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ОглавлениеWohnklima
30. August 1989
Wir packen weitere SOFORT-Kisten aus in der Hoffnung, die Dinge zu finden, die wir auf Vorrat in Deutschland eingekauft haben, weil sie in der UdSSR, laut Bundesstelle für Außenhandel, nur „in ungenügender Qualität“ oder gar nicht zu finden seien. Dazu zählen Toilettenpapier, Tempo-Taschentücher, alle alltäglichen Körperpflegeartikel, Waschpulver, Reinigungsmittel, besondere Genussmittel wie Bohnenkaffee, Medikamente und ein „Wartungs- und Ersatzteilpaket“ für unser Auto. Für den Passat werden hoffentlich mit der nächsten Interdean-Lieferung vier Sommer- und vier Winterreifen - jeweils mit Felgen - angeliefert, die dann auf den Balkon verfrachtet werden. Wir hören, dass in diesen Tagen jemand aus der deutschen Kolonie es geschafft hat, innerhalb von neun Tagen sechs Reifen kaputt zu fahren. Im Fahrzeug sollten weder Reifen - egal ob mit oder ohne Felge - noch irgendwelche anderen Gegenstände zurückgelassen werden, schon gar nicht für jedermann sichtbar.
Die gesamte Fläche direkt neben der Wohnungstür besteht aus einem Wandschrank. Davor befindet sich eine recht geräumige Diele, von der aus man über einen etwa vier Meter langen Flur die Küche erreicht. Der Flur wirkt durch seine verminderte Deckenhöhe wie ein Tunnel. Der Vorteil aber ist, dass unter der Decke ein Einbauschrank angebracht ist, der sowohl von der Diele als auch von der Küche aus genutzt werden kann: jede Menge Stauraum also für unsere Vorräte und die SPÄTER-Kisten!
Während wir am Auspacken und Sortieren sind, ruft Herr Knötzsch an. Er hat uns für den 16. September Karten für das Bolschoi-Theater organisiert. Dadurch neu motiviert, machen wir weiter.
Am Abend kommen Hellmuth und Roswitha, zwei Schwaben aus Krumbach, zu Besuch, die zur gleichen Zeit wie wir an die Schule vermittelt worden sind und mit denen wir schon von Bad Segeberg aus Kontakt aufgenommen hatten. Sie bringen, wie in Deutschland verabredet, einen Luftbefeuchter mit, damit wir besonders im Winter besser durchatmen können. Die Luft ist dann nämlich extrem trocken, weil die Heizkörper nicht regulierbar sind. Regulierungsrädchen oder Thermostaten sind in diesem Land unbekannt. Selbst mit einem geläufigen Vierkantschlüssel ließen sich die Heizkörper nicht regulieren, da sie schon derart oft mit einem Farbaufstrich versehen wurden, dass die Ansatzstelle für so ein Werkzeug von einem dicken, steinharten Farbklecks verdeckt ist. Wenn der Staat Winter befohlen hat, laufen sämtliche Heizungen in allen geschlossenen Räumen in der Sowjetunion auf Volldampf, zentral per Knopfdruck gesteuert. Energie ist ja genügend vorhanden. Wozu also sparen!
Um 23:30 Uhr kommen Annika und Ingmar vom Lego-Spielen bei Dominik zurück. Es ist üblich, dass die Kinder hier bis Mitternacht auf den Beinen sind. Unsere Kinder zeigen keinerlei Anpassungsprobleme.
Aus unserem Kassettenrekorder tönt der Song „Moscow“ der deutschen Band Wonderland. Wie passend!