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Anvertraut (anvertraute Sache bei Veruntreuung) § 246 II StGB
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»Anvertraut« ist eine Sache dem Täter/Tatbeteiligten, wenn ihm vom Eigentümer – oder einem Dritten – die Sachherrschaft (Gewahrsam oder sonstige Verfügungsgewalt, str. Rn. 44) in dem Vertrauen eingeräumt wird, dass er diese Herrschaft nur in dessen Sinn (Rn. 46) ausüben, insbesondere die Sache zurückgeben, aufbewahren, einem anderen abliefern oder sonst zu einem bestimmten Zweck verwenden werde.
Ein besonderes »Treueverhältnis« ist für das »Anvertrauen« nicht erforderlich. Das »Anvertrautsein« ist aber besonderes persönliches Merkmal i.S. des § 28 II StGB. Es wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass mit der Einräumung der Sachherrschaft ein gesetz- oder sittenwidriger Zweck verfolgt wird oder das zugrunde liegende Rechtsgeschäft unwirksam ist (Rn. 45). |
Literatur:
LK-Vogel § 246 Rn. 60 ff; enger SK-Hoyer, 8. Aufl., § 246 Rn. 42 ff, 46 (nur Überlassung ohne Nutzungsbefugnis). Einführend: W/Hillenkamp Rn. 321 ff.
Rechtsprechung
Grundlegend: RGSt 4, 386; 40, 222 f (Verwahrung im Interesse des Diebs); RG, GA 48 (1901), 445 (446 – nichtiges Rechtsgeschäft). Beispielhaft: BGHSt 9, 90 (91 – Mietsache); BGH wistra 2007, 18 (21 – Sicherungsübereignung); BeckRS 2009, 06482 (Leasing).
BGHSt 16, 280 (282): „Anvertraut sind Sachen, deren Besitz oder Gewahrsam dem Täter in dem Vertrauen eingeräumt worden ist, er werde die Gewalt über sie nur im Sinne des Einräumenden ausüben. Hierfür genügt es, daß er Besitz oder Gewahrsam kraft eines Rechtsgeschäfts mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zurückzugeben oder zu einem bestimmten Zweck zu verwenden.“
Erläuterungen
44
Vor 1998 verlangte § 246 I StGB a.F. für den Grundtatbestand der Unterschlagung »Besitz oder Gewahrsam« an der Sache. Deshalb wurde auch das Qualifikationsmerkmal des »Anvertrautseins«[1] so verstanden, dass es den »Gewahrsam« des Täters/Tatbeteiligten voraussetzt. Mit dem 6. StrRG 1998 ist in § 246 I StGB jedoch die einschränkende Gewahrsamsklausel weggefallen.[2] Dies hat auch Konsequenzen für den Qualifikationstatbestand: Dieser ist nicht nur dann anwendbar, wenn der Täter (wie im Regelfall) Gewahrsam an der Sache hat. Möglich ist zudem, dass eine Sache auch ohne Gewahrsamsübertragung »anvertraut« werden kann, etwa durch Verschaffung mittelbaren Besitzes.[3] Denn auch mit diesem Fall kann ein entsprechendes Vertrauensverhältnis verbunden sein. Diese Möglichkeit lässt sich in der Definition des »Anvertrautseins« dadurch berücksichtigen, dass das Regelerfordernis des »Gewahrsams« durch den Hinweis auf die »sonstige Verfügungsgewalt« ergänzt und beides unter dem Oberbegriff der »Sachherrschaft« zusammengefasst wird (Rn. 43).
45
Umstritten ist, ob eine »anvertraute« Sache auch vorliegt, wenn die Einräumung des Gewahrsams gesetz- oder sittenwidrig ist, z.B. bei Aushändigung von Geld zum Ankauf von Einbruchswerkzeug. Abgesehen von den Fällen, in denen das Vertrauensverhältnis den Interessen des Eigentümers zuwiderläuft (etwa: Aufbewahrung gestohlenen Gutes für den Dieb Rn. 46), hält die Rechtsprechung die Verbots- oder Sittenwidrigkeit für unerheblich. Das Gesetz verweise mit dem Begriff »anvertraut« lediglich auf ein »tatsächliches Verhältnis«: „daß nämlich dem Täter eine fremde Sache unter dem Vertrauen übergeben ist, er werde die Verfügungsgewalt im Sinne des den Besitz Übertragenden oder Genehmigenden gebrauchen, im Gegensatz zu denjenigen Fällen, in welchen die unterschlagene Sache aufgrund anderer Verhältnisse, wie etwa durch Zufall, Fund oder Naturereignisse, in den Gewahrsam des Täters gelangt ist“.[4] Diese Auffassung entspricht auch der h.M. im Schrifttum.[5] Die Gegenmeinung wendet hingegen ein, dass ein »Vertrauensbruch« bei gesetz- oder sittenwidrigen Verhältnissen keinen besonderen strafrechtlichen Schutz verdiene.[6]
46
Die beim »Anvertrauen« durch einen Nichteigentümer (Dritten) geforderte Einschränkung, dass die Einräumung der Sachherrschaft dem Eigentümerinteresse nicht zuwiderlaufen dürfe, erklärt sich aus der spezifischen Funktion des Eigentumsschutzes. Der Verstoß gegen das Vertrauensverhältnis, der in der Zueignung einer vom Dritten »anvertrauten« Sache liegt, wird als Verletzung einer mittelbar auch gegenüber dem Eigentümer bestehenden Vertrauensbeziehung begriffen.[7] Richtet sich das »Vertrauensverhältnis« – z.B. zwischen Verwahrer (Hehler) und Dieb – gerade gegen das Eigentümerrecht, so fehlt dieses Moment, und der verbleibenden »Vertrauensbeziehung« nur zum Dritten ist die rechtliche Anerkennung zu versagen.[8]