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A › Aussage, Falschheit der §§ 153 ff StGB

Aussage, Falschheit der §§ 153 ff StGB

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Eine Aussage ist »falsch«, wenn der Aussageinhaltwas ausgesagt wird«) mit dem Aussagegegenstandworüber ausgesagt wird«) nicht übereinstimmt.

Dafür kommt es auf den Widerspruch des Aussageinhalts zum tatsächlichen Geschehen an (sog. »objektive Aussagetheorie« Rn. 59, 60), nicht dagegen auf die Diskrepanz zwischen Aussageinhalt und aktuellem Wissen der Aussageperson (sog. »subjektive Theorie« Rn. 60) oder auf den Widerspruch zu deren pflichtgemäß-potenziellem, erreichbarem Wissen (»Pflichttheorie« Rn. 61).

Literatur:

LK-Ruß Vor § 153 Rn. 8 ff. Einführend: Bosch Jura 2015, 1295 (1298 f); Hettinger/Bender JuS 2015, 577 (579 f). Monographisch: Beitz, Die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals »falsch« im Rahmen der Aussagedelikte, 2007, – Zusammenfassung S. 126 ff (»subjektive Theorie«); H. E. Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 74 ff (»Wahrnehmungstheorie«).

Rechtsprechung

Grundlegend: RGSt 37, 395 (398); 76, 94 (96); BGHSt 7, 147 (148 f); OLG Koblenz NStZ 1984, 551 (552) mit krit. Anm. Bohnert JR 1984, 425 ff. Beispielhaft: RGSt 68, 278 (282 – für Kenntnisse der Aussageperson); OLG München NStZ 2010, 219 (220 – Dramatisierung des eigenen Erlebnisbildes).

BGHSt 7, 148 f: „Falsch ist der Eid, wenn die beschworene Aussage mit ihrem Gegenstand tatsächlich nicht übereinstimmt, ohne daß es darauf ankommt, welche Vorstellung der Schwörende von dem Sachverhalt hat… Die Worte ›nach bestem Wissen‹ bedeuten nicht, daß der Schwörende einen Überzeugungseid leistet… Würde hieraus gefolgert, daß … ohne Rücksicht auf den Inhalt der beschworenen Aussage das Wissen des Zeugen zum Gegenstand des Schwures gemacht wird, so wäre der Fall möglich, daß eine Aussage, die dem wirklichen Sachverhalt entspricht, i.S. des § 153 StGB also wahr ist, durch einen falschen Eid bekräftigt werden könnte. Das kann nicht richtig sein.“

Erläuterungen

I. Die Kontroverse der Falschheitstheorien

1. Der Ausgangspunkt

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Über die adäquate Bestimmung der »Falschheit« bei den Aussagedelikten wird in einer Kontroverse verschiedener »Falschheitstheorien« gestritten. Üblich geworden ist eine grundsätzliche Dreiteilung der Theorien: die Unterscheidung zwischen der »objektiven Theorie«, der »subjektiven Theorie« und der »Pflichttheorie«.[1] Diese Theorien treten in der Literatur jedoch z.T. in modifizierter Form auf. Gemeinsam haben alle Theorien die Grundvoraussetzung, dass eine Aussage dann »falsch« ist, wenn sich ihr Inhalt (»was ausgesagt wird«) mit ihrem Gegenstand (»worüber ausgesagt wird«) nicht deckt.[2] Die Kontroverse zwischen den einzelnen Falschheitstheorien betrifft im Wesentlichen die Frage, worin der eigentliche »Gegenstand« der Aussage besteht, der für die Diskrepanz zum Aussageinhalt und damit für die »Falschheit« den Maßstab abgibt:[3] Die Falschheitstheorien sind also unterschiedliche Theorien über den »Aussagegegenstand«!

2. »Objektive« und »subjektive« Falschheitstheorie

a) Die objektive Theorie

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Herrschend ist die »objektive Falschheitstheorie«, die überwiegend auch der Rechtsprechung[4] zugrunde liegt. Sie hat den Gedanken zum Ausgangspunkt, dass die staatliche Rechtspflege in ihrer Funktionsfähigkeit nur durch eine der objektiven »Wirklichkeit« widersprechende Aussage gefährdet werden könne. Demgemäß bestimmt sie die »Falschheit« – für alle Tatbestände der §§ 153 ff StGB einheitlich – nach einem Aussagegegenstand, der als tatsächlich-objektiver Sachverhalt oder objektives Geschehen begriffen wird, ohne Rücksicht darauf, welche Vorstellung die Aussageperson von dem jeweiligen Sachverhalt hat (Kurzformel: Falschheit als »Widerspruch zwischen Wort und Wirklichkeit«). Dabei ist allerdings zu beachten, dass »objektiver« Aussagegegenstand nicht nur äußere Tatsachen sein können, sondern auch innere, psychische und insofern »subjektive« Sachverhalte der Vergangenheit oder Gegenwart (Wahrnehmungen, Erinnerungen, Wissen, Überzeugungen usw.).[5]

b) Die subjektive Theorie

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Ansatzpunkt der »subjektiven Falschheitstheorie« ist dagegen die prozessuale Funktion der Aussageperson: Die Wahrheitspflicht des Aussagenden und sein Beitrag zur objektiven Wahrheitsfindung könnten sich allein auf die Wiedergabe dessen richten, was der Aussagende aus eigenem Erleben über das Beweisthema wisse.[6] Dem Aussagenden sei „die Wirklichkeit überhaupt nur durch das Medium seines subjektiven Erlebens zugänglich“, weshalb seine Aussagepflicht „nur darin bestehen könne, das mitzuteilen, was ihm von diesem Erleben noch gegenwärtig ist, was sich als sein Wissen von dem fraglichen Wirklichkeitsausschnitt darstellt“[7]. Für den Begriff der »Falschheit« wird daraus gefolgert, dass es nicht auf die Übereinstimmung des Aussageinhalts mit der »objektiven Wirklichkeit«, sondern allein darauf ankomme, ob der Inhalt der Aussage mit dem »Wissen« des Aussagenden übereinstimme (Kurzformel: Falschheit als »Widerspruch zwischen Wort und Wissen«). Der für die »Falschheit« maßgebende Aussagegegenstand besteht danach im »Wissen« der Aussageperson – und zwar grundsätzlich im aktuell-gegenwärtigen Wissen (»Erinnerungsbild«) –, nicht in irgendeinem objektiven Sachverhalt. Pointiert Gallas (Beiträge, S. 275): „Der subjektiven Lehre geht es unmittelbar überhaupt nicht um die objektive Wahrheit [der Aussage], auch nicht um die Vorstellung des Täters davon. Sie orientiert ihren Begriff ›falsch‹ vielmehr an der Beweisrolle des Aussagenden. Dieser soll zwar zur Wahrheitsfindung beitragen, aber … ausschließlich dadurch, daß er das wiedergibt, was er aus eigenem Erleben über das Beweisthema weiß.“[8]

Der Unterschied zur objektiven Theorie wird vor allem bei Aussagen über äußere (oder vergangene innere) Tatsachen relevant: Gibt der Aussagende ein tatsächliches Geschehen zwar objektiv unrichtig, aber seiner Überzeugung entsprechend wieder, so ist die Aussage auf der Grundlage der subjektiven Theorie nicht »falsch«; nach der objektiven Theorie fehlt es hingegen am Vorsatz. Ist dagegen Aussagegegenstand ein gegenwärtiges Bewusstseinsbild (z.B. Empfindungen oder Kenntnisse der Aussageperson), mit dem der Aussageinhalt nicht übereinstimmt, kommen beide Theorien zur »Falschheit« der Aussage.[9]

3. »Pflichttheorie« und modifizierte Theorien

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Zwischen der »rein objektiven« und der »rein subjektiven« Falschheitstheorie haben sich in der Literatur »Mischtheorien« angesiedelt, die im Ergebnis auf Modifikationen der subjektiven Theorie hinauslaufen.[10] Mit ihr teilen sie den Ansatz, dass der Aussagegegenstand lediglich »Tatsachen des Innenlebens« betreffen könne, ein subjektiv-psychisches Bild, nicht aber einen äußeren Sachverhalt: „Der Aussagende kann ausnahmslos nur wiedergeben, was zu leisten ihm seine Sinnes- und Geisteskräfte gestatten. Dies aber kann stets nur die Wiedergabe dessen sein, was er wahrgenommen hat, für richtig hält, zu wissen glaubt usw., d.h. eine innere Tatsache“[11]. Die »Pflichttheorie« erweitert von hier aus den Gegenstand der Aussage – über das aktuelle Gegenwartswissen der Beweisperson hinaus – um das »pflichtgemäß erreichbare Wissen«: Die Aussage ist »falsch«, wenn sie nicht das Wissen wiedergibt, das der Aussagende hat oder bei prozessordnungsgemäßem Verhalten (sorgfältig-kritischer Prüfung seines Erinnerungs- oder Wahrnehmungsvermögens) reproduzieren könnte.[12]

II. Die Begründung der herrschenden Auffassung (objektive Theorie) – »Wahrnehmungstheorie«

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Die herrschende »objektive« Falschheitstheorie bestreitet ersichtlich nicht, dass der Aussagegegenstand vom subjektiven Wissen des Aussagenden her an sich sachgerechter zu erfassen ist, weil die Aussageperson über die »äußere Wirklichkeit« nicht unmittelbar Auskunft zu geben vermag, sondern nur über ihre Wahrnehmungen, Erinnerungen und Kenntnisse. Demgegenüber beruft sich die objektive Theorie (daher) hauptsächlich darauf, dass subjektiv abgeleitete Falschheitstheorien – einschließlich der »Pflichttheorie« – mit der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar seien. Das Gesetz unterscheide nun einmal die objektiv »falsche« Aussage von dem darauf bezogenen Vorsatz bzw. der Fahrlässigkeit (§ 161 StGB). Damit werde aber ein Falschheitsbegriff vorausgesetzt, der nicht am subjektiven Wissen, auch nicht in Form des »pflichtgemäß erreichbaren« Wissens, orientiert werden könne. Die subjektive Falschheitstheorie vermöge insbesondere § 160 StGB (Verleitung zur unvorsätzlichen Falschaussage) nicht zu erklären und müsse hier ohnehin auf einen objektiven Falschheitsbegriff ausweichen. Auch werde § 161 StGB (fahrlässige Falschaussage) nahezu funktionslos, wenn die »Falschheit« in der Abweichung vom eigenen Wissen bestehen solle (Vorsatzfälle!). Die »Pflichttheorie« stelle die »falsche« mit der »sorgfaltswidrigen« Aussage gleich, obwohl das Gesetz in § 161 StGB beides unterscheide und sich die Sorgfaltspflicht auf Vermeidung falscher Aussagen richte.[13]

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Die gesetzessystematischen Einwände, die von der objektiven Falschheitstheorie gegen subjektive Ansätze erhoben werden, lassen sich möglicherweise in einer »subjektiven Theorie« überwinden, die als Gegenstand einer Zeugenaussage über sog. »äußere Tatsachen« der Vergangenheit nicht das gegenwärtig – im Aussagezeitpunkt – vorhandene oder erreichbare Wissen zugrunde legt, sondern das »Ursprungswissen«: die ursprüngliche subjektiv-individuelle Wahrnehmung der damaligen Wirklichkeit (sog. »Wahrnehmungstheorie«).[14] »Falsch« ist danach die Aussage dann, wenn sie diese vergangene Wahrnehmung inhaltlich nicht zutreffend wiedergibt, unabhängig davon, welche Vorstellung der Zeuge im Aussagezeitpunkt davon hat. Die gesetzliche Unterscheidung von vorsätzlich und fahrlässig falscher Aussage, einschließlich der damit verbundenen Konsequenzen, bleibt unter dieser Voraussetzung ebenso erhalten, wie dies nach der objektiven Theorie bei Aussagen über »innere Tatsachen« auch sonst der Fall ist.

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