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Bandenmäßige Begehung (»Mitwirkung« als Bandenmitglied) §§ 244 I Nr. 2, 244a I, 250 I Nr. 2 StGB
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»Unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds« wird die Tat (Diebstahl/Raub) begangen, wenn mindestens zwei am Tatort anwesende Bandenmitglieder bei der Tatausführung räumlich-zeitlich zusammenwirken (Erfordernis unmittelbar tatbezogener Mitwirkung, »Konvergenz«, str. Rn. 82 ff). Mittäterschaft ist für dieses Zusammenwirken nicht erforderlich.
Die Beteiligung eines Bandenmitglieds als Täter (Mittäter, mittelbarer Täter) des Bandendelikts setzt andererseits – ebenso wie die Teilnahme – eine solche unmittelbare »Mitwirkung« nicht notwendig voraus; die Täterschaft richtet sich vielmehr nach allgemeinen Regeln (»Mitwirkung« kein spezielles Tätermerkmal, keine »Sonderregelung der Täterschaft«, str. Rn. 82 ff).
Literatur:
MK-Schmitz § 244 Rn. 49 ff; S/S/Bosch § 244 Rn. 26 f und § 250 Rn. 26. Einführend: W/Hillenkamp Rn. 301 f; Zopfs Jura 2007, 510 (515 f). Monographisch: Kosmalla, Die Bandenmäßigkeit im Strafrecht, 2005, S. 155 ff; Krings, Die strafrechtlichen Bandennormen (usw.), 2000, S. 92 ff.
Rechtsprechung
Grundlegend zur Entwicklung der Rspr.: 1. Tatortbezogene Mitwirkung als zugleich notwendiges Tätermerkmal: RGSt 66, 236 (241 ff); 73, 322 f; BGHSt 8, 205 f; 2. »Mitwirkung« als tatortbezogenes, nicht aber spezielles Tätermerkmal: BGHSt 46, 120 (125 ff); 46, 138 (140 ff); BGH NStZ 2000, 255 ff mit zust. Anm. Hohmann, S. 258 f, krit. Otto StV 2000, 313 ff; BGH NJW 2000, 2907; 3. Tatbezogene Auslegung: BGHSt 46, 321 (332 ff), Großer Senat[1], mit Bspr. Altenhain Jura 2001, 836 (841 f), Ellbogen wistra 2002, 8 (10 f) sowie abl.: Erb NStZ 2001, 561, 564 ff und Joerden JuS 2002, 329 (332). Beispielhaft: BGHSt 33, 50 (zu oben 1.: im Hintergrund tätiger Bandenchef als Täter der Bandentat?); 38, 26 (29) und BGH NStZ 1996, 495 (zur Bandenhehlerei ohne Mitwirkungserfordernis) mit krit. Anm. Miehe StV 1997, 247 ff; BGHSt 47, 214 (218 – Gehilfe als Mitwirkender?) mit krit. Anm. Erb JR 2002, 338 ff und Toepel StV 2002, 540 ff.
BGHSt 46, 120: „Ein Mitglied einer Bande … kann nicht nur dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß es auf eine andere, als täterschaftlicher Beitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Beteiligten in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.“
BGHSt 46, 321 f (Großer Senat): „Der Tatbestand des Bandendiebstahls setzt nicht voraus, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder örtlich und zeitlich den Diebstahl zusammen begehen. Es reicht aus, wenn ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die Wegnahmehandlung selbst kann auch durch einen bandenfremden Täter ausgeführt werden.“
BGH NStZ-RR 2016, 139: Der Bandenzusammenschluss hat „nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder auf Grund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat i. S. des § 25 II StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben.“
Erläuterungen
I. Der Ausgangspunkt
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Die Besonderheit der in §§ 244 I Nr. 2, 244a I, 250 I Nr. 2 StGB normierten Bandendelikte (Qualifikationstatbestände bei Diebstahl/Raub) besteht darin, dass hier die – sonst ausreichende – Tatbegehung »als Mitglied einer Bande« nicht genügt; das Gesetz verlangt vielmehr über die »mitgliedschaftliche« Begehung hinaus eine spezifisch »bandenmäßige« Ausführung »unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds« (Mitwirkungsdelikt). In der neueren Diskussion um den Begriff der »Bande« (Rn. 76 f) ist auch dieses Mitwirkungserfordernis wieder in die Auseinandersetzung geraten. Dabei sind zwei grundsätzliche Fragen zu trennen. Bei der ersten Frage geht es darum, was die »Mitwirkung« inhaltlich bedeutet, welche Art der Beteiligung damit gemeint ist. Die zweite Frage, die sich allerdings nur von einem bestimmten (restriktiven) Verständnis der »Mitwirkung« aus stellt, betrifft das Verhältnis dieser Mitwirkung zur täterschaftlichen Beteiligung am jeweiligen Bandendelikt: Kann nur der »Mitwirkende« Täter des Bandendiebstahls bzw. Bandenraubes sein (Rn. 82)?
II. Tatortbezogene »Mitwirkung« und Täterschaftsproblem
1. Die traditionelle Auffassung
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Nach traditioneller Auffassung, die lange Zeit der Rechtsprechung zugrunde lag und im Schrifttum noch heute vertreten wird, lässt das Gesetz für die »Mitwirkung« nicht jede Tatbeteiligung genügen, sondern verlangt ein räumlich-zeitliches – wenngleich nicht unbedingt »körperliches« – Zusammenwirken am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe. Andererseits muss diese »Mitwirkung« nicht in mittäterschaftlicher Beteiligung bestehen, so dass z.B. eine Beihilfe prinzipiell ausreicht. Das Bandendelikt setzt danach als Minimum voraus, dass zumindest ein Bandenmitglied mit einem weiteren Mitglied in dieser Weise örtlich-zeitlich zusammenwirkt, so dass die »Bande« durch mindestens zwei Personen am Tatort aktiv repräsentiert ist. Darin wird die »besondere« Gefährlichkeit (»Aktionsgefahr«) der durch das Mitwirkungserfordernis charakterisierten Bandendelikte gesehen, die über deren »allgemeine«, bereits durch die Bandenabrede begründete Gefährlichkeit (»Organisationsgefahr«) hinausgeht: »doppelte Gefährlichkeit« des Mitwirkungsdelikts. Die spezielle »Aktionsgefahr« soll darauf beruhen, dass ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von Bandenmitgliedern am Tatort nach gesetzlicher Wertung die Effizienz des Vorgehens typischerweise steigert bzw. das Abwehrpotenzial des Opfers reduziert.[2]
Von diesem Standpunkt aus hat die Rechtsprechung, gefolgt von einem Teil der Literatur, in der tatortbezogenen »Mitwirkung« ursprünglich zugleich ein notwendiges Täterschaftsmerkmal des Bandendelikts gesehen: Täter – Mittäter, mittelbarer Täter – eines Bandendiebstahls oder Bandenraubes könne wiederum nur sein, wer selbst am Tatort »mitwirkt«, unabhängig davon, ob er am Grunddelikt als Täter beteiligt ist (Mitwirkung als »Sonderregelung der Täterschaft«). Danach genügt es z.B. für die mittäterschaftliche Verwirklichung des § 244 I Nr. 2 StGB nicht, dass sich ein Bandenmitglied (z.B. der Bandenchef als Drahtzieher im Hintergrund) an einem von anderen Mitgliedern am Tatort ausgeführten Diebstahl überhaupt als Mittäter beteiligt. Dieser Mittäter muss vielmehr auch selbst am Tatort »mitwirken«, damit er zum Mittäter des Bandendiebstahls wird. Die tatortbezogene »Mitwirkung« ist nach dieser Auffassung – neben der Bandenmitgliedschaft – eine Art »eigenhändiges« Tätermerkmal des Bandendelikts, das nicht durch allgemeine Täterschaftsvoraussetzungen ersetzt und demgemäß nicht durch Zurechnung fremden bandenmäßigen Handelns auf den Mittäter des Grunddelikts »übertragen« werden kann: Ein Täter des Bandendelikts muss gleichsam auch seine eigene »Aktionsgefährlichkeit« durch Mitwirkung am Tatort manifestieren.[3]
2. Die neuere »Zurechnungslösung«
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Gegenüber dieser traditionellen Lösung hat sich jedoch in der neueren Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass die »Mitwirkung« ebenso wenig ein spezielles Täterschaftserfordernis des Bandendelikts darstellt, wie sie ein notwendiges Teilnehmermerkmal ist. Unter der Voraussetzung, dass mindestens zwei Bandenmitglieder am Tatort zusammenwirken (um die Aktionsgefahr zu begründen), kann nach dieser Ansicht auch ein örtlich-zeitlich nicht »mitwirkendes« (drittes, viertes etc.) Bandenmitglied z.B. Mittäter des Bandendiebstahls sein, sofern ihm die Handlungen jener Mitglieder nach allgemeinen Regeln mittäterschaftlich zugerechnet werden können (§ 25 II StGB). Die bandenmäßige »Mitwirkung« sei ein aus der besonderen Gefährlichkeit der Deliktsausführung resultierendes »tatbezogenes« und daher allgemeinen Zurechnungsregeln unterworfenes Qualifikationsmerkmal. Für die Mittäterschaft reiche es deshalb aus, dass sich ein Bandenmitglied an einem bandenmäßig ausgeführten Delikt mittäterschaftlich beteilige, dessen spezielle Gefährlichkeit durch das tatortbezogene Zusammenwirken von zumindest zwei weiteren Mitgliedern begründet werde (»Zurechnungslösung«).[4]
III. Die extensive Auslegung der »Mitwirkung«
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Die Perspektiven ändern sich grundlegend, wenn für die bandenmäßige »Mitwirkung« – in extensiver Auslegung des Begriffs – überhaupt kein tatortbezogenes Zusammenwirken mehrerer Bandenmitglieder verlangt wird.[5] Dann stellt sich folgerichtig auch die Frage nach der Mitwirkung als »Sonderregelung der Täterschaft« (Rn. 82) nicht mehr. Für die »Mitwirkung« genügt vielmehr prinzipiell eine beliebige Tatbeteiligung von wenigstens zwei Bandenmitgliedern, die auch außerhalb des Tatortes zusammenwirken können, sofern jedenfalls ein Beteiligter als Täter qualifiziert werden kann. Dabei muss der unmittelbar Ausführende nicht unbedingt selbst »Bandenmitglied« sein. Dies ist seit der Entscheidung des Großen Senats vom 22.3.2001 (BGHSt 46, 321 ff) der Standpunkt der gegenwärtigen Rechtsprechung, dem sich inzwischen Teile des Schrifttums angeschlossen haben.[6] Er stützt sich maßgeblich auf den Gedanken, dass die für organisierte/spezialisierte Banden typische »vertikale« Arbeitsteilung – Zusammenarbeit bei Planung, Vorbereitung, tatbegleitenden Maßnahmen usw. – eine hinreichende »Aktionsgefahr« begründe, weil sie zumindest ebenso gefährlich sei wie die »horizontale« Arbeitsteilung am Tatort. Auch sei die Reduzierung der Abwehrkraft des Opfers durch Konfrontation mit mehreren Bandenmitgliedern kein Wesensmerkmal der Mitwirkungsdelikte (insbesondere nicht beim Diebstahl).[7] Der Haupteinwand gegen diese extensive Auslegung lautet, dass sie die gesetzliche Differenzierung zwischen den »Mitwirkungsdelikten« und den übrigen Bandendelikten (die kein Mitwirkungserfordernis aufweisen) einebne und die spezielle »Aktionsgefahr« letztlich auf die bloße »Organisationsgefahr« reduziere.[8] Zusätzlich zur »Mitwirkung« verlangt die Rechtsprechung, dass die Einzeltat Ausfluss der »Bandenabrede« (Rn. 78) ist und nicht ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt wird.[9]
Auch beim Verzicht auf eine tatortbezogene Mitwirkung stellt sich die Frage nach den genaueren Anforderungen der ggf. nur vertikalen Beteiligung (Anstiftung, psychische Beihilfe usw.).[10] Ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von Bandenmitgliedern soll jedenfalls dann genügen, wenn es die Effizienz der Wegnahme erhöht.[11] Während dies bei der physischen Beihilfe im Regelfall anzunehmen sei, müsse bei psychischen Unterstützungsmaßnahmen differenziert werden.[12]