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Automat, Erschleichen der Leistung § 265a I StGB
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»Automat« i.S. des § 265a I StGB ist nur der »Leistungs-«, nicht der »Warenautomat« (str. Rn. 72). Kennzeichnend für »Leistungsautomaten« ist es, dass das Gerät eine – entgeltliche – Dienst- oder Werkleistung erbringt, die nicht allein in der Lieferung einer Sache besteht. Demgegenüber sind »Warenautomaten« nicht nur Automaten, die Produkte liefern (z.B. Zigaretten), sondern auch Geräte, die das verkörperte Recht auf eine Leistung vermitteln (z.B. durch Abgabe von Wertzeichen, Fahrkarten, Eintrittskarten oder Gutscheinen).
Das »Erschleichen« der Leistung besteht in ihrer Inanspruchnahme durch ordnungswidrige Betätigung der – die Entgeltlichkeit sichernden – technischen Vorrichtungen des Automaten (»täuschungsähnliche Manipulation«, »Überlistung des Mechanismus«) Rn. 73.
Literatur:
Fischer § 265a Rn. 3 ff, 7 ff, 10 ff; NK-Hellmann § 265a Rn. 18 ff. Einführend: W/Hillenkamp Rn. 672 ff, 678 (unter Einbeziehung von Warenautomaten).
Rechtsprechung
Beispielhaft: BGH MDR 1952, 563 (zum Warenautomat/Diebstahl); BGH MDR 1985, 795 (Aufbrechen); BayObLG MDR 1961, 619 (Stromzähler mit Münzkassierer).
OLG Düsseldorf NJW 2000, 158: „Rechtsprechung und Schrifttum unterscheiden bei der Anwendung des § 265a StGB zwischen Warenautomaten, die Waren oder Berechtigungs- oder Gutscheine aller Art abgeben (z.B. Zigaretten-, Getränke- oder Fahrkartenautomaten), und Leistungsautomaten, die sonstige, nicht in der Hergabe von Sachen bestehende Leistungen erbringen (wie z.B. Spiel-, Musik-, Fernsprech- und Gewichtsautomaten). Nur die zuletzt genannten Geräte unterfallen dem Auffangtatbestand des § 265a StGB, während die missbräuchliche Benutzung von Warenautomaten seit jeher als Diebstahl gewertet wurde. Der Geldautomat erbringt keine Leistungen…, sondern gibt Geldmünzen, also Waren, ab. Er ist deshalb als Warenautomat zu behandeln.“
Erläuterungen
I. Automatenbegriff – Tatbestandsmerkmale
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Historisch betrachtet wurde der Automatenbegriff in § 265a StGB auf sog. »Leistungsautomaten«[1] beschränkt, da beim sog. »Warenautomaten« bestimmte Diebstahlsprivilegierungen eingriffen, die durch eine Anwendung des § 265a StGB auch auf Warenautomaten nicht unterlaufen werden sollten.[2] Da mittlerweile über § 265a III StGB auch die §§ 247, 248a StGB in Bezug genommen werden, ist dieser Grund für die Einschränkung auf Leistungsautomaten entfallen. Deshalb wird vorgeschlagen, in den Tatbestand des § 265a I StGB auch »Warenautomaten« einzubeziehen.[3] Das Verhältnis zum Diebstahl hängt nach dieser Lösung davon ab, ob und wann bei einer Entwendung der »Warenleistung« ein Gewahrsamsbruch vorliegt (dann Subsidiarität des § 265a StGB) oder aufgrund der betrugsähnlichen Manipulation zu verneinen ist (dann nur Leistungserschleichung). Demgegenüber hält die wohl noch h.M. an der Ausgrenzung von Warenautomaten fest und begründet dies damit, dass § 265a StGB zum Zweck der Schließung von Strafbarkeitslücken geschaffen worden sei, es aber in Bezug auf Warenautomaten (wegen § 242 StGB) an einer solchen fehle.[4] Ferner sei der „Leistungsgegenstand, für den das Entgelt entrichtet wird, [bei Warenautomaten] allein die Sache, nicht aber eine um ihrer selbst willen produzierte ›Leistung‹ des Automaten“.[5]
Ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal des § 265a I StGB ist, wie sich aus der Vermögensschutzfunktion der Vorschrift ergibt und der subjektive Tatbestand erkennen lässt, die »Entgeltlichkeit« der angebotenen Automatenleistung.[6] Die im subjektiven Tatbestand genannte Absicht bezieht sich nämlich auf eine Nichtentrichtung des Entgeltes, macht also deutlich, dass die Leistung des Automaten immer entgeltlich sein muss. Wer also eine unentgeltliche Leistung eines Automaten erschleicht, die er irrtümlich für entgeltlich hält, in der Absicht, sich die für die Leistung aufzuwendenden Gelder zu ersparen, begeht einen untauglichen Versuch.
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Aus dem Zweck des § 265a StGB, Strafbarkeitslücken des Betrugstatbestandes zu schließen, wird das Erfordernis einer »betrugsnahen Auslegung« abgeleitet.[7] Anknüpfungspunkt hierfür sei das Merkmal des Erschleichens, welches ein »täuschungsähnliches Verhalten« erfordere.[8] Daher setzt ein Erschleichen beim Automatenmissbrauch voraus, dass der Täter die Mechanismen, die die Entgeltlichkeit der Leistung sichern, durch täuschungsähnliche Manipulationen überlistet, indem er sie in ordnungswidriger Weise betätigt.[9] Hieran fehlt es, wenn dieser Mechanismus defekt ist und die Leistung ohnehin bei jeder Betätigung gewährt wird.[10] Ebenso fehlt mangels Betätigen des Mechanismus ein Erschleichen, wenn der Täter gewaltsam auf den Automaten einwirkt, um auf diese Weise die Leistung unentgeltlich zu erlangen. Zum Begriff des »Erschleichens« bei der Beförderungs- oder Zutrittserschleichung nach § 265a StGB vgl. das Stichwort »Beförderung/Zutritt, Erschleichen von« Rn. 85.
II. Ausgeschlossene/zweifelhafte Fälle
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Bei Automaten, die eine »gemischte Leistung« erbringen, bestimmt sich die Einordnung als Leistungs- bzw. Warenautomat danach, auf welchen Leistungsteil die Tat abzielt.[11] Geldspielautomaten sind »Leistungsautomaten« hinsichtlich ihres nicht versachlichten Leistungsbereichs (z.B. Vermittlung von »Spielvergnügen« mit Gewinnchance), bezüglich der Geldausgabevorrichtung dagegen »Warenautomaten«.[12] Nicht unter den Tatbestand des § 265a I StGB fällt nach h.M. die Entwendung von Geld aus »Geldspielautomaten« durch ordnungswidrige Betätigung des Mechanismus, z.B. Anwendung von Tricks beim Geldeinwurf, Ausnutzung eines Gerätefehlers, sonstige technische Manipulation. Hier wird nämlich nicht auf den »Leistungsbereich« (Spielvermittlung) des Automaten erschleichend eingewirkt, sondern das Gerät als »Sachherausgeber« missbraucht. In solchen Fällen liege regelmäßig Diebstahl am Geld vor.[13]
Nicht durch § 265a StGB erfasst ist nach h.M. das sog. »Leerspielen« von Glücksspielautomaten unter Ausnutzung von – illegal erlangten – Kenntnissen über das Geräteprogramm.[14] Insoweit versagt mangels ordnungswidriger Einwirkung auf den Mechanismus auch die Strafbarkeit wegen eines Eigentumsdelikts.[15] Ebenfalls nicht von § 265a I StGB erfasst wird nach allgemeiner Auffassung die unberechtigte Betätigung von Geldausgabeautomaten (Missbrauch von Codekarten): Bezüglich der Geldauszahlung ist der Bankautomat kein »Leistungs-«, sondern »Warenautomat«; seine »Leistung« (die Geldausgabe) erfolgt im Übrigen nicht »gegen Entgelt« und wird bei technisch korrekter Benutzung nicht »erschlichen«.[16]
Parkuhren und Parkscheinautomaten sind weder »Leistungsautomaten« noch erlauben sie den Zutritt zu einer »Einrichtung« i.S. des § 265a I StGB.[17] Denn die Parkuhr/der Parkscheinautomat erbringt dem Benutzer keine Leistung in Form der tatsächlichen Ermöglichung des Parkens – anders als z.B. eine automatische Parkraumschranke –; vielmehr wird lediglich ein Parkverbot befristet aufgehoben und die Benutzung des Parkplatzes kontrolliert. Aus diesem Grund scheidet auch die Qualifizierung als eine den Zutritt beschränkende »Einrichtung« aus, die Gegenstand eines entsprechenden »Erschleichens« sein kann: Dieser Missbrauch ist strafrechtlich als solcher nicht erfasst.[18]