Читать книгу Das dreizehnte Sternbild - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 14

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Am Freitagmorgen fanden sie sich wieder am Tatort ein. Diesmal war Bergliot Behrens viel weniger zuvorkommend. »Ich möchte wirklich in nichts hineingezogen werden.« Ihr Lächeln wirkte falsch. »Ich habe gestern mit meiner Tochter gesprochen, und die sagt, ich sollte an mich denken und mich in nichts hineinziehen lassen. Ich will doch weiter hier wohnen.« Jetzt lächelte sie nicht mehr.

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Cato Isaksen und lehnte höflich ab, als sie ihm wieder Kaffee und Biskuitkuchen anbot. Der bloße Gedanke an den Kuchen vom letzten Mal, der vor Tagen schon alt geworden war, ließ ihn schaudern.

»Können wir uns einen Moment setzen?« fragte Roger Høibakk und fügte rasch hinzu, daß es nur um ein weiteres informelles Verhör ging, um ein Gespräch.

Die schweren weinroten Vorhänge waren sorgfältig vor die Tür zum kleinen Wohnzimmer gezogen worden. »Wenn Sie nichts dagegen haben«, fügte er hinzu und öffnete die Vorhänge dabei langsam. »Wir können Sie natürlich auch zu einem formellen Verhör auf die Wache bestellen, wenn Ihnen das lieber ist, gnädige Frau.« Cato Isaksen mußte sich einfach darüber ärgern, daß Roger Høibakk die alte Frau mit »gnädige Frau« anredete. Er fand, sie habe das auf irgendeine Weise nicht verdient. Er hatte das Gefühl, daß sie sich verstellte und irgendeine Rolle spielte, die er nicht durchschauen konnte.

Es war deutlich, daß Bergliot Behrens die informelle Variante vorzog. Sie wurde sofort umgänglicher.

Sie setzten sich auf dieselben Plätze wie beim letzten Mal. Das lange, grünliche Sofa war zu weich zum Sitzen. Cato Isaksen ließ seinen Blick auf einem Staubwirbel ruhen, der in der Sonne neben den schweren Samtportieren tanzte. Die Möbel waren alt, aber nicht alt genug, um als Antiquitäten durchzugehen. Das ganze Zimmer wirkte irgendwie abgenutzt. Ein altes Zeitungsbild, das zwei Männer vor einer Palme zeigte, steckte in einem braunen, abgegriffenen Rahmen. Er betrachtete die Gegenstände auf der Kommode. Lauter Tand. Ein Glaslamm mit einer blauen Schleife, eine Porzellanfigur, die eine Frau mit Regenschirm und langem gelben Kleid darstellte, einen Korb mit verwelkten Blumen, die sicher wie getrocknete aussehen sollten. Cato Isaksen musterte auch die alte Dame. Sie sah erschöpft aus. Er hatte plötzlich das vage Gefühl, daß in diesem Wohnzimmer etwas fehlte. Er wußte nicht, was, wenn sein Gefühl überhaupt zutraf. Sein Blick glitt weiter über noch mehr Porzellanfiguren auf dem runden Tischchen neben dem Fernseher. Sie waren von einer dünnen Staubschicht bedeckt. Er sah die Familienbilder an der Wand, die vielen alten Illustrierten im niedrigen Bücherregal. Was hatte Bente noch vor zwei Jahren gesagt, als sie sein Verhältnis zu Sigrid entdeckt und ihn vor die Tür gesetzt hatte? Du hast keinerlei Intuition, hatte sie gesagt. Und ohneIntuition kannst du nicht leben. Herrgott, wie er sich über diese Worte den Kopf zerbrochen hatte! Jetzt saß er hier auf dem unbequemen Sofa und spürte intuitiv, daß in diesem überfüllten Zimmer etwas fehlte. Bentes Ausdrucksweise hatte ihm damals weh getan. Sie hatte eine fast unnormal große Macht über ihn gehabt. Das war ihm erst später klargeworden. Sigrid behauptete, das die ganze Zeit gewußt zu haben. Er sei von Bente so erfüllt gewesen. Fast, als sei er gar keine eigenständige Person. Das alles war so seltsam, Bente war schließlich alles andere als machtbesessen. Der schwere Alltag hatte ihn fast zerstört. Anfangs war es eine Erleichterung gewesen, alles hinter sich zu lassen, gewissermaßen vor sich selber davonzulaufen, aber jetzt . . . Die graue Leere war ihm noch nie so bewußt gewesen. Sie brachte ihn vor Angst fast um den Verstand.

Erschöpft ließ er sich auf dem Sofa zurücksinken. Roger Høibakk fragte Bergliot Behrens, ob ihr seit dem letzten Gespräch noch etwas eingefallen sei. Cato Isaksen registrierte, daß die alte Dame energisch den Kopf schüttelte. »Nein«, sagte sie mit ihrer eintönigen dunklen Stimme. »Ich habe nichts mehr zu sagen.« Ihm fiel es schwer, sich von Bentes Bild zu befreien. Er kam sich überhaupt müde und unkonzentriert vor. Georg und die durchwachten Nächte, Sigrids ständige stumme Anklage. Sein schlechtes Gewissen seinen beiden älteren Söhnen gegenüber. Und Bentes Bild, das immer häufiger störend in ihm auftauchte. Ihr etwas molliger Körper. Ihre Waden, viereckig und unförmig. Ihre weichen Oberschenkel und Oberarme, der Bogen von Schulterblättern und Hals, ihre kurzen blonden Haare über ihrem kräftigen Nacken. Ihr Gesicht, das liebe Gesicht mit den glänzenden feuchten Augen und den dunklen, betonten Augenbrauen und Wimpern.

Cato Isaksen gab sich alle Mühe, diese Gedanken zu verdrängen. Er sah Bergliot Behrens an, die traurig im selben Sessel saß wie beim letzten Mal. Ihr Gesicht erzählte von zu wenig Schlaf. »Was wollten Sie eigentlich damit sagen, daß genausogut sie, also Cheryl Therkelsen, tot sein könnte?« fragte er und versuchte, bei der alten Frau Nervosität oder Überraschung festzustellen. »Nichts Besonderes, glaube ich«, sagte die hektisch und fuhr sich mit ihren krallenhaften Händen über die Unterarme. Sie wirkte jämmerlich und eingestaubt, wie sie da so saß. Cato Isaksen tat sie plötzlich leid. Auf ihren Schultern lagen einige graue Haare, ein paar Brotkrümel und etwas Weißes, das wie Salz aussah. »Was wollten Sie damit sagen?« fragte er noch einmal, mit noch ruhigerer Stimme. Die Frau wandte ihr Gesicht ab. Roger Høibakk seufzte und zog seinen Kamm aus der Hosentasche. Die alte Frau schloß die Augen.

»Ich kann nur sagen, daß er kein sehr netter Mann war. Er hat nicht einmal die Nachbarn gegrüßt, auch mich nicht. Aber ich will nicht mehr darüber reden. Das tut mir nicht gut. Ich kann das nicht. Ich ziehe weg von hier, wenn Sie mich nicht in Ruhe lassen. Und ein Verhör auf der Wache kommt nicht in Frage. Ich habe nichts verbrochen.«

Das dreizehnte Sternbild - Ein Norwegen-Krimi

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