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3. Die Veränderung des »Ausnutzungsmerkmals«
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Folgt man der neueren Auffassung, dass das Opfer zur Zeit des Angriffs im formalen Sinn »Führer« bzw. »Mitfahrer« sein muss, so kommt es auf das frühere Kriterium des »engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs« zwischen Angriff und Straßenverkehr und auf die damit bisher verbundenen Abgrenzungsfragen (Rn. 36) nicht mehr an.[25] Das Ausnutzungsmerkmal verliert dann ohnehin weitgehend seine zentrale Bedeutung.[26] Nach neuerer Rechtsprechung ist die »Ausnutzung« der besonderen Verkehrsverhältnisse bei einem Angriff auf den Fahrzeugführer im »fließenden Verkehr«, einschließlich des verkehrsbedingten Anhaltens, nämlich regelmäßig gegeben (»gewichtig indiziert«). Bei nicht verkehrsbedingtem Halten – mit laufendem Motor (!) – müssen allerdings weitere „verkehrsspezifische Umstände“ hinzukommen: Aus ihnen muss sich im Einzelfall ergeben, dass der Führer „gerade deshalb leichter Opfer des Angriffs“ wurde, weil er „mit der Beherrschung des Fahrzeugs und/oder der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war“, und dass der Täter dies für seine Tat bewusst ausnutzte.[27] Dabei soll es für ein Ausnutzungsbewusstein genügen, dass sich der Täter „in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist“.[28]
Die neuere Auffassung versteht den Begriff des »Führers« bzw. »Mitfahrers« also weiter als den der »Ausnutzung der besonderen Verkehrsverhältnisse«. Daraus folgt: Entfällt die (Mit-)Fahrereigenschaft, können auch die Verkehrsverhältnisse nicht mehr ausgenutzt werden; liegt die (Mit-)Fahrereigenschaft hingegen vor, kann es (wie beim nicht verkehrsbedingten Halt dargestellt) an einer Ausnutzung der Verkehrsverhältnisse fehlen. So soll auch bei einem schon vor dem »Führen« verübten und während der Fahrt fortgesetzten Angriff keine »Ausnutzung« mehr vorliegen, wenn der Täter das Opfer bereits vor der Fahrt unter seine „uneingeschränkte Kontrolle gebracht“ hat und die dadurch bereits geschaffene Nötigungslage nur „unverändert aufrechterhält“. Hier fehle es an „verkehrsspezifischen Einschränkungen“ des Fahrzeugführers, die den Angriff erleichtern können.[29] Für den Mitfahrer kann es auf solche Einschränkungen jedoch nicht ankommen, da er in aller Regel nicht mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen befasst ist. Für diesen sei daher maßgebend, dass eine Lage ausgenutzt wird, in der für ihn keine Möglichkeit besteht, „sich dem Angriff zu entziehen, ohne sich oder andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden“[30]. Hingewiesen wird auch auf den reduzierten Schutz des Mitfahrers durch die Erschwerung von Flucht und Gegenwehr sowie die Schwierigkeit der Inanspruchnahme fremder Hilfe.[31]