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»Aimez-vous Brahms?«

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Sogar der Hormonhaushalts-Fantast Albert Speer, dem nicht vorgeworfen werden könnte, er entsexualisierte das Verhältnis Hitler-Braun (10. Ja-Sager), hinterließ Beobachtungen darüber, was es mit dem Zu-Bett-Geh-Geflüster zwischen Hitler und Braun auf sich hatte. Wie bei Schroeder kommt auch bei Speer ein Hochschicken Eva Brauns vor, aber nicht als Verabredung zum Sex, sondern als Brauns Entlassung aus der Kamin-Runde: »Wir setzten uns auf Sofa oder Sessel einer der Sitzgruppen; die zwei Gobelins wurden hochgezogen, und mit den auch in Berlin üblichen abendfüllenden Spielfilmen begann der zweite Teil des Abends [erster Teil war Essen mit Tischordnung]. Anschließend versammelte man sich um den riesigen Kamin, etwa sechs oder acht Personen auf einem überlangen, unbequem tiefen Sofa wie auf einer Stange aufgereiht, während Hitler, wiederum flankiert von Eva Braun und einer der Frauen, in bequemen Sesseln Platz genommen hatte. Die Runde war infolge der ungünstigen Möblierung so auseinandergezogen, dass ein gemeinsames Gespräch nicht aufkommen konnte. Jeder unterhielt sich gedämpft mit seinem Nachbarn. Hitler sprach leise Belangloses mit den beiden Frauen an seiner Seite, oder tuschelte mit Eva Braun, machmal hielt er ihre Hand. Oft aber schwieg er vor sich hin oder starrte brütend ins Kaminfeuer; die Gäste verstummten, um ihn nicht in bedeutenden Gedanken zu stören […] (B. 7).

Zur Belebung dieser etwas kargen Nachtgeselligkeit wurde Sekt herumgereicht […] Ab ein Uhr nachts konnte dieser und jener trotz aller Beherrschung ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Aber in eintöniger, ermüdender Leere ging der Abend noch eine gute Stunde weiter, bis dann endlich Eva Braun mit Adolf Hitler einige Worte wechselte und in die oberen Räume entlassen wurde. Hitler selbst erhob sich erst eine Viertelstunde später, um sich zu verabschieden. [Es war inzwischen mindestens halb 3 Uhr morgens!] Diesen lähmenden Stunden folgte oft ein ausgelassenes Zusammensein der wie befreit Zurückbleibenden bei Sekt und Cognac.

In den frühen Morgenstunden kamen wir [Albert und Margret Speer] dann todmüd nach Hause, müde vom Nichtstun. Nach einigen Tagen bekam ich, wie ich es damals nannte, die ›Bergkrankheit‹, das heißt, ich fühlte mich durch andauernde Zeitvergeudung erschöpft und leer.« (Speer 05, S. 104 f.)

Die Speer-Passage ähnelt Ullrichs Erfindung um Haaresbreite, sodass bei oberflächlicher Lektüre der Eindruck entstehen könnte: Ullrich habe sich aus Speers Erinnerungen bedient. Und alles hätte seine Richtigkeit. Erst wenn die beiden Zwei/Drei-Zeiler, die miteinander konkurrieren, untereinandergesetzt werden, tritt Ullrichs Winkelzug zu Tage.

Speers Original: »[…] bis dann endlich Eva Braun mit Adolf Hitler einige Worte wechselte und in die oberen Räume entlassen wurde. Hitler selbst erhob sich erst eine Viertelstunde später, um sich zu verabschieden.«

Ullrichs Darstellung: »Schließlich flüsterten Hitler und Eva Braun ein paar Worte miteinander, sie begab sich in ihre Privatgemächer im ersten Stock, und kurze Zeit später folgte er ihr.« (Ullrich, S. 700)

Erstens: Nicht beide flüsterten in Speers Originalversion, geschweige denn Hitler flüsterte mit Braun und schickte sie schon mal vor, sich für den sogleich folgenden nächtlichen Geschlechtsakt bereitzumachen. Er komme sofort nach.

Zweitens: Es war Eva Braun, die das Wort an Hitler richtete. Nicht um etwas in Richtung gemeinsames Bett in die Wege zu leiten, sondern sie konnte das Zeit-Totschlagen nicht länger aushalten. Sie litt wie Speer wegen der »Zeitvergeudung« an »Erschöpfung« und »Ausleerung«.

Drittens: Eva Braun »flüsterte« nicht mit Hitler, sondern »wechselte einige Worte« mit Hitler. Ullrichs »Flüstern« ist erotisch, Speers »Einige-Worte-Wechseln« ist un-, ohn- bis contra-erotisch.

Viertens: Eva Braun »begab sich« nicht »in ihre Privatgemächer im ersten Stock«, sondern »wurde« [von Hitler] »in die oberen Räume entlassen.« Extrem anti-erotisch! Hitler an ihr nicht mehr interessiert! Sie kann abhauen, ihr Dienst der Repräsentation an seiner Seite ist beendet. Der Sinn »Entlassen« enthält das Gegenteil von einer sexuellen Finalität: Braun kann sich verdrücken. Es kommt nichts mehr. Hitler braucht sie nicht mehr.

Fünftens: Speers »Hitler selbst erhob sich erst eine Viertelstunde später, um sich zu verabschieden.« = Steif! Man weiß nicht, wie lange Hitlers »Sich-Verabschieden« gedauert hat. Speers »Hitler selbst erhob sich erst eine Viertelstunde später« hat keinen Zusammenhang mehr mit Eva Brauns Entlassung aus ihrer Präsenz-Pflicht in die oberen Räume. Einen solchen Zusammenhang stellt Ullrich künstlich her: »Sie begab sich in ihre Privatgemächer im ersten Stock, und kurze Zeit später folgte er ihr«. – Von diesem »Folgte-er-ihr« steht bei Speer nichts. Hitler folgte Braun mitnichten. Er »erhob sich« nur, »um sich zu verabschieden«. Sein Nach-oben-Gehen steht in keinem Zusammenhang mit dem ihren.

Sechstens: Speer lässt offen, was Hitler dann nach seiner Verabschiedung »in den oberen Räumen«, seinem Arbeitszimmer und seinem Schlafzimmer, noch alles gemacht hat. Vor allem fehlt komplett bei Eva Brauns »Wortwechsel« mit Hitler, dass dieser auf etwas Gemeinsam-»Bettiges« mit Braun hätte erpicht sein können, wie es in Ullrichs Wendung »rüberkommt«.

Siebentens: Speer stellt ein Zu-Bett-Geh-Verfahren dar. Eva Braun will endlich hoch und schlafen. Hitler genehmigt es, bricht nach einer Viertelstunde dann auch auf. Alles »kalte Tracht«. Es handelte sich um kein gemeinsames Geflüster. Und das Hitler-Braun-Hoch-Folgen geschah auch nur rein zeitlich, nicht phantasievoll vorlusthaft-einvernehmlich.

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland

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