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B › Beförderung/Zutritt, Erschleichen von (Leistungserschleichung) § 265a I StGB

Beförderung/Zutritt, Erschleichen von (Leistungserschleichung) § 265a I StGB

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Das »Erschleichen« erfordert – über die bloß unbefugte Inanspruchnahme der Leistung hinaus – ein ordnungswidriges Verhalten, mit dem sich der Täter unentgeltlich die Leistung verschafft, indem er Sicherungsvorkehrungen (Kontrollmaßnahmen) umgeht oder ausschaltet oder sich auch nur mit dem äußeren Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt (str. Rn. 87).

Kein »Erschleichen« liegt vor, sofern der Täter offen zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung unentgeltlich in Anspruch nimmt (z.B. bei demonstrativem Protest oder Anwendung von Zwang).

Literatur:

MK-Mühlbauer, 2. Aufl., § 265a Rn. 25 ff, 40 ff, 59 ff; SK-Hoyer, 8. Aufl., § 265a Rn. 6 ff, 20 ff; S/S/Perron § 265a Rn. 6 ff, 11. Einführend: Bock JA 2017, 357 ff.

Rechtsprechung

Grundlegend: BVerfG NJW 1998, 1135 (1136); BGHSt 53, 122 (125 ff) mit Bspr. Alwart JZ 2009, 478 ff, Zschieschack/Rau JR 2009, 244 f; BayObLG NJW 1969, 1042 (1043 – offenes Schwarzfahren); OLG Hamburg NStZ 1991, 587 (588) mit Bspr. Alwart S. 588 und Schall JR 1992, 1 ff.[1] Beispielhaft: KG NJW 2011, 2600 f und OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2016, 112425 zum offenen Schwarzfahren; OLG Koblenz NJW 2000, 86 f (vergessene Monatskarte) mit krit. Anm. Kudlich NStZ 2001, 90 f.

BGHSt 53, 122: „Eine Beförderungsleistung wird bereits dann … erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen.“

Erläuterungen

I. Allgemeines

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Ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal ist – wie sich aus der Vermögensschutzfunktion der Vorschrift ergibt und der subjektive Tatbestand erkennen lässt – die »Entgeltlichkeit« der erschlichenen Leistung (s. bereits zur Leistungserschleichung bei Automaten Rn. 72). Deshalb sind mit »Veranstaltung« und »Einrichtung« nur solche gemeint, für deren Inanspruchnahme (Benutzung) als wirtschaftliche Gegenleistung – und nicht nur zwecks Zutrittsbegrenzung – ein Entgelt verlangt wird.[2] Zu beachten ist, dass die »Beförderung durch ein Verkehrsmittel« auch private Verkehrsmittel umfasst; der in der Vorschrift genannte »öffentliche Zweck« bezieht sich auf die Verkehrsmittel nicht!

Die Tat ist grundsätzlich mit dem Beginn der Beförderungsleistung/der Veranstaltung vollendet.[3] Sofern man für ein »Erschleichen« allerdings die Umgehung oder Ausschaltung von Kontrollmaßnahmen fordert (str. Rn. 87), wird man ggf. die Vollendung erst zu einem späteren Zeitpunkt bejahen (etwa, wenn die Kontrollperson erstmals – z.B. geraume Zeit nach Fahrtantritt – erscheint).

II. Probleme des »Erschleichens«

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Umstritten ist die genauere Bestimmung der »Ordnungswidrigkeit« des Verhaltens und dabei insbesondere die Frage, ob es sich beim »Anschein der Ordnungsmäßigkeit« um ein geeignetes Kriterium des »Erschleichens« handelt. In Übereinstimmung mit einem Teil des Schrifttums bezieht die obergerichtliche Rechtsprechung[4] auch Fälle ein, in denen der Täter lediglich das Fehlen von Kontrolleinrichtungen ausnutzt: Es genüge das Nichtlösen eines Fahrausweises oder das Unterlassen der Entwertung sowie »äußerlich unauffälliges oder unbefangenes Verhalten«, das den »Anschein der Ordnungsmäßigkeit« erwecke.[5] § 265a I StGB solle auch „diejenigen Fälle erfassen, in denen es unklar bleibt, ob der Täter durch täuschungsähnliches oder manipulatives Verhalten Kontrollen umgeht“.[6] Dieser Anschein werde erst durch offenes und unmissverständliches Verhalten beseitigt, aus dem hervorgehe, „die Beförderungsbedingungen nicht erfüllen und den Fahrpreis nicht entrichten zu wollen“.[7]

Demgegenüber wird in der Literatur vielfach argumentiert, dass mit diesem Verständnis das »Erschleichen« gesetz- und wortlautwidrig seine »täuschungsähnlich« einschränkende Bedeutung verliere und der Tatbestand letztlich auf die bloß unbefugte Inanspruchnahme der Leistung reduziert werde. Von hier aus verlangt eine engere, im Schrifttum vordringende Auffassung, dass der Täter Kontrollmaßnahmen umgeht oder ausschaltet, wie etwa durch »Einschleichen«, Sichverbergen, Benutzung eines »ungewöhnlichen« Zugangs,[8] scheinbare Entwertung eines präparierten Fahrausweises[9], Weglocken von Kontrollpersonen.[10]

Nach Ansicht des BVerfG[11] verstößt eine Auslegung des »Erschleichens« i.S. der Rechtsprechung nicht gegen das Bestimmtheitsprinzip des Art. 103 II GG; eine Einschränkung, dass „etwa die Überlistung einer Kontrollmöglichkeit oder eine täuschungsähnliche Manipulation“ verlangt werden müsse, sei verfassungsrechtlich nicht geboten.[12]

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