Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil - Wilfried Küper - Страница 50
2. Der neue Auslegungsschwerpunkt: »Führer«/»Mitfahrer« als Angriffsopfer
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Die wachsende Kritik in der Literatur beanstandete nicht nur die schwer durchschaubare Kasuistik der Rechtsprechung zur »Ausnutzung«; sie rügte vor allem die Vernachlässigung der Opfermerkmale »Führer eines Fahrzeugs« bzw. »Mitfahrer«. Vorgeschlagen wurde demgegenüber eine »formale« Einschränkung des objektiven Tatbestandes in der Weise, dass das jeweilige Opfer im Zeitpunkt des Angriffs schon oder noch »Führer« bzw. »Mitfahrer« sein müsse. Danach sollten bestimmte Angriffshandlungen – unabhängig vom Ausnutzungsmerkmal – bereits mangels »tauglichen Tatobjekts« dem Tatbestand entzogen werden, wie z.B. der Angriff auf Personen, die sich noch oder wieder außerhalb des Fahrzeugs aufhalten, oder auf den Fahrer nach Beendigung des »Fahrzeug-Führens«.[16]
In die gleiche Richtung geht nunmehr auch die neuere Rechtsprechung:[17] Beim Angriff auf den Fahrer kommt es danach darauf an, ob das Opfer im Angriffszeitpunkt als »Führer« des Fahrzeugs zu qualifizieren ist. Dafür soll ein spezieller, gegenüber dem »Führen eines Fahrzeugs« i.S. der §§ 315c, 316 StGB[18] erweiterter Begriff des »Führers« gelten: „Führer i.S. des § 316a StGB [ist], wer das Kraftfahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Daran fehlt es, sobald der Fahrer sich außerhalb des Fahrzeugs befindet, ferner regelmäßig, wenn das Fahrzeug aus anderen als verkehrsbedingten Gründen anhält und der Fahrer den Motor ausstellt.“[19] Das Opfer braucht nach der Rechtsprechung allerdings nicht schon bei Beginn des Angriffs »Führer« des Fahrzeugs zu sein; es soll grundsätzlich genügen, wenn ein vor dem Besteigen des Fahrzeugs verübter Angriff während des »Führens« fortgesetzt wird.[20] Für den »Mitfahrer« sollen entsprechende Kriterien gelten.[21] Danach ist der Mitfahrer-Status »akzessorisch« an der Opferqualität des »Führers« ausgerichtet, so dass vorausgesetzt wird, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Angriffs vom Fahrer »geführt« wird.[22]
Im Schrifttum ist die Rechtsprechung nicht nur zustimmend aufgenommen worden. Kritisiert wird ein zu starker »Formalismus« bei der Qualifizierung des Angriffsopfers, namentlich die strikte Aussonderung der Fälle, in denen der Fahrer/Mitfahrer das Fahrzeug kurzfristig verlässt oder erst »fahrbereit« ist. Zu schematisch sei auch das strikte Abstellen auf einen noch laufenden Motor.[23] Gefordert wird stattdessen eine Orientierung an dem »funktionalen Zusammenhang« zwischen Angriff und Verkehrsgeschehen. Hiernach soll das »Ausnutzungsmerkmal« wieder der wesentliche Anknüpfungspunkt für tatbestandliche Restriktionen sein.[24]