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SCHIFFBRUCH IM AMAZONAS

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Schon nach wenigen hundert Metern beginnt Asphalt, schlechter Asphalt, aber immerhin kommen wir so ab und zu doch in den dritten Gang. Eine Brücke… Einwandfrei zu befahren.

Alles beginnt so, wie wir es den mageren Informationen entnehmen konnten. Wir fahren an kleinen Indianersiedlungen mit winkenden Kindern vorbei und sind irgendwie stolz und glücklich, dass wir es doch gewagt haben.

Auch kommt uns hier und da noch mal ein Moped entgegen, so dass wir uns nach dem Zustand des Weges erkundigen können. Die Befragten jedoch verstehen uns wohl nicht. Klar, unser Portugiesisch ist nicht gerade gut, und spanisch kann man von den Einwohnern hier am Ende der Welt wirklich nicht verlangen.

Vor langer Zeit gehörte diese Region noch zum Einzugsgebiet der Guarani-Indianer. Also versucht es Domi mal mit „<Tape pora?“ >(Ist der Weg gut?). “<Tape he’tere i>” (super gut) ist die Antwort. Das ist bestimmt nicht zutreffend, aber irgendwie ganz lustig.

Jetzt beginnt der Asphalt richtig schlecht zu werden. Tiefe Abbruchkanten bis zur Mitte der Straße hin lassen uns im Slalom um die Löcher kurven. Auch die Brücken werden zusehends abenteuerlicher und wir müssen schon des Öfteren mal die Bretter versetzen. Meistens steigt Domi aus, um mich einzuweisen. Bei Daumen hoch geht's gut, Daumen runter bedeutet erst mal ein bisschen Arbeit, Bretter auslegen und zurecht rücken.

Gegen Abend ziehen Wolken auf und auch ein paar Blitze sind zu sehen. Wir haben Mitte September, die Trockenzeit dürfte bald vorüber sein. Jetzt sollte bald ein Übernachtungsplatz gefunden werden. Obwohl hier ja nicht mit Kraftverkehr oder sonstigen Störenfrieden gerechnet werden muss, wäre es doch ganz angenehm, ein paar Meter von der Straße weg zu kommen, um unser Nachtlager aufzuschlagen.

Bisher haben wir 34 Brücken geschafft und bleiben dann bei der vierten Antenne, etwas abseits des Weges, um zu übernachten. Wir haben heute 160 km geschafft, die Stimmung ist gut. Domi macht uns ein paar Spaghetti mit Thunfisch, und was mache ich? Feierabend mit “Angekommen-Bierchen”.

Jetzt beginnt es leicht zu regnen, in der Ferne ist es rabenschwarz und bedrohlich rumpelt es am Himmel. Irgendwann in später Nacht werden wir vom ungedämpften Nageln eines Dieselmotors aufgeschreckt. Was soll denn das jetzt sein? Kein Fahrzeug ist weit und breit zu sehen. Das Geräusch kommt aus dem Schuppen neben der Antenne. Es ist der Generator, der mit einer Zeitschaltuhr ausgestattet ist, um die Batterien zu laden.




Zwischenstopp




Mit anschließender Übernachtung


Der nächste Morgen tut so, als wäre nichts gewesen. Strahlender Sonnenschein und jede Menge Gekreische von irgendwelchem Urwaldgetier. Ein Ara-Pärchen fliegt über uns hin, als wollte es uns einen guten Morgen wünschen. Kurz und gut: Bilderbuchamazonas.

Wenn, ja wenn da nicht die jetzt doch ganz schön aufgeweichte Piste wäre, erstaunlicherweise mit schon einer Fahrspur in der Matsche. Dann sind wir also doch nicht so ganz alleine. Noch ein Stückchen Brot zwischen die Zähne, unseren Mate trinken, und dann packen wir es an. Von der roten Matsche wollen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschrecken lassen.

Dann stehen wir vor einem längeren Stück schlammiger Amazonaspiste. Ich fahre erst noch mal ein Stück rückwärts, um ein bisschen mehr Schwung zu holen. “Gordita“ schafft es mit Bravour. In der Folge kommen wieder Brücken mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, die wir alle überwinden können. In der Ferne plötzlich ein Fahrzeug. Das ist wohl unser Spurmacher. Der Toyota steht, und mehrere Leute sind am Weg mit Hacke und Spaten am Arbeiten. Das könnte eine größere Schlammparty werden.




Die große Matsche


Da sind bestimmt so 200 Meter roter Dreck zu durchpflügen, mit schon einer tiefen Spur, die der Toyota in die brasilianische Erde gefräst hat. Die Leute von Embratel sind dabei, den Weg zu entwässern und winken, wir sollten es doch versuchen. Die Entscheidung fällt mir leicht. Wir sind wir ja nicht alleine. Sogar ein Toyota steht bereit, um eventuell zu helfen. Domi steigt aus und stapft schon mal durch den Schlamm nach vorne, um das Ereignis zu filmen.

Wieder mal ein Stück zurück, erster Gang…zweiter Gang… und dann mit Schwung und Drehzahl in die Pampe. Das Getriebe jault und „Gordita“ wühlt sich schlingernd vorwärts. Etwa die Hälfte ist geschafft, da wird die rote Pampe doch sehr widerspenstig. Die Drehzahl fällt abrupt ab und ich würge, ohne viel Gas weg zu nehmen den Ersten rein, gewinne wieder etwas an Vortrieb. So sechs bis sieben Meter haben noch gefehlt, auf festeren Untergrund zu gelangen. Alle klatschen Beifall und mit Unterstützung durch etwas Schieben stehen wir stolz neben dem Toyota.

Meine 155er Bereifung ist durch diese klebrige rote Masse mindestens auf 195er angewachsen. Das war das einzige schwierige Stück, denn hier war mehr Regen runter gekommen als anderswo, so die Leute von Embratel. Also dann gute Fahrt. Und die Brücken? Frag ich noch. Ja, vor zwei Wochen standen sie noch alle ganz gut da.

Das macht Mut!

Wir fahren jetzt zurück nach Humaitá, sagen uns die Männer vom Toyota, denn unser Instandhaltungsauftrag geht nur bis zur fünften Antenne. Das war also der Wartungstrupp der die Antennen, den Weg und die Brücken instand hält. Heute sind sie da gewesen, in etwa neun Monaten werden sie wieder kommen. Das schränkt unseren Mut etwas ein.




Brücke nach der Instandsetzung


Und tatsächlich, je weiter wir kommen, desto katastrophaler werden die Brücken. Manchmal müssen wir eine halbe Stunde und mehr arbeiten, bis wir es geschafft haben. Trotzdem ist eine seltsame und ganz wunderbare Stimmung zwischen Domi und mir entstanden, und ich sage ihr: “Ich glaube jetzt noch mehr als bisher, dass wir gut zusammen passen. Wir sind ein super Team.”

Domi kommt jetzt auf die Idee, im nächsten Fluss zu baden, um sich etwas zu erfrischen. „Mensch, hast du sonst keine Sorgen“, frage ich sie. „Nein, ich bin doch nicht mit dir bis hier her mit gekommen, um mich über irgendwas zu sorgen, das wahrscheinlich doch nie eintritt“.

Ist das die natürliche Logik der Frauen oder hat es vielleicht doch eher was mit Südamerika oder der Mentalität der Menschen der südlichen Halbkugel ganz allgemein zu tun? Ich gebe es auf dies näher zu ergründen und fahre weiter. Die nächste wackelige Brücke ist schon in Sicht. Mitten darauf halte ich an und möchte die Landschaft fotografieren. Aus unerklärlichen Gründen geht der Motor plötzlich aus und ist ums Verrecken nicht mehr anzukriegen. Der Anlasser macht seine Arbeit, doch nicht mal ein”Hust” ist dem Motor abzugewinnen. Ha, ha, ich geh jetzt baden. Kümmere Du dich um „Gordita“, höre ich Domi noch rufen und schon ist sie im Bewuchs der Uferböschung verschwunden.

Ich will ihr noch was nachrufen, von wegen Schlangen und so, doch ich lass es sein. Ich glaube jetzt langsam, dass meine zwei Weiber einen Beistandspakt geschlossen haben, schiebe mühsam unsere Ente von der Brücke, damit mir mein Werkzeug nicht ins Wasser fallen kann, und beginne schon mal mit dem Ausbau des Lüfters, um an den Unterbrecher heran zu kommen.

Was macht sie wohl jetzt wirklich da unten? Frage ich mich und gehe nachschauen. Von der Brücke aus kann ich sehen, wie meine Amazone vergnügt im Wasser plantscht und das ganz ohne Bikini oder Badeanzug. Das ich das noch mal erleben durfte, war ja schon die Reise wert.

Der Fehler ist schnell gefunden. Domi kommt erfrischt zurück und auch „Gordita“ hat einen frischen Kondensator bekommen. Unser Motörchen tuckert wieder wie eh und je. Es kann weitergehen. Wir kommen an einer verlassenen Indianerhütte vorbei und nutzen das Schattendach um eine Kleinigkeit zum Essen zu machen. Wir haben heute bis jetzt so schätzungsweise noch mal 100 km geschafft und fragen uns, bis zur wievielten Antenne wir wohl heute noch kommen werden.

Etliches an Amazonasgetier konnten wir unterwegs beobachten. Exotisches Federvieh und eine Familie Brüllaffen, die uns auch ganz schön beschimpfen als wir anhalten und sie zum Fotoshooting überreden wollen.

Die Entscheidung, wo wir heute übernachten, nimmt uns „Gordita“ ebenso abrupt wie definitiv ab.

Südamerika hin und zurück

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