Читать книгу Das dreizehnte Sternbild - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 12
ОглавлениеPolizeiadjutant Roger Høibakk kam ins Zimmer geschlendert und ließ sich in den freien Sessel neben Cato Isaksen fallen. Hauptkommissarin Ingeborg Myklebust saß auf der anderen Seite des ovalen Eichentisches. Sie war 48 und fast eins achtzig groß. Eigentlich eine gutaussehende Frau mit vollen, rötlichen Haaren, die an den Haarwurzeln fast unmerklich zu ergrauen begannen. Sie war fast immer elegant und schlicht gekleidet, meistens trug sie Kleider oder Röcke. Cato Isaksen hatte zu ihr eine etwas angespannte Beziehung. Ihre Autorität war in ihm zu einem See geworden. Zu einem wütenden, tiefen See. Ingeborg Myklebust schaute gereizt auf, als Roger sich in den Sessel fallen ließ. »Fünf Minuten zu spät«, bemerkte sie und nahm ihre Brille ab. Roger nickte kurz, was »tut mir leid« bedeuten sollte, und setzte sich etwas weniger bequem.
»Wir fassen jetzt erst einmal alles kurz zusammen«, sagte die Hauptkommissarin, die sich über Rogers übliches Zuspätkommen sichtlich ärgerte. »Ich gehe davon aus, daß ihr schon heute nachmittag mehr zu kauen haben werdet. Der Obduktionsbericht liegt natürlich noch nicht vor«, sagte sie dann mit ihrer formellen Stimme, »aber ich gehe davon aus, daß der Mann aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar nach dem Stich in den Kehlkopf gestorben ist.« Roger Høibakk nickte bestätigend, Cato Isaksen unterdrückte ein Gähnen.
»Außerdem sind ihm drei tiefe Stichwunden im Brustbereich zugefügt worden«, sagte die Hauptkommissarin. »Ellen Grue von der Technik hat mir telefonisch mitgeteilt, daß sie die Tatwaffe noch nicht gefunden haben.«
Cato Isaksen nickte zur Bestätigung. »Das stimmt«, sagte er. »Haus, Keller, Dachboden und Hinterhof sowie die Mülltonnen in der nächsten Umgebung sind durchsucht worden. Leider bisher ohne Ergebnis.«
Ingeborg Myklebust nickte ernst. »Die VG hat einen kurzen Artikel über die Sache, zum Glück ohne Namen«, sagte sie. »Die vorläufigen Ergebnisse vom Tatort werden in einigen Tagen vorliegen. Die Kripo bekommt das Material, um die Fingerabdrücke zu überprüfen. Bestenfalls«, sagte sie mit Betonung auf »best«, »haben wir den Bericht in einer guten Woche.«
»Letztes Mal hat es vierzehn Tage gedauert«, entgegnete Cato Isaksen.
»Das weiß ich wohl«, erklärte Ingeborg Myklebust. »Und stimmt es, daß seine Frau noch nicht wieder aufgetaucht ist?«
Cato Isaksen nickte. »Weder die Nachbarin von gegenüber noch Bergliot Behrens, die alte Dame im Erdgeschoß, wissen, wo sie und die beiden Kinder sich befinden. Die Briefe im Briefkasten waren übrigens auch nicht sehr aufschlußreich«, fügte er hinzu. »Sie soll ihr Abonnement irgendeiner Modezeitschrift bezahlen, für ihn gab es den Hinweis auf einen Termin, eine Rechnung und Reklame.«
»Wir kommen nicht viel weiter, solange seine Frau verschwunden bleibt. Habt ihr noch mit anderen Nachbarn gesprochen?« fragte die Hauptkommissarin und machte sich auf einem Block Notizen.
»Ja«, wieder nickte Cato Isaksen. »Roger hat gestern eine Runde durch den ganzen Block gedreht. Offenbar hatte niemand näheren Kontakt zur Familie Therkelsen.« Roger Høibakk fügte hinzu: »Niemand wußte, daß Cheryl Therkelsen verschwunden ist oder wo sie sich aufhalten kann. Sie hat sich in ihrer Umgebung nie besonders bemerkbar gemacht.«
»Thorsen und Billington waren gestern bei der Computerfirma, wo der Verstorbene gearbeitet hat«, sagte Cato Isaksen. Aber Ingeborg Myklebust hörte nicht zu. Sie sah geistesabwesend aus. Sie erhob sich und zog aus den überfüllten Regalen vor der einen Querwand einen Ordner. An der einen Wade hatte sie eine Laufmasche. Auf ihre energische Weise wirkte diese nicht mehr junge Frau für Cato Isaksen anziehend. Ihre runden Waden erinnerten ihn an Bente.
»Hatten wir nicht vor zwei Monaten einen ähnlichen Fall?« murmelte sie, setzte sich und legte den Ordner vor sich auf den Tisch. Sie schlug ihn auf. »Das ist mir letzte Nacht eingefallen.« Sie lächelte kurz. Sie schaute ihre Kollegen über den Brillenrand hinweg an und blätterte rasch weiter. »In Groruddalen«, sagte sie und zog sich ein Haar aus dem Mund. »Dieser Ausländer, ihr wißt schon, der Pakistani. Bashir Khan. Der mit dem kleinen Laden in der Urtegate.«
Cato Isaksen zeigte durch ein Nicken, daß er sich an den Fall erinnerte. Er begriff allerdings noch nicht, was beide Fälle miteinander zu tun haben sollten.
»Dafür sind Thorsen und Billington zuständig«, sagte er. »Ich glaube, die kommen nicht weiter.«
»Das ist mir bekannt«, sagte Ingeborg Myklebust. »Dieser Khan ist auf dieselbe Weise umgebracht worden wie Therkelsen, durch drei tiefe Messerstiche im Brustbereich. Und danach wurde ihm die Kehle durchgeschnitten. Laut Obduktionsrapport hat es mit den Stichen in die Brust angefangen.«
»Ausländer und Messerstechereien. Das ist nun wirklich keine besonders originelle Kombination«, sagte Roger Høibakk. »Die gehen wohl davon aus, daß es sich um eine interne Auseinandersetzung gehandelt hat?«
Die Hauptkommissarin schüttelte den Kopf. »Sie gehen bisher von gar nichts aus«, sagte sie. »Wir haben noch niemanden verhaftet. Redet mal mit Thorsen und Billington, und vergleicht die beiden Fälle miteinander. Wir sprechen nachher weiter«, endete sie und erhob sich. Als sie schon längst gegangen war, hing noch immer der säuerliche Duft ihres Parfüms in der Luft.