die zunehmende Bedrohung der Philister konnten sich die israelitischen Stämme nur durch geschlossenen und beständigen Widerstand behaupten.
Dem Königtum Sauls gehörten wohl zunächst die von der Philister-Bedrohung am unmittelbarsten betroffenen nordisraelischen Stämme an, die später das Nordreich Israels bildeten. Bald darauf stieß auch der starke Stamm Juda dazu, auf den das spätere Südreich Juda zurückging. Eine Verwaltungsstruktur mit einem leistungsfähigen Beamtenapparat – wie später unter den Königen David und Salomo – gab es unter Saul noch nicht. Auch eine Residenz wurde, abgesehen von einer Saul zugeschriebenen kleineren Königsburg in Gibea, erst im Davidischen Jerusalem eingerichtet.
Saul vertrieb zwar die Philister aus den israelischen Gebieten, ein endgültiger Sieg gelang ihm aber nicht. Dazu war das Königtum noch nicht gefestigt genug. Das Heer Sauls wurde in der Schlacht bei Gilboa geschlagen, und Saul beging daraufhin Selbstmord. Nicht zuletzt scheint die Konkurrenz durch den jungen und militärisch erfolgreichen Gefolgsmann David für den Untergang Sauls verantwortlich zu sein. David zog immer mehr die Bewunderung der Israeliten auf sich.
Nach Sauls Tod wurde der junge, strahlende Held in Hebron König über den Stamm Juda, bei dem er durch eine kluge Politik zu Ansehen gelangt war. Nach dem Tod Ischbaals, eines Sohnes Sauls, der König über die mittel- und nordpalästinischen Stämme geworden war, trugen auch die Ältesten dieser Stämme David die Königswürde an. So vereinte er schließlich um 1000 v. Chr. alle israelitischen Stämme unter seiner Krone und konnte an die Sicherung sowie an den Ausbau seiner Herrschaft gehen. Er eroberte die strategisch wichtige Stadt Jerusalem, die auf der Grenze zwischen Israel und Juda lag, und baute sie zur Residenz aus.
Eindrucksvolle Siege über die Philister, die Moabiter, Aramäer, Edomiter und Syrer sicherten ihm bald die Oberherrschaft über ganz Palästina. König David dehnte sein Herrschaftsgebiet bis nach Mesopotamien aus. Die internationale Machtkonstellation war dabei für ihn sehr günstig: Das Hethiterreich war um 1200 untergegangen, die Ägypter geschwächt, die mesopotamischen Reiche mit sich selbst beschäftigt. So entstand ein Machtvakuum, das Israel ausfüllen konnte.
Unter Davids Sohn Salomo erlebten die vereinigten Reiche eine Blüte. Salomo suchte friedliche Beziehungen mit Ägypten und schloss ein Bündnis mit den Phönikiern, das einen groß angelegten Arabienhandel ermöglichte. Der neu erbaute Tempel in Jerusalem war Ausdruck der Pracht des salomonischen Königtums. Kunst und religiöse Literatur wurden geschätzt. Die legendäre Königin von Saba soll Salomo in Jerusalem besucht haben.
Von seinen Zeitgenossen gerühmt wird die Weisheit des Königs bei der Lösung schwieriger Rechtsprobleme wie bei der Frage der rechtmäßigen Mutterschaft im Ersten Buch der Könige.
„Damals kamen zwei Weiber,“ heißt es da, „Huren, zum König und stellten sich vor sein Antlitz.“
Das eine Weib sprach: „Ach mein Herr! Ich und dieses Weib sind ansässig in einem Haus, ich habe in ihrem Beisein geboren, am dritten Tag aber nach meinem Gebären geschahs`, dass auch dieses Weib gebar. Wir waren allein, kein Fremder im Haus, nur wir zwei. In der Nacht war der Sohn dieses Weibes tot, weil sie auf ihm gelegen hatte. Sie erhob sich mitten in der Nacht und holte meinen Sohn von meiner Seite weg, während deine Magd schlief, und legte ihn an ihren Busen. Ihren Sohn aber, den toten, legte sie an meinen Busen! Als ich nun gegen Morgen mich erhob, meinen Sohn zu säugen, da: ein Totes. Als ich ihn aber beim Morgen genau unterscheiden konnte, da war es mein Sohn nicht, den ich geboren hatte!“
Das andere Weib sprach: „Nein! Sondern das Tote ist Dein Sohn und das Lebendige ist mein Sohn!“ So redeten sie vor dem Antlitz des Königs.
Der König sprach: „Die spricht: Das Lebendige hier ist mein Sohn, und das Tote ist Dein Sohn. Und die spricht: Nein, sondern das Tote ist dein Sohn und das Lebendige ist mein Sohn.“ Und der König sprach: „Holt mir ein Schwert!“ Sie brachten das Schwert vor das Antlitz des Königs. Der König sprach: „Haut das lebende Kind entzwei, gebt der die Hälfte und der die andere Hälfte!“
Aber das Weib, dessen Sohn das Lebendige war, sprach zum König, denn ihr Eingeweid` erglühte um ihren Sohn. Sie sprach: „Ach mein Herr! Gebt das Kindlein ihr, aber töten, nimmer dürft ihr es töten!“
Jene jedoch sprach: „So mein so dein solls nichts werden, zerhaut`s!“
Der König entgegnete: „Gebt jener das lebende Kindlein, die mit: Töten, nicht dürft ihr es töten, sie ist seine Mutter.“ Alle in Israel, sie hörten das Gericht, das der König gerichtet hatte und sie erschauerten vorm Antlitz des Königs, denn sie sahen, dass Gottesweisheit in seinem Innern war, Recht darzutun.“
Nach Salomos Tod um 926 vor Chr. zerfiel jedoch die Personalunion, nicht zuletzt infolge mangelnden politischen Geschicks der Söhne des legendären Herrschers.