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Hitler – Geli = »nichts mit einem unmoralischen Verhältnis zu tun«

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Die Übermittlungen durch Hitlers naheste Personen widersprechen einander darin nicht, dass Geli Raubal einen besonderen Stellenwert in Hitlers Gefühlshaushalt eingenommen hatte. Doch auch die Onkel-Nichte-Beziehung setzte die Tatsache von Hitlers Low-Sex-Konditionen nicht außer Kraft.

Wenn Klarheit über die Art einer Beziehung erreicht werden muss, genügt oft schon die Beschäftigung mit den einfachen Fragen: Wann und wo soll geschlechtlich verkehrt worden sein?

Geli Raubal lebte vom 5. Oktober 1929 bis zu ihrem Tod am 18./19. September 1931 für fast zwei Jahre in Hitlers Neun-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage am Prinzregentenplatz 16 in München. Dort wohnten außer Onkel und Nichte noch weitere zwei Personen, die Hitler für eine Wohngemeinschaft aufgenommen hatte. Das waren seine Haushälterin Anni Winter und ihr Mann Georg. Hitler war willentlich in seiner Wohnung prinzipiell nie allein.

Ein permanentes gemeinsames Unter-einem-Dach-Sein von vier Personen – Hitler, Raubal und zwei faktotische Lampen-Halter mit vier Augen und ebensovielen Ohren, die nach 1945 von ihrer Zeugenschaft über Sexual-Spezifisches zwischen Hitler und Raubal etwas hätten herauslassen können. Stattdessen nur lapidar das Resumee: Die Beziehung zwischen Onkel und Nichte habe »nichts mit einem unmoralischen Verhältnis« zu tun gehabt, war nur eine »mit Eifersucht durchtränkte platonische Liebe«. So äußerte sich Haushälterin Winter im Einklang mit den Wahrnehmungen von Sekretärin Schroeder. (Joachimsthaler 03, S. 339, Schroeder 85, S. 234)

Also Affekt – ja, darüber hinaus sogar eine Zukunfts-Potenzialität des »Wenn heiraten, dann Geli!«, aber voreheliche genitale Praxis zwischen Hitler und Raubal – nein! Wieder ist das allem Feuchten den Garaus machende Fremdwort fürs Trockene gefallen: das Verhältnis Hitler-Raubal = platonisch.

Um die Jahrtausendwende 1998/2003 wurde von den Pionieren in der Hitler-Biografik, Anna Maria Sigmund und Anton Joachimsthaler, die Nachricht gestreut, Hitler hätte von Anfang an in seiner Münchener Wohnung am Prinzregentenplatz mit noch drei weiteren Personen zusammengelebt, also zwischen 1929 und 1931 nicht nur zu viert, sondern zu sechst bis siebent. Zwei zusätzliche Mitbewohner wären die ehemaligen Vermieter seiner bisherigen Wohnung in der Thierschstraße gewesen, in der er von Mai 1920 bis Oktober 1929 gelebt hatte. Wie mit seinen Mitarbeitern Max Amann und Fritz Wiedemann hätte Hitler die Rollen diesmal in seinen privaten Umständen vertauscht. Aus ehemaligen Kriegsvorgesetzten hatte er Untergebene gemacht. So wäre es mit »den Reicherts« geschehen. Aus ehemaligen Vermietern wären Untermieter geworden.

Wegen Untrainiertheit in richterlicher Prozessführung, die auch keinerlei Amtszeugnissen ungeprüft glauben darf, sind Sigmund und Joachimsthaler einem der übelsten Tricks des damaligen bayerischen Justizministers Franz Gürtner aufgesessen, der die mit ihm unter einer Decke steckenden Münchener Kriminalpolizisten zu der Erfindung animiert hatte, die plötzlich tot in Hitlers Wohnung aufgefundene Raubal nicht als Hitlers Untermieterin, sondern als Untermieterin seiner erfundenen Untermieter Reichert zu fingieren. Gürtner war einer der raffiniertesten Public-Relation-Spezialisten in Sachen Nazi-Promotion und hat mit dieser Fähigkeit 20 Jahre lang zuerst als bayerischer und dann als gesamtdeutscher Justizminister Hitler gedient (drittes Buch).

Da das Reichert-Ding und der Glaube der Hitler-Biografik ab Sigmund und Joachimsthaler bis zu Plouvier und Ullrich an den Justiz- und Polizei-Coup wegen der Herausarbeitung von Hitlers Heterosexualität und Serienkiller-Qualität eine derartige Rolle spielt, musste eine eigene Reichert-Forschung unternommen werden, die in einem Extra-Kapitel referiert wird (zweites Buch). Bis zu dieser Aufhellung des juristischen Täuschungsmanövers muss erst einmal unbewiesenermaßen die Information hingenommen werden: Es waren niemals sechs bis sieben Personen, die in der Hitler-Wohnung am Prinzregentenplatz lebten, sondern zuerst zwei Jahre lang vier und dann nach dem gewaltsamen Tod von Raubal drei.

Klar soll hier lediglich gemacht werden: Hitler und Raubal lebten nie allein zusammen. Hitler war in seiner eigenen Wohnung nie in einem unbeobachteten Zustand, um mit seiner Nichte alle denkbaren »Tassen hochgehen zu lassen« (Ihm wurden ja auch »pervers-abartige« Praktiken mit Raubal und anderen Frauen wie der Filmschauspielerin Renate Müller angedichtet, worüber unter PERVERSO nachzulesen ist).

Das kategorische Nein zum Sex zwischen Hitler und Raubal ist sogar auch von Gelis Seite her stützbar: Es gab mehrere Bündel hinterlassener Liebesbriefe von Männern an Geli, die später vom Adjutanten Julius Schaub verbrannt wurden, gemäß Hitlers letztwilligem Befehl zur Vernichtung seines Nachlasses. (Joachimsthaler 03, S. 324 f.) Einer dieser Briefe war von Gelis Mutter in Österreich, Hitlers Halbschwester Angela Raubal, abgefangen worden.

Die Handschriftfassung des an Gelis Onkel Adolf nach München weitergeleiteten Liebesbriefes hatte Sekretärin Schroeder in Maschinenschrift übertragen müssen und sich für ihre Unterlagen vor Schaubs Vernichtungsaktion eine Kopie zurückbehalten, deren Inhalt sie in ihre Erinnerungen Er war mein Chef einfügte: Das Schreiben des Geli-Verehrers entlarvt eine Sexpraxis-nahe Liebesbeziehung zwischen Geli und einem fremden Heiratskandidaten, der sich über die Ehe-Hinausschiebungs-Maßnahmen Onkel Adolfs empörte. (Schroeder 85, S. 235 f.)

Aber schon während Gelis erster Zeit in München vor dem gemeinsamen Zusammenleben mit ihrem Onkel ab Herbst 1929 am Prinzregentenplatz gibt es unverbrüchliche Zeugnisse zu Gelis libidinösen Interessen jenseits von Onkel Adi. Nach der Öffnung von Emile Maurices Nachlass trudelten Liebesbriefe Gelis an Maurice aus den Papieren. Sie war nicht interessiert an sexuellen Beziehungen mit ihrem Onkel. Dieser Fakt wurde zur Basis des ganzen Buches von Anna Maria Sigmund Des Führers bester Freund. Adolf Hitler, seine Nichte Geli Raubal und der »Ehrenarier« Emil Maurice. Eine Dreiecksbeziehung. (Sigmund 03/05) »Die angebliche Liaison Adolf Hitlers mit seiner Nichte Geli Raubal erwies sich mit dem Auftauchen des Maurice-Nachlasses als Chimäre. Geli liebte, wie aus einem ihrer Briefe ersichtlich, Emil Maurice.« (Sigmund 08, S. 55)

Den frühen Tod Gelis mit 23 Jahren versucht die neueste Hitler-Forschung nicht mehr aus Gewalt und Leidenschaft herzuleiten, mit denen Hitler gegenüber seiner Nichte auch physisch-destruktiv gewirkt habe. (So ab Schaake, S. 133 ff. bis zu den Jahrtausendwende-Erhebungen der Hitler-Biografik: Bullock 64–73 ff., S. 393 ff., Maser 78 ff., S. 316, Anmerkung*, Fest 73 ff., S. 447 f, Zentner/Bedürftig, S. 468, Steinert 91, S. 237 f., Kershaw 98, S. 351 ff., Sigmund 98, S. 148 ff., Schaake/Baeurle, S. 133 ff., Hauner, S. 74, Plouvier II, S. 251 ff., Goertemaker 10, S. 53 f., Ullrich, S. 314, Longerich 15, S. 234 ff., Sandner II, S. 862 ff.) Nur die beiden Außenseiter und Hitler-Frauenbeziehungs-Spezialisten Ronald Hayman und Anton Joachimsthaler hielten die Selbstmord-These nicht für glaubwürdig und brachten dagegen eine Vielzahl von Ungereimtheiten vor (zweites Buch). (Hayman, S. 171 ff, Joachimsthaler 03, S. 328 ff) Eine kriminalistische Klarheit jedoch gibt es nicht, da in dem Fall keine echten polizeilichen und gerichtsmedizinischen Untersuchungen vorgenommen wurden. Es fand keine Obduktion von Gelis Leiche statt. Wenn Selbstmord, dann Kurzschluss, weil Geli sich in einer biografischen Klemme zwischen Onkel Adolf in München und Mutter Angela in Österreich befand, zwischen denen sie andauernd hin und her pendelte und dadurch zu keinem eigenen Leben fand.

Aussagen der Münchener Mitbewohner, des Ehepaars Winter, lassen keinen Unfall Raubals wegen einer Unachtsamkeit im Umgang mit der Waffe ihres Onkels als möglich erscheinen. Schon ihre Freundin Henriette von Schirach, Leibfotograf Hoffmanns Tochter, hat einen Unfall ausgeschlossen, denn Geli hätte einst mit Schirach gemeinsam Schießübungen mit Hitlers Pistole unternommen. (Schirach 83, S. 67)

Nach Hitlers Abreise am Freitagnachmittag, dem 18. September 1931, hätte Geli sich in ihr Zimmer eingeschlossen und sich irgendwann am Abend oder in der Nacht zum Samstag, dem 19. September, mit Hitlers Walther-Pistole einen Lungenstreifschuss zugefügt, an dessen Folgen sie erstickt wäre – so die heute allgemeine, immer noch zweifelhafte Verständigung der Historiker. Aktuelle kriminaltechnische Statements versuchen, die Selbstmord-Version des Raubal’schen Todes plausibel zu machen: Gelis Zimmer wäre abgeschlossen gewesen, die Pistole auf der nackten Brust angesetzt worden, um ein Sich-Verhaken oder Fehlgeleitetwerden der Kugel zu vermeiden. Mit dieser Technik hätte Geli einen Herzschuss vollführen wollen, der nicht ganz gelang.

Keiner der beiden in der Hitler-Wohnung Mitlebenden hätte einen Schuss gehört. Erst als Geli am nächsten Tag nicht wie sonst zum Frühstück erschien, wurde die verschlossene Tür ihres Zimmers vom Mitbewohner Georg Winter, dem Mann der Haushälterin Anni Winter, aufgebrochen und ihre Leiche gefunden. Kein Abschiedsbrief! 60 bis 70 Prozent der Selbstmörderinnen und Selbstmörder hinterlassen keine letzten Nachrichten! (ZDF Hitler und die Frauen 2011)

[Im zweiten Buch wird der Fall Geli Raubal noch einmal aufgerollt und das Sich-Einrichten der Hitler-Biografik in der Selbstmord-These hinterfragt werden. Spielt der gewaltsame und bisher nicht restlos geklärte Tod Geli Raubals doch eine zentrale Rolle für die hemmungslose Befriedigung von Hitlers delegierendem Serienkiller-Naturell?]

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland

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