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Hinter welcher Serienkiller-Formation versteckte Hitler sich?

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Wie der Berliner Psychiater Karl Bonhoeffer schrieb, »ist es nicht gleichgültig, ob seine [Hitlers] große Gefolgschaft im deutschen Volke … sich von einem schweren Psychopathen oder von einem wirklich Geisteskranken durch 12 Jahre hat führen lassen.« (Bonhoeffer, S. 109 f.) Bonhoeffers Gegenüberstellung mit zwei Merkmalen zum devianten Charakter Hitlers entspringt nicht mehr brauchbaren psychiatrischen Kategorien für die Entschlüsselung von Hitlers politisch-historischer Destruktivität. Doch Bonhoeffers Vorgehen der Genauigkeit ist auch für die neue Kategorie von Hitlers sexueller (Serienkiller-)Devianz anzuwenden.

Es gibt die vier Möglichkeiten:

1. Heterosexuell in Partnerschaft lebend und Frauen/Weiblichkeiten ermordend,

2. Homosexuell Partner-bezogen und Männer/Männlichkeiten ermordend,

3. Hetero- oder Homo-Einzelgänger mit keinem sozial-biophil sexuellen Partner-Bezug, sondern nur nekrophile Anwandlungen und gelegentliche Praxis, Weiblichkeiten oder Männlichkeiten qualvoll zu töten,

4. Der Überkreuzer – sich auf Exemplare des einen Geschlechts partnerschaftlich zu beziehen und Exemplare des anderen Geschlechts zu ermorden.

Von den vier Möglichkeiten kommen 1. und 2. nicht in Frage: Hitlers Mord-Impuls richtete sich generell nicht auf Frauen (ONANO, Hitlers Männermord-Orgasmus). Und Hitler 2 lebte in keiner nachweisbaren homosexuellen Partner-Beziehung (zweites Buch)

Es bleiben 3. und 4., die geprüft werden müssen – der Heterooder Homo-Einzelgänger, der kontinuierlich Anwandlungen bekam, Männer töten zu lassen, oder der Überkreuzer, der sich partnerschaftlich auf Frauen bezog und sich als delegierender Serienkiller Männern gegenüber delektierte. Wegen Hitlers mehrmaligem Zusammenleben mit Frauen wurde lange Zeit diese Formation bevorzugt. Um sie annehmen zu können, ist es jedoch erforderlich, wenigstens eine Beziehung in Hitlers Biografie als ein echtes, sexuell funktionierendes Verhältnis nachweisen zu können, wie es bei den Serienkillern Gacy, Kuklinski und Sliwko möglich ist (ONANO). Ein solcher Nachweis ist mit 17 Nein-Zeugen vor der Brust gegen ein sexuelles Verhältnis zwischen Adolf Hitler und Eva Braun ein erneuter prozessualer Stemmakt. Die zweijährige Wohngemeinschaft von Hitler und seiner Nichte Geli Raubal konnte als familiärer Musterzwang jenseits sexueller Praxis bloßgestellt werden (ONANO, 22. Nein-Sager, Emil Maurice). Es bleibt also nur Eva Braun – trotz der 17 Neins.

Es ist nicht gleichgültig, welcher Serienkiller-Formation Hitler angehörte: Auf was für eine Art von Serienkiller sind die Deutschen «abgeflippt« und reingefallen, haben auch Ausländer anfänglich derart stark reagiert, dass es zum demonstrativen Sympathie-Besuch des abgedankten englischen Königs Edward VIII. mit seiner unhöfischen, weil zweimal geschiedenen Ehefrau Wallis Simpson auf Hitlers Landsitz Berghof kommen konnte? Das Reinfallen der Opfer ist das Erfolgsrezept von Serienkillern, das sie oft fassungslos machend lange Zeiten mörderisch tätig sein lässt.

Das Ergebnis der Untersuchung wird auf die kaputte Sittenordnung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ein grelles Licht werfen. Die von ihr reglementierten Menschen haben sich mit ihrer Begeisterung, ja semi-sexuellen Enthemmung für Hitler ein Ventil aus ihrem sexuellen Gequältsein geschaffen. Da Hitler mit zwei Frauen 1925 und 1927 Küsse und Karten gewechselt und mit Geli Raubal und Eva Braun zusammengewohnt hat, besteht tatsächlich der Anfangsverdacht, Hitler wäre ein Überkreuzer gewesen – mit Frauen nett, mit Männern böse.

Für die Definition eines Überkreuzers wäre es notwendig, herauszufinden, ob Hitler wirklich aus genuin sexuellen Interessen mit seinen zwei Kuss-und-Karten-Freundinnen »verkehrt« und mit den Wohngenossinnen aus eben diesen Interessen heraus zusammengelebt hat, wie unterbelichtet, amorph, skizziert = »low« sein sexuelles Interesse an diesen vier Frauen auch immer gewesen ist. Hitlers Beziehungen zu Ada Klein und Mizzi Reiter waren nur intervallisch prozediert und gingen so schnell auseinander, dass sich allein mit diesen Verhältnissen kein tiefwurzelnd heterosexuell orientierter Hitler konturieren ließe. Im Affekt Hitlers auf seine Nichte Geli Raubal wurde schon der kleinfamiliäre Musterzwang entblößt, der gar kein sexueller Impuls ist, der sich bloß in zig biografischen Altvorderen-Wiederholungs-Zuckungen zeigt (ONANO, 22. Nein-Sager, Emil Maurice).

Nur bei Eva Braun scheint alles sexuell paletti gewesen zu sein – das Verhältnis mit Braun = Hitlers Ausdruck von heterosexuell-biophil partnerschaftlichem »Low«. Doch bestand überhaupt ein Rudiment sexueller Motivation Hitlers gegenüber Eva Braun, wie es sich die anglosächsische, deutsche und französische Hetero-Fraktion der Braun-Hitler-Biografik einbildet? Über zehn namhafte Autorinnen und Autoren haben mit ihren zum Teil mehreren oder mehrbändigen Publikationen für den Hetero-Hitler gewirkt – trotz der 17 Nein-Sagenden zu Hitlers Sex mit Braun und trotz der weiteren sechs Zeugen, die sich generell gegen Hitlers heterosexuelles Format äußerten (ONANO, 7., 8., 9., 10., 19. und 22. Nein-Zeuge).

Aber es gibt 12 Ja-Zeugen, deren Aussagen im Verlaufe von HETERO und ORALO verhandelt werden müssen. Denn sie bieten den 17 Neins zu Hitlers Sex mit Eva Braun die Stirn. (ONANO)

Die Ausgangsfrage zur Erlangung einer Antwort über Hitlers Serienkiller-Eigenart lautet: Fand das Zusammenleben Hitlers mit Eva Braun auf dem Berghof aus noch so Sparflammen-haft sexuellen Gründen statt? Und wenn nein, aus welchen sonstigen Gründen war es neun Jahre lang arrangiert worden?

Denn Hitler lebte ja mit Braun nicht zum ersten Mal mit einer Frau zusammen. Er hatte ein eineinhalb Jahrzehnte langes Vorleben mit Frauen in seinen Wohnungen, das eindeutig nicht-sexueller Art war. Von 1920 bis 1929 lebte er mit drei Frauen in der Thierschstraße 41 zusammen, mit Maria Reichert, ihrer Mutter und Jungmädchen-Tochter. Zwischen 1929 und 1945 fungierte in Hitlers Wohnung am Prinzregentenplatz 16 die junge Haushälterin Anni Winter, die Hitler mit ihrem Mann Georg als Haushaltspaar aufgenommen hatte. Auch sein Verhältnis zu Maria Reichert in der Thierschstraße war unstrittig ein nicht-sexuelles. Reichert lebte mit ihrem Ehemann zusammen, Hitler war Untermieter des Ehepaars. Niemand in der Hitler-Biografik hat aus diesen Wohn-Verhältnissen mit Frauen Hitler eine heterosexuelle Orientierung konstruiert.

Bei Eva Braun wird das jedoch gemacht, obwohl 17 Zeugen angemerkt haben: »Da war nix!« Die Beziehung Braun-Hitler befand sich in einem vertrackten und kaum zu entwirrenden Funktions-Knäuel zwischen auf der einen Seite den Positionen Haushälterin/Mieterin und auf der anderen Seite »Frauenbekanntschaft« als »Liebschaft« mit sporadischem Ausgeh- und Besuchs-Bezug plus späterer Hausfrauen-ähnlicher Partnerin-Repräsentation.

Es gibt eine Ullrich’sche Verführung zur Annahme der zweitgenannten Version des Braun-Hitler-Verhältnisses – die Zu-Bett-Geh-Story, das nächtliche Sich-Hinaufbegeben des Paares Braun-Hitler in den ersten Stock zum gemeinsamen Schlafen auf dem Berghof. Die ganze Geschichte in Ullrichs Darstellung riecht nach echter Heterosexualität, die Hitler mit Braun zum Ausdruck gebracht hätte. Ist Eva Braun wirklich eine sexuelle Rumpfpartnerin Hitlers gewesen, wie Ullrich sie darstellt, oder nur eine Hausfunktionärin, vergleichbar mit ihren Vorläuferinnen, der Prinzregentenplatz-Anni-Winter und der Thierschstra-ßen-Maria-Reichert? Braun – eine Hausfrau zu bestimmten Zwecken?

Wie wollen Sie das auseinanderklamüsern? – Mit einem Kampf um (das sexualwissenschaftliche Mammut-)Rom auf Hunderten von Seiten und der sozial-sexuellen Breitenanalyse sämtlicher Ja-Sagenden. Zuerst muss jedoch das modernste Ja, Ullrichs Hitler-Braun-zu-Bett-Geh-Geschichte, vorgenommen werden, weil sie schlicht und einfach Sex zwischen Braun und Hitler suggeriert. Und basta: Wer auf diese Weise zusammen ins Bett geht, der tut dort auch etwas Mann-Frau-Übliches.

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland

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