Читать книгу Das dreizehnte Sternbild - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 6
ОглавлениеDas Holz sah so lebendig aus. Zwei Astlöcher wurden zu Fuchsaugen. Der Junge fuhr vorsichtig mit dem Finger darüber. Das Mädchen preßte ihre Wange an den Türrahmen und betrachtete den unordentlichen kleinen Haufen aus Zeitungen auf der Fußmatte. Der Junge bückte sich und lugte durch den Briefschlitz in der dunkelbraunen Eichentür. Er hob den glitzernden Deckel hoch und schaute in die Wohnung, da niemand aufmachte, wenn er klingelte, weil er mit Tina und John spielen wollte.
»Ich kann einen Toten sehen«, sagte er aufgeregt. »Echt wahr.«
»Nee«, sagte das Mädchen und stupste den Jungen in den Rücken. »Geh weg, laß mich mal gucken!«
»Ich will auch gucken. Und ich hab’s zuerst gesehen. Nicht du. Ich!«
Der Junge zerrte am Pullover des Mädchens, wollte sie wegschieben. »Ich muß mal sehen, ob ich den kenne, ob das der Vater ist.«
»Das ist der Vater, das seh’ ich an seiner Hose«, sagte das Mädchen und fuhr sich über die blonden Haare.
Der Junge schnitt eine zahnlose Grimasse, dann bückte er sich wieder und steckte die Finger durch den Briefschlitz.
»Da drin ist auch Blut, echtes Blut, aber das ist braun.«
»Wir müssen Bescheid sagen«, sagte das Mädchen, als der Junge seine Finger so ruckhaft aus dem Schlitz zog, daß der sich mit einem leise singenden Geräusch schloß.
Das Frühlingslicht fiel durch die hohen Buckelglasfenster und ließ die Treppenstufen dicht bei der Wand heller aussehen. Aber im grauen Treppenhaus mit der braunen Treppe war es trotzdem kühl.
»Das ist vielleicht ein Geheimnis«, sagte der Junge und bückte sich zum dritten Mal. Als er gerade die Finger wieder in den Briefschlitz schob und den länglichen Messingdeckel nach innen preßte, klingelte in der Wohnung das Telefon. Der Junge riß so schnell seine Hand zurück, daß er sich an der Metallkante schnitt und anfing zu bluten.
Das Mädchen lief bereits die Treppe hinunter. »War jemand in der Wohnung?« fragte sie mit tränenerstickter Stimme. »Wollte dir da jemand was tun, oder wie?«