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NEUBEGINN IN SUEDAMERIKA

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Wir schreiben Freitag den 25.September 1982 es ist so gegen Mittag. Bitte das Rauchen einstellen „das waren noch Zeiten“, die Sicherheitsgurte anlegen! Sagt die Anzeige, und der Lautsprecher kündigt die bevorstehende Landung am internationalen Flughafen „Silvio Petirossi“ Asuncion Paraguay“ an.

Ich schaue auf die bizarren Wolkengebilde unter uns. 28 Grad Celsius und wolkenloser Himmel über Paraguay verkündet die Papageienstimme aus dem Lautsprecher. Ok, Wir sinken, die Ohren gehen zu und somit brauch ich mir nicht all die Zweifel meiner angetrauten anzuhören. Es könnte ja schief gehen mit unserem Neustart und so…

Unser Flieger taucht in die Wolkendecke ein. Von wegen wolkenloser Himmel und nur Sonnenschein. Während ich gespannt auf den Durchbruch nach unten warte, verspüre ich etwas Feuchtes an meinem Knie. Wie sieht das Land wohl aus der Vogelperspektive aus? Wie wird mein erster Eindruck sein, von dem Land in dem wir ein neues, anderes Leben beginnen wollen? Der nasse Fleck auf meinem Knie wird etwas größer und intensiver. Nicht das ich mir in die Hose gemacht hätte, nein, Wassereinbruch der aus der Kabinenverkleidung immer zielgerecht und in regelmäßigen Abständen mein rechtes Hosenbein bewässert ist der Grund.

Ja, die LAP (Lineas Aereas Paraguayas) die gab es damals noch, durften mit ihren maroden Fliegern und den Buschpiloten am Knüppel die Lufträume dieser Welt verunsichern. Wir sind durch. Ein sattes, intensives grün bedeckt die neue Welt. In bizarren Windungen schlängelt sich der Fluss, ich nehme an, dass es sich um den Rio Paraguay handelt, durch die Landschaft. Imposant! Ja etwas verrückt komme ich mir schon vor, als ich beschließe das all dies was ich jetzt da unten zu sehen bekomme ziemlich genau meinen Vorstellungen entspreche. Dies wohl das Land sein könnte um einen Neustart anzugehen.

Wir sind gelandet, etwas holprig zwar, aber wir sind da. Gesund und unversehrt. Über die Gangway müssen wir raus, um dann zu Fuß Richtung Abfertigungsgebäude zu gelangen. Wo wir dann (hoffentlich) von Herrn Fleischmann (Name geändert), meinem zukünftigen Chef erwartet werden. Besser gesagt vom Dienststellenleiter der Organisation mit der ich einen Vertrag für zwei Jahre unterzeichnet habe. Zuerst dann noch auf der Gangway den Klimaschock wegstecken, denn die angesagten 28 Grad Celsius sind wohl stark untertrieben. Von hier unten aus ist tatsächlich kein einziges Wölkchen am Himmel der Guaranies auszumachen. Wo ist die Wolkendecke geblieben? Seltsam!!!

Die drei Blechboxen mit unserem vorläufigen Hab und Gut kommen auf dem Gepäckband angerattert. Eine Dame mit Pappschild „Bienvenido Fam. Schäffer“ kommt Pappschild schwingend auf uns zu.

< Ich bin die Frau Fleischmann. Mein Mann musste dringend auf eine Dienstreise, somit bin ich da um sie abzuholen>.

<An der Gepäckkontrolle brauchen wir uns nicht aufzuhalten, dafür haben wir hier ein spezielles Carnet, vom „General persönlich“ ausgestellt. „Freifahrtschein für fast alle Belange“>. So die Doña

Ausweis schwingend geht es unkontrolliert und zügig durch alle Kontrollen bis wir schlussendlich draußen zum ersten Mal die asphaltierte Erde unserer Zukunft betreten.

Der Gepäckträger mit seinem wackligen Wägelchen wackelt geduldig hinter uns her, bis wir dann an einem weißen VW-Bulli ankommen. Nachdem er seinen Job gemacht, das heißt alle Gepäckstücke hineingewuchtet hatte, kassiert er ein saftiges Trinkgeld. Mit einem Strahlen im Gesicht und ca. 15mal muchas gracias wiederholend verabschiedet er sich in Richtung Flughafengebäude.

Ich komme zu dem Schluss dass das Trinkgeld zumindest gut bemessen war. oder viel zu viel?

<Sie sind mit ihrer ganzen Familie vorerst bei uns zu Hause untergebracht, das ist selbstverständlich>, so Frau Fleischmann.

<Habe allerdings noch ein kleines Anliegen, und es fällt mir nicht gerade leicht, sie zu bitten mein Auto zu fahren>. Warum denn das? Frage ich.

<Na ja, eigentlich kann ich gar kein Auto fahren, gesteht mir die Señora etwas vehement ein, und die Fahrerlaubnis kann man hier ganz offiziell beim Straßenverkehrsamt kaufen, was ich schon seit geraumer Zeit getan hatte>. Lautet ihre doch sehr plausible Erklärung. <Mein Mann hatte mir noch vor seiner Abreise nach Chile gezeigt, wo die Gänge liegen, mir die Bedienung von Kupplung, Brems und Gaspedal erklärt. Da ich diese aber, zugegeben noch nicht richtig beherrsche, und auf dem Herweg zum Airport beinahe zwei Unfälle verursacht hatte, traue ich mich nicht nochmals ans Steuer. Bitte Herr Schäffer fahren Sie!> Oder wir nehmen ein Taxi.

Irgendwie alles sehr lustig, ja absurd, denke ich als ich mich ans Steuer des Bulli klemme. Meine bessere Hälfte sagt nichts mehr und ich sehe ihr an, wie betroffen und skeptisch sie ist ob dieser Situation.

Wo sind wir denn da gelandet? Mag sie denken. Fügt sich jedoch in ihr Schicksal, und nimmt mit unseren beiden Kindern auf der hinteren Sitzbank Platz. Hinten sind die sichersten Plätze, hatten wir in der Fahrschule in Deutschland gelernt.

Die ersten Eindrücke von Asuncion, Paraguay’s Hauptstadt sind umwerfend. Chaos, nichts als Chaos. Auch habe ich Mühe mich hier am Steuer eines ungewohnten Volkswagens zurecht zu finden. All die verrückten Fahrzeuge, den Kamikazefahrern, deren Fahrverhalten zweifelsfrei auf eine in der Lotterie gewonnene Driverlicens schließen lässt. Unter Umständen haben die meisten wohl auch gar keine.

Das trifft auf die Kraftstoffbetriebenen Fahrzeuge sowie auch die von Blut angetriebenen, das heißt Pferdefuhrwerke, Eselskarren und Ochsengespanne ebenbürtig zu. Verkehrsampeln bei Rot werden genauso außer Acht gelassen, als würden sie in sattem Grün einher leuchten. Ich bin beeindruckt, um nicht zu sagen, dass es anfängt Spaß zu machen.

Unbeschadet kommen wir bei Fleischmann‘s Residenz in einem vornehmen ruhigen Nobelviertel an. Geschafft…..die erste Bewährungsprobe erfolgreich bestanden. Auch unsere Gastgeberin zeigt sich ausgesprochen erleichtert wieder in ihrer sicheren Residenz mit unbeschadetem Bulli angekommen zu sein.

Ein Fahrzeug muss her!!!! Und zwar ganz schnell, wollen wir nicht immer von anderen Leuten, Bus oder Taxi abhängig sein, sind die Gedanken die ich nicht mehr aus meinem Schädel wegbekomme.

Doch was zum Teufel kann ich heute an einem Sonntag unternehmen, um ein solches zu ergattern? Auch soll es ein Fahrzeug sein, was mir als Autonarr Spaß machen wird.

Und so gehe ich die drei cuadras zur Avenida, „Autos beobachten“. Mal sehen was sich hier so alles hin und her bewegt an motorisiertem und garantiertem „Spaßfaktor“.

Alles in allem hatte ich maximal so eine halbe Stunde an der Kreuzung Mariscal Lopez und der Avenida Republica Argentina beobachtet, und die Wahl war getroffen. Schon bald waren zwei Citroen 2cv an mir vorbei geknattert. Zu Hause in Vaters Garage hatte ich meine geliebte Ente zurück gelassen. Hier sind die glücklicherweise ebenfalls vertreten, was ich erleichtert zur Kenntnis nehme.

Oder doch lieber so einen alten Willy’s Jeep, der gerade an der gegenüberliegenden Tanke betankt wird?

„Und jetzt erst recht; ein Auto muss her! Das ist dringlicher denn je“.

Joachim (unser Sohn der damals 12 Jahre alt war), kommst du mit auf den Autostrich? Na klar!

Mit dem Taxi lassen wir uns bis auf km 3 der Avenida Eusebio Ayala fahren, wo von da an, bis fast nach San Lorenzo einer Vorstadt von Asuncion, alles zu haben ist.

Autohändler, Schrotthändler, Menschen und Waffenhändler. Eisenwaren und Billigmöbel aller Klassen.

Brauchst du irgendetwas ohne selbst zu wissen was, dann klappere die Eusebio Ayala ab. Da findest du alles was es gibt. Speziell Ware die es laut Gesetz eigentlich nicht geben sollte. Es ist trotzdem da, und gegen bares geht alles. So die einstimmige Aussage aller Befragten.

Wir latschen alles ab, und das sind doch so an die 10 km in brütender Hitze um gegen Abend in der Villa „Fleischmann“ erschlagen und enttäuscht zu berichten das alles nichts gebracht hat. Entweder viel zu teuer oder Schrott.

Ich hatte seinerzeit ja auch noch mit anderen Maßstäben gerechnet, und der Sprache so gut wie nicht mächtig, zahlt man eben „derecho al piso“ (Bodenrecht).

Der Peter Tost (Name geändert) ist am Telefon. Er hat einen Citroen AK 400 in einer Anzeige der Tageszeitung gefunden, will noch vorbeikommen und mit mir zusammen das Fahrzeug besichtigen.

Alle Zweifel werden energisch aus meinem Gedankengut verbannt, die Ente (natürlich total überteuert) auf der Stelle gekauft. Der Peter kann es natürlich nicht nachvollziehen wie man sich auf so ein Gefährt einschießen kann. Die Kinder jedoch freuen sich.

Drei Tage später nachdem der Papierkram, vorläufiger Kaufvertrag der eigentlich nur aus einer wertlosen Quittung besteht etc. abgeschlossen ist, stehen wir vollbepackt mit unseren drei Blechkisten unseren beiden Nachkömmlingen Claudia und Joachim abfahrbereit vor der „Villa Fleischmann“. Macht das nicht! Versucht uns die Gastgeberin unseren Plan auszureden, als Neulinge gleich mit eigenem Fahrzeug quer durch Asuncion, diesem Chaos hier zu fahren.


Glückliche Claudia

Das kann mich nicht abschrecken erwidere ich trotzig. Meine Chefin jedoch: Hör auf Sie! Sie ist schon länger hier, weiß wovon sie redet.

Aber: ich war auf früheren Reisen in verrückteren Städten wie z.B. Istanbul, Damaskus, Teheran und sogar in Venezuelas Hauptstadt Caracas als unerschrockener „ Ententreiber“ unterwegs.

Geld und Angst hatte in meinem bisherigen Leben eher eine untergeordnete Rolle gespielt. So sollte die Fahrt über Coronel Oviedo, wo mein zukünftiger Arbeitsplatz sein wird, bis nach Villarrica wo uns Frau Fleischmann bei weiteren Mitarbeitern unserer Organisation freundlicherweise angemeldet hatte, meine erste Herausforderung sein.

Kräftig ziehe ich an dem Seilzuganlasser, der an die Reißleine unseres daheimgebliebenen Rasenmähers erinnert. Das Motörchen unseres neu erworbenen Citroen 3cv Kastenwagen aus Argentinischer Produktion schnurrt zufrieden.

So, es geht los!

Chau und vielen Dank für alles. Ein letzter Test der elektrisch betrieben Hupe, die hier das wichtigste Anbauteil im Kraftfahrzeug zu sein scheint.

Ok, funktioniert laut und deutlich. „Den mutigen gehört die Welt“

Und so tasten wir uns in Schlangenlinien den Schlaglöchern ausweichend in der mit Bruchstein gepflasterten Straße, zur Av. Mcal. Lopez der Pracht-Avenida Asuncions.

Entgegen allen Bedenken meiner Copilotin schaffen wir es ungehindert und unversehrt bis San Lorenzo, wo es dann auf der Ruta 2 über Landstraße Richtung Oviedo geht. 132 km sollen es sein, da kommt ihr an eine Kreuzung, der einzigen überhaupt auf dieser Strecke von fast 400 km.

Etwas abseits der Ruta linker Hand befindet sich dann Coronel Oviedo. Solltet ihr also einen Abstecher nach Oviedo machen wollen, müsst ihr nach links abbiegen. Nach Villarrica geht es rechts ab, wo ihr dann nach 45 km, in Villarrica eintrefft. Soweit die wirklich detaillierte Wegbeschreibung von meinem neuen Chef dem Herrn Fleischmann.

Klingt eigentlich gar nicht so kompliziert, und müsste auch von einem Paraguay- Neuling ohne größere Komplikationen machbar sein.

Auf der Ruta 2 wird es dann ruhiger. Die liebe Sonne am Zenit zeigt deutlich zu was sie hier im Lande der Guaranies fähig ist. Dieser Umstand wirkt sich sehr positiv auf unsere Stimmung aus. Ich komme mir vor als wären wir eben grad zu der Weltreise gestartet, von der ich schon seit Jahren träume. Das riesige Lenkrad im festen Griff, mit der Rechten ab und zu mittels der Revolverschaltung in der Getriebebox herum gerührt: Das macht Laune! Oder spinne ich jetzt schon total? Wäre etwas verfrüht jetzt am fünften oder sechsten Tag.

<Papa, Papa> ruft mein Töchterchen Claudia die mutig zwischen den Blechkisten eingeklemmt ausharrt, nach vorne: <Schau, die tollen Hängematten hier am Straßenrand. So eine will ich! Nein, so eine brauch ich unbedingt! Die musst du mir kaufen; aber bald! >

<Und ich will ein Moped> so unser Sprössling Joachim. <Der Mark, also der Sohn von den Fleischmanns hat mich sehr gut aufgeklärt was hier so geht und was nicht. Hier dürfen schon zwölfjährige Moped fahren, und weil man keinen Führerschein dazu benötigt, ist das alles ganz einfach und legitim. Logisch oder? >Ich verspreche baldmöglichst die Wünsche unserer beiden in die Realität umzusetzen.

Mittendrin zwischen San Jose und Oviedo fängt unsere Ente an zu husten, und zwischendurch klingt es auch so als würde man hinten einen rauslassen, um dann endgültig in stillstem Schweigen zu verharren. So stehen wir jetzt da im Nichts. Der Motor streikt, will ums Verrecken nicht mehr starten.

Verzweifelt klingt die Stimme meiner Beifahrerin: <Oh weia, wenn wir jetzt überfallen werden, hier hilft uns keiner. Hier lebt ja keine einzige Menschenseele. Und ich hab meine erste Panne im fremden neuen Land schon nach 120 km Fahrstrecke. „Das fängt ja gut an“ >, sowie weitere Kommentare die ich hier nicht wiedergeben möchte, lassen meine bisher ausgezeichnete Laune in nullkommanix in den Keller gehen.

Ich, das heißt wir alle, hatten von unserem schönen perfekten Alemania einfach noch nicht abgenabelt, wo in solchem Falle z.B. einfach der ADAC an der nächsten Notrufsäule an gekabelt werden kann.

<Musst du auch immer deinen Kopf durchsetzen? Warum hast du nicht auf die Warnungen von Frau Fleischmann hören wollen? Sie hat mir während du auf Autosuche warst, einige schaurige Geschichten erzählt, was hier so alles passieren kann alleine auf weiter Flur bei einer Panne etc.. Alles, all unser ganzes Hab und Gut was wir besitzen ist hier in dieser Schrottmühle. Auch unser ganzes Bargeld die 20,000.- DM die wir aus Deutschland mitgebracht hatten sind in einer der Kisten da hinten. Hast du das vergessen? Jetzt sitzen wir hier in der Schei…., um nur einiges von der Standpauke zu benennen.

Tranquilo, (immer mit der Ruhe) hatte mir Don Manfred, der erfahrene Südamerikafux geraten. Und sich aufzuregen bringt schon gar nichts, war sein zusätzlicher Rat. Recht hat er behalten bis zum heutigen Tag.

Der Defekt war schnell gefunden. Die gealterte Zündspule war glühend heiß geworden. Mittels kaltem frischen Wasser aus unserer Eis box flux runtergekühlt, startet das Motörchen bereitwillig und es kann weiter gehen. Bin ja kein Anfänger oder? und ganz schön stolz auf mich selbst wegen der raschen Fehlererkennung inkl. Behebung. Ich behaupte einfach mal, dass die sog. „Gelben Engel“ vom ADAC es nicht besser gemacht hätten.

Das muss die besagte Kreuzung links nach Oviedo sein. Ganz eindeutig zu erkennen da nach links als auch nach rechts asphaltierter Straßenbelag abgeht. Von Hinweisschildern natürlich keine Spur, denn wer in diesem Land unterwegs ist, sollte die Verhältnisse sowie die Gegebenheiten kennen. Und außerdem: wo so gut wie keine richtigen asphaltierten Überlandstraßen vorhanden sind, dürfte das „sich verfahren „ recht schwierig gestalten.

Einiges an Überredungskunst kostet es mich, meine lieben davon zu überzeugen einen kurzen Abstecher in Richtung meines zukünftigen beruflichem Revier zu machen. In einem Reiseführer hatte ich bezüglich Coronel Oviedo die folgenden drei Sätze gelesen:

„Staubiges Nest, dessen eigentlicher ursprünglicher Name Ajo (Knoblauch) ist. Hier lohnt es sich nicht anzuhalten. Es sei denn man arbeitet für „ Colombia Film“ und möchte einen Wildwestfilm mit John Wayne oder Bud Spencer und Terence Hill in der Hauptrolle drehen“.

Na ja, so ähnlich sieht es hier an der berühmten Kreuzung auch aus. Jede Menge Bretterbuden die alles Mögliche zum Verzehr, oder auch zum Spülen einer ausgetrockneten Kehle anbieten. Hält trotz aller Reisewarnungen ein Bus, so werden die gegrillten Fleischspieße, die einen Duft, der zumindest bei mir Hunger und Appetit erzeugt, vom verkokten Grill, bestehend aus einer alten Öl tonne, gezerrt und lautstark den Reisenden durchs Fenster feilgeboten.

Ich darf es nicht laut sagen, aber hier möchte ich irgendwann mal einen ganzen Tag (oder Nacht?) verbringen. Ich hatte es erlebt, damals vor vier Jahren, in Venezuela. Erinnerungen werden wach. Alles gleicht sich in vielen Belangen, diese aufregenden emotionsgeladenen acht Monate in Puerto Ordaz, am Rio Caroni. Nur acht Monate durften es sein… viel zu wenig! Oder war es meine Rettung das ich nur relativ kurzfristig dort sein durfte?

Extrem schwer gefallen war mir der Abschied damals, sehr viel hatte ich zurückgelassen. Mein Herz am Ufer des Orinoko hoffnungslos für alle Zeiten verloren. „Venezuela ich komme wieder“ hatte ich mir geschworen, als der Flieger mit dem ich die Heimreise angetreten hatte, noch eine Ehrenrunde über dem Orinokodelta dreht.

Joachim und ich drücken uns noch einen von den herrlich duftenden Fleischspießen rein. Die Damen lehnen dankend ab. Aus den Ritzen irgendeiner Bude die gleiche Musik von Ruben Blades y Willy Colon so wie seinerzeit am Orinoko quakend, zu uns herüberdringt. Und so als wolle man mich willkommen heißen:

La vida te da sorpresa, sorpresa te da la vida..oh Dios” ( Das Leben bringt Überraschung, Überraschungen bringt dir das Leben … Oh Gott ) Ein Mädel lächelt mich an; una Cerveza Señor??, was mir ein Pochen an den Schläfen verursacht. Was ist denn jetzt mit dir los? Ich bin erschrocken über mich selbst. Nur nichts anmerken lassen! Meine Gefühle und abstrakten Gedankengänge die ich hier und in diesem Moment durchmache, darf ich mit niemandem der hier anwesenden teilen, das würde den Bogen extrem überspannen.

Was bahnt sich hier an? An diesem hässlichen Platz wo die meisten Menschen nicht mal tot überm Zaun hängen möchten?

Ich hab das umwerfende Gefühl, das sich mein Herz wieder zu Wort melden will. Zögerlich und etwas verkrampft, will es wieder zu neuem Leben erwachen.

Völlig überflüssig, aber: „Blinker links“ und eine Schleife durch die staubige Stadt drehen. Das wird mich ablenken. Einen John Wayne oder so etwas ähnliches können wir nicht ausmachen. Wohl aber sein Pferd, das vor einer Ferreteria (Eisenwarenhandlung) mit noch drei anderen Gäulen vorschriftsmäßig am dafür vorgesehenen eisernen Ring angebunden ist. Gesattelt mit Lasso und allem was dazu gehört, wartet es auf den Westernhelden.

<Lass uns endlich weiterfahren! Wir wollen noch vor Einbruch der Dunkelheit in Villarrica sein, müssen die Marion, wo wir vorläufig Unterschlupf gefunden haben noch ausfindig machen. Da sind wir angemeldet verdammt noch mal!> werde ich von meiner Crew bedrängt.

Als zukünftiger Werkstattleiter einer Ausbildungsstätte im allgemeinen Maschinenbau sollte ich informiert sein über Werkzeug und Materialangebot, und bestehe deshalb auf einen kurzen Informationsbesuch der Ferreteria.. Das fällt in meinen Verantwortungsbereich. Oder?

Zehn Minuten kriege ich genehmigt. Und was ich da alles zu sehen bekomme ist umwerfend.

John Wayne ist auch da.

Jedoch eher in der Statur von Louis de Funes dem französischen Grimassenzieher, wobei sein Outfit dem des John Wayne absolut entspricht.

Tatsächlich, alles was auch nur im entferntesten Sinn mit Eisen oder sonstigem Metall zu tun hat wird hier angeboten. Rundeisen, Vierkanteisen, Winkeleisen, Eisenfeilen und Bohrer. Eisenketten und Schubkarren mit Eisenrädern.

Jede Menge Schießeisen aller Kaliber, Lang und Kurz, Trommel oder automatischer Wiederlader. Neu und gebraucht alles fein säuberlich aufgereiht hängen sie da, jeder an seinem eigenen rostigen Nagel hinter dem Verkaufstresen. Die passende Munition dazu liegt offen neben der mechanischen Registrierkasse. Kling…..und alles frei verkäuflich.

Was fehlt ist eine Eisenbahn. Die würde wahrscheinlich dem Laden hier sprengen. Hin und weg bin ich, und muss hier raus!



Schon bald hatten wir genug Zeit um uns zu akklimatisieren. Ein 250 Jahre altes Haus mit tropischem Garten auf einem Grundstück von über 2000 Quadratmeter haben wir zwischenzeitlich gemietet, sind glücklich endlich einziehen zu können. Unsere Sprösslinge haben jeder sein eigenes Reich, unsere Claudia ein richtiges Prinzessin Zimmer mit Türmchen und so. Freundschaften mit den Einheimischen, aber auch mit der deutschstämmigen Bevölkerung können geknüpft werden. Es ist eine tolle Zeit.


Partystimmung

Die ausgesprochen hübsche junge Studentin Teresa haben wir engagiert, um der ganzen Familie täglich drei Stunden Spanischunterricht zu erteilen. Zwei weitere Fahrzeuge, ein uralter Willy‘s Jeep, und ein 10 Jahre alter Land Rover stehen vor der Türe um die nähere und auch weitere Umgebung zu erkunden. Auch die Doña ist wieder mobil und gerne mit dem Jeep unterwegs.




Unser Jeep




Unser Land Rover mit Papa Walter Joachim und Claudia


Ich fange an speziell die Einheimischen zu bewundern. Unter ihnen trifft man keinen einzigen wie aus der Heimat gewohnt „Grießkrämer und Nörgler“. Alle machen immer einen sehr fröhlichen sorgenfreien, ja glücklichen Eindruck auf uns. Steht denen dies denn überhaupt zu? Das hier ist doch „dritte Welt“ Wie kann man da einen ausgeglichenen Lebenswandel führen? Noch dazu in einer Militärdiktatur die von dem deutschstämmigen Heeresgeneral Don Alfredo Stroessner befehligt wird. Und das nun schon seit fast 35 Jahren. Vielleicht gerade deswegen? Unglaublich!




Aufbruch zur Safari


Einen ehemaligen Militärarzt (Traumatologe), ich nenn ihn Dr. Knochensplitter, kann ich bald zu meinem näheren Freundeskreis zählen. Niemals fehlt er in den kommenden Jahren bei unseren Asado-abenden mit viel Fleisch auf dem Grillrost. Sogar spät in der Nacht wenn sich spontan eine Fiesta ergibt. Ein kurzer Anruf genügt, und 20 Minuten später steht Dr. Miguel auf der Matte. Mit einer Flasche Whisky unter dem Arm, seinen Papagei Pancho auf der Schulter.

Die Stimmung ist gerettet, da er auch meistens gleich ein paar Mariachis mitbringt. Und wenn ich ihn so sehe mit seinem ergrauten Rauschebart, dem Pancho, Whisky und der filterlosen „la V“ im Mundwinkel, muss ich an alte amerikanische Kriegsfilme denken, wie der alkoholisierte Dr. im Feldlazarett dem verletzten Soldaten mit einer grobschlächtigen Knochensäge Bein oder Arm amputiert.

Die Lebensumstände gefallen mir ausgesprochen gut, und gehen mir sehr nahe. Bin geradezu begeistert und stelle mir insgeheim schon vor, für immer und ewig hier zu bleiben.

Südamerika hin und zurück

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