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Die Achsenzeit

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Längs der sich entfaltenden Achse einer sich zivilisierenden Welt, vom Fernen Osten bis zum damaligen Fernen Westen, waren Entwicklungen parallel, aber unabhängig voneinander gediehen. Religionsstifter und Philosophen traten auf, deren Wirken bis heute bei vielen Völkern gegenwärtig ist.

Im alten Persien war es Zarathustra, in Griechenland veränderten die Naturphilosophen das Denken, in Indien der Fürstensohn Buddha und in China der Gelehrte Konfuzius. Die Juden wurden durch die Reformen von Esra und Nehemia religiös stabilisiert. Der deutsche Philosoph Karl Jaspers hat dieses auffällige Zusammentreffen welthistorisch überragender Entwicklungen als „Achsenzeit“ zusammengefasst.

Sie ist schon deshalb bemerkenswert, weil sie die Grundlagen für die großen Zivilisations- und Machtzentren der Alten Welt legt. Im Alten Westen fügten erste Hochreligionen dem aristotelischen Begriff der Qualität eine weitere, religiöse Dimension hinzu. Bewusstsein oder Anspruch, für das Gute zu kämpfen und von Gott auserwählt zu sein, konnte ungeahnte Energien freisetzen und zu außergewöhnlichen Taten beflügeln. Gerade die monotheistischen Hoch- und Weltreligionen – Judentum, Christentum, Islam – in ihren verschiedenen Varianten konnten das objektive Machtpotential von Völkern und Staaten durch göttliche Sanktionierung ihres subjektiven Selbstverständnisses dramatisch steigern.

Ausgangspunkt zu den tief greifenden Änderungen der Achsenzeit waren religiöse Krisen. In China ausgelöst durch den Jahrhunderte lang andauernden Zerfall des Reiches, der auch Rückwirkungen auf den Bereich der Religion hatte. In solchen Krisenzeiten traten Religionsstifter, Neuerer oder Reformer auf, um neue Grundlagen für ihre jeweiligen Gesellschaften zu legen.

Zarathustra wandte sich vermutlich um 560 v. Chr. gegen die traditionellen blutrünstigen Tieropfer seiner halbwegs sesshaft gewordenen iranischen Stammesgesellschaften in Medien am nördlichen Rande des späteren Persien. Seine Spiritualisierung des Gegensatzes zwischen Licht und Finsternis, Gut und Böse wies erstmals den Dualismus als Grundlage aller späteren Fundamentalismen auf. Staatsreligion wurde der Zoroastrismus im Gebiet des heutigen Iran erst 800 Jahre später, hatte aber sofort eine beträchtliche Auswirkung als Oppositionsreligion im Meder- und Perserreich, mit Ausstrahlungen auf den ausgehenden Alten Orient.

Mit dem so genannten „Kyros-Edikt“ von 538 v. Chr. erlaubte Kyros II. die Rückkehr der Juden nach Jerusalem und gewährte ihnen, erstmals in der Geschichte überhaupt, religiöse Autonomie. Die Priester Esra und Nehemia nutzten die neue Freiheit, um die jüdische Religion durch zwei große Reformschübe um 500 v. Chr. auf ihre noch heutige gültigen Grundlagen zu stellen, Die Juden hatten in der Babylonischen Gefangenschaft schon den aus Persien kommenden Dualismus aufgenommen und spitzten später den in ihm enthaltenden Endkampf zwischen Gut und Böse zur Apokalypse, den Endkampf des Messias zur Rettung des jüdischen Volkes, zu. Als spezifische Varianten gingen diese Vorstellungen später auch auf Christentum und dem Islam über.

Wie in Persien agierte Buddha gegen die Schlachtorgien indischer Stammesreligionen, aber auch gegen die politische Hegemonie, die das Aufkommen des Maghada-Reiches, um 540 v. Chr., des ersten indischen Großreiches, auf kleinere Königreiche am Rande des Himalaya ausübte. Buddha gab der indischen Suche nach dem Seelenheil im Jenseits seine ganz persönliche Form und wurde so Gründer der ersten Weltreligion, des Buddhismus. Heute besteht er, nach seiner Verdrängung durch den Islam im 13. Jahrhundert beziehungsweise durch seine krisenhafte Umgestaltung zum Hinduismus in Indien selbst, vor allem nur noch außerhalb Indiens.

Ganz im Gegensatz zu Buddha in Indien wirkte um dieselbe Zeit in China Konfuzius. Er reagierte auf die Jahrhunderte lange Fragmentierung Chinas seit dem Niedergang der Chou-Dynastie -ab 771 v. Chr. Mit seiner Lehre der pragmatischen Pflichterfüllung im Dienste des sich einigenden Reiches erhob er seinen philosophischen Pragmatismus gleichsam zur Staatsreligion Chinas. Schon bald nach der Reichseinigung unter der ersten Kaiserdynastie Chinas, der Ch`in-Dynastie, wurde der Konfuzianismus geistige Grundlage des ausschließlich diesseitig orientierten Verwaltungs- und Machtstaates China.

Der tiefen inneren Krise des alten Griechenland im Übergang von der archaischen zur klassischen Phase, die mit dem Übergang zur Geldwirtschaft zusammen hing, gaben die griechisch-ionischen Naturphilosophen 500 v. Chr. eine säkularisierte und individualisierte Wendung – zum ersten Mal in der Weltgeschichte. Zugleich wirkte sich die zivilisatorische Überlegenheit des Ostens aus. Daher stammten die frühesten und stärksten intellektuellen Köpfe der griechischen Klassik aus Ionien, also dem seit 500 Jahren griechisch gewordenen Westrand Kleinasiens. Ihre überragende Leistung bestand darin, erstmals eine Welterklärung ohne Götter zu wagen, womit sie zugleich Grundlagen der westlichen Philosophie wie der Naturwissenschaften legten.

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