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Deutschland und seine Soldaten (11. Juni 2012 – Quellen 11)

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Im Ersten wurde ein anstrengender „Tatort“ mit dem Titel „Heimatfront“ gezeigt. Darin ging es um Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen nach ihrem Afghanistan-Einsatz. Die Soldaten sind nach ihrer Rückkehr von ihrem Kriegseinsatz psychisch so sehr angeschlagen, dass sie mit ihrem Leben nicht mehr zurecht kommen und der Hilfe von Fachleuten bedürfen. Von solchen Soldaten gibt es in Deutschland mehrere Hunderte; jedes Jahr kommen Hunderte hinzu.

Nach dem „Tatort“ fand eine interessante Diskussion darüber in der Talk -Show bei Günther Jauch statt. Sie stand unter dem Thema: „Trauma Afghanistan - Welche Spuren hinterlässt der Krieg?“. An dieser Diskussion nahmen neben dem Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière die Politikerin der Linken Luc Jochimsen, der ehemalige betroffene Fallschirmjäger und Elitesoldat der Bundeswehr Robert Sedlatzek-Müller, der seit seiner Rückkehr aus Afghanistan an posttraumatischen Belastungsstörungen leidet, der 91jährige Heinz-Otto Fausten, der im 2. Weltkrieg an vorderster Front in Russland kämpfte und ein Bein verlor, und der Journalist und Moderator Ulrich Meyer, ein Oberstleutnant der Reserve, sowie Günther Jauch als Gastgeber teil. Brav bedankte sich der Bundesverteidigungsminister bei Günther Jauch schon zu Anfang für diese Sendung. Sie diente auch dem Zweck, das Handwerk der Soldaten in Deutschland salonfähig zu machen. Dies war eine kostenlose Werbesendung für die Bundeswehr.

So edel, hilfreich und gut ist der Beruf des Soldaten nicht, wie dies einige Diskussionsteilnehmer vorzugaukeln versuchten. Soldaten gehören nicht zu den feinsten Menschen einer Gesellschaft. Man muss nicht unbedingt Kurt Tucholsky bemühen, von dem der Spruch stammt: „Soldaten sind Mörder!“. Dieser Ausspruch ist in seinem moralischen Rigorismus übertrieben und m. E. nicht haltbar. Aber Soldaten sind potenzielle Mörder. Denn wenn sie Menschen getötet haben, erfüllen sie die moralischen Kriterien dieses Begriffes. Es mag sein, dass die politischen Entscheidungsträger eines Landes die Soldaten für notwendig erachten, um sich ihrer Haut wehren zu können, wenn sie angegriffen werden. So wird Mord von Staats wegen aus höheren Gründen veredelt.

Hinsichtlich des Angriffs fordert unsere Verfassung, dass Soldaten lediglich im Verteidigungsfalle eingesetzt werden dürfen. Dies war jahrzehntelang Grundüberzeugung unserer bundesrepublikanischen Sicherheitspolitik. Aber die Einsätze von deutschen Soldaten gehen heutzutage darüber weit hinaus. Zum Beispiel, wenn sie in Afghanistan eingesetzt wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass Afghanistan die Bundesrepublik Deutschland angegriffen hat; eine Kriegserklärung von Afghanistan gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ist nicht bekannt. In der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin werden die Begriffe mittlerweile wieder sehr großzügig ausgelegt, wenn sie die eigenen Positionen untermauern sollen. Nirgendwo wird so viel gelogen wie im Krieg; die Wahrheit kommt dabei zuerst unter die Räder. Man kann dies ausweiten: Nirgendwo wird so viel gelogen wie bei Diskussionen um militärische Einsätze.

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan war von Anfang an falsch und konnte nicht zum Erfolg führen. Soldaten können nicht einen demokratischen Staat nach westlichem Muster herbeibomben und die Entwicklung von Jahrhunderten vergessen machen; dies überfordert ihre Möglichkeiten. Da ist stattdessen die Politik gefordert, so schwierig auch politische Lösungen sein mögen. Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan war den Bündnisverpflichtungen im Rahmen der Nato und den Machtgelüsten deutscher PolitikerInnen ebenso geschuldet wie dem internationalen Ansehen deutscher Politikern. Sie wollten wieder dabei sein beim internationalen Konzert der Weltmächte. Dafür gab es viele Tote. Der Preis war zu hoch. Wir können nicht die ganze Welt befrieden. In der Bonner Republik hatten wir vor Kriegseinsätzen Ruhe. Jetzt geht das Elend in Berlin wieder los; jetzt wird wieder der Versuch unternommen, das Kriegshandwerk salonfähig zu machen.

Denjenigen, die das Soldatenhandwerk ausüben, geht es in der Regel nur ums Geld. Der Wirtschaft geht es natürlich um ihre Absatzmärkte und damit auch wieder ums Geld (nicht ohne Grund ist Deutschland auf der Skala der internationalen Waffenlieferanten auf Platz 5). Der Soldatenberuf wird gut bezahlt. Schon früher sagte man: „Hast Du keinen Anzug mehr, geh zur Bundeswehr!“. Es sollte sich jeder gut überlegen, ob er sich im Rahmen einer Berufsarmee dafür zur Verfügung stellt. Menschen mit Kriegserfahrungen wie in Afghanistan kommen in ihrem Wesen verändert zurück und haben je nach Intensität ihrer Erlebnisse oftmals an posttraumatischen Belastungsstörungen zu leiden. In den Krieg zu ziehen, ist kein gemütlicher Spaziergang.

Hinsichtlich Afghanistan sei auf die Auffassungen von zwei Afghanistan-KennerInnen wie Jürgen Todenhöfer und Karla Schefter verwiesen. Der frühere CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer (von dem SPD-Urgestein im Deutschen Bundestag Herbert Wehner in einer Parlamentssitzung einmal als „Herr Hodentöter“ verballhornt) hat sich ausgiebig mit Afghanistan beschäftig. Er war von Anfang an ein engagierter Gegner der US-amerikanischen Kriege in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 und hat dies auch nachvollziehbar begründet (siehe Quellen 11). Auch von dem Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan hielt er nichts. Karla Schefter ist bereits seit 22 Jahren in Afghanistan. In seiner Sendung „Menschen der Woche“ (siehe Quellen 11) interviewte Frank Elsner sie Ende August 2012. Frau Schefter wies darauf hin, dass es in Afghanistan immer schlechter geworden ist im Laufe der Jahre. Die Förderungen in Afghanistan gingen immer mehr an den Menschen vorbei, sagte sie in dem Interview. Für das Militär habe man Geld, für Hilfsprojekte stünde kein Geld zur Verfügung. Frau Schefter hat 1993 das Bundesverdienstkreuz und 2004 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für ihr humanitäres Engagement erhalten.

Solche Experten über das Land Afghanistan fragt kein Mensch nach ihren Auffassungen und Erfahrungen. Die Amerikaner wollten den Krieg in Afghanistan, die anderen Mitgliedsländer der NATO sind ihnen nachgelaufen und haben sich beteiligt, darunter auch Deutschland. Wobei die Verpflichtungen in einem Bündnis wichtige Gründe auch für Deutschland waren, sich zu beteiligen. Weil die Beteiligung gegenseitig gilt und auch Deutschland im Notfall auf die Beteiligung des Bündnisses zu seiner Sicherung hoffen darf und diese Sicherung in der Vergangenheit auch erhalten hat. Aber letztendlich war alles war für die Katz in Afghanistan.

Die Älteren unter uns seien gemahnt: Erzählt den Jüngeren nicht mit Begeisterung vom Krieg. Dies müsste Eure Lebenserfahrung Euch verbieten. Krieg bedeutet unsägliches Chaos und Leid für die Menschen, bedeutet Zerstörung von Leben und Sachen, bedeutet unendliches Elend und führt zu einer Verkümmerung der Menschenseelen. Zu Beginn des 1. Weltkrieges sind die jungen Soldaten mit fröhlichen Liedern auf den Lippen in den Krieg gezogen. Wenn sie überhaupt zurück gekommen sind und nicht auf den Schlachtfeldern von Verdun niedergemetzelt wurden, sind sie innerlich zerstört und desillusioniert aus dem Krieg zurückgekehrt und hatten lange mit ihren Zerstörungen zu kämpfen. Auch sie litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen; nur kannte man diesen Begriff damals noch nicht.

Mittlerweile wird seitens der Bundeswehr versucht, Soldaten mit Belastungsstörungen aufzufangen und ihnen notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Der eingeladene Soldat Sedlatzek-Müller hat dafür jahrelang kämpfen müssen; die Bundeswehr hatte es ihm nicht leicht gemacht. Förderungen von Hilfen bei solchen schweren Störungen wurden lange Jahre abgelehnt. Erst in letzter Zeit hat ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Insofern steht die Mehrheit der Gesellschaft durchaus hinter den Soldaten, wenn es um das Mitgefühl ihrer schwierigen Einsätze geht. Das Problem ist die verharmlosende Beschreibung ihrer Einsätze durch die Politik. Der Politik fehlt dabei der Mut zur Wahrheit. Dies ist ihr vorzuwerfen.

Wir sollten das Soldatentum nicht hochjubeln; dazu besteht kein Anlass. Machtgierige Politiker lassen andere Menschen ihre Haut zu Markte tragen und opfern ggf. auch deren Leben. „Gefallen auf dem Feld der Ehre“ – solche dummen und die Realität ausblendende Sprüche brauchen wir nicht mehr. Die Reise geht leider wieder in diese Richtung. Herr Meyer meinte, Soldaten erhielten zu wenig Anerkennung. Die Bundeswehr gerate immer mehr an den Rand der Gesellschaft. Das mag sein. Auch andere Berufsgruppen erhalten in dieser Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie eigentlich erhalten müssten. Zum Beispiel die im Gegensatz zu den Soldaten niedrig bezahlten Krankenschwestern und Krankenpfleger, die AltenpflegerInnen und viele andere mehr (Bundeswehrsoldaten in Afghanistan erhalten zusätzlich zu ihren Bezügen in Afghanistan 100 € täglich). Auch Krankenschwestern, Krankenpfleger, AltenpflegerInnen und viele andere mehr leisten eine wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft, ohne enorme zusätzliche Tagessätze wie die Soldaten zu erhalten. Sich für diese Gruppen einzusetzen, erscheint sinnvoller als der Einsatz für Soldaten. Die Landsknechte bedürfen keiner besonderen Hervorhebung. Die erhalten genug Geld für ihre Auslandsleinsätze. Da kommen viele unter, die woanders keinen Job erhalten. Deswegen befinden sich darunter erstaunlich oft gescheiterte Existenzen, die meinen, sich so sanieren zu können (s. die Äußerung von Herrn Prof. Dr. Wolffssohn). Sie bedürfen keiner besonderen Erwähnung. Wir brauchen nicht wieder eine Prägung der Gesellschaft durch Soldaten. Solche Prägung hat in unserer Geschichte genug Elend verursacht. Wenn überhaupt notwendig, mögen Soldaten ein notwendiges Übel sein; mehr nicht.

In diesem Zusammenhang ist es auch überflüssig, einen Veteranentag einzurichten, wie dies der Bundesminister der Verteidigung vorgeschlagen hat. Wir bräuchten einen Anti-Kriegs-Tag; dieser wäre viel wichtiger. Sollte der Verteidigungsminister seinen Vorschlag des Veteranentages durchsetzen, so sei der Friedensbewegung geraten, einen Anti-Kriegs-Tag genau an diesem Tag auszurufen, damit dem Wahnsinn des Tötens gegengesteuert wird von Menschen, denen der Friede das Wichtigste ist.

Der Verteidigungsminister sagte, zu unseren Soldaten stünden wir alle. Das ist der Fall (siehe oben). Die Mehrheit der Bundesdeutschen hatte sich allerdings gegen den Einsatz von Soldaten in Afghanistan ausgesprochen. Und die Mehrheit ist auch heute noch gegen ihren Einsatz. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was notwendig ist und was nicht. Im Gegensatz zu den verantwortlichen PolitikerInnen hat die Mehrheit der Bevölkerung von Anfang an die Unsinnigkeit des Einsatzes deutscher Truppen in Afghanistan erkannt. Die Bevölkerung ist weiter als ihre Politiker. Dies ist für die Politiker das Problem. Deswegen fand eine Diskussion an diesem Abend statt.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Politik jetzt froh ist, wenn die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden. „Am Hindukusch wird unsere Freiheit verteidigt“, war die blödeste Phrase seit Jahrzehnten. Der Spruch wurde von dem früheren und zwischenzeitlich verstorbenen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck in die Welt gesetzt; dies war der Versuch einer Remilitarisierung deutscher Militärpolitik.

„Nichts ist gut in Afghanistan“, sagte die evangelische Theologin Käßmann. Dem hat sich zwischenzeitlich auch der ehemalige Bundeskanzler Schröder angeschlossen. 53 deutsche Soldaten haben diesen Einsatz bisher mit ihrem Leben bezahlt. Wir brauchen Mut zum Frieden, nicht Mut zum Krieg.

In einer Einblendung brachten sie ein Interview mit Professor Michael Wolffssohn, der an der Münchener Hochschule der Bundeswehr lehrte. Er kritisierte die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und meinte, die Stellung der Soldaten am Rande der Gesellschaft hinge damit zusammen, dass wir mittlerweile ein Berufsheer haben und die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft worden ist. Im Übrigen sei bekannt, dass nur diejenigen Soldat würden, die auf dem allgemeinen Stellenmarkt schlechte Chancen hätten; deswegen seien da viele aus der Unterschicht vertreten, die zum großen Teil aus dem Osten kämen. Dies ist nachvollziehbar; kein vernünftiger junger Mensch mit guten Zeugnissen käme auf die Idee, zu den Soldaten zu gehen. Darüber erregte sich der sonst so ruhige Bundesverteidigungsminister. Prof. Wolfssohn hatte hier auf eine Wurzel des Übels hingewiesen. Insofern war sein Beitrag genau richtig. Professor Wolffssohn war akademischer Lehrer an einer Bundeswehr-Hochschule (mittlerweile ist er im Ruhestand).

Soldaten seien Helfer, Schützer und Kämpfer, wurde in der Diskussion gesagt. Das war der untaugliche Versuch, das mörderische Soldatenhandwerk schön zu reden. Nein, das stimmt so nicht. Der wesentliche Einsatz von Soldaten liegt nicht in ihrer Verwendung bei Katastrophenfällen, wo sie auch einmal nützlich sein können, sondern er liegt im Einsatz bei Kriegen zu Tötungs- und Vernichtungszwecken.

Die Zweifelhaftigkeit von Aktionen der Bundeswehr und ihrer Befehlshaber wird auch gut sichtbar an dem von dem damaligen Bundeswehr-Oberstleutnant Georg Klein angeordneten Luftangriff bei Kunduz im Jahre 2009. Laut einem Bericht bei Spiegel-Online hatte er sich zu seinen Aufgaben vorher geäußert: „Wir werden mit der Härte, die geboten ist, zurückschlagen“. Dies zeigte das klare Feindbild dieses Mannes.

Der damalige Oberstleutnant Klein war am 4. September 2009 befehlshabender Offizier in Afghanistan und für den Luftangriff bei Kunduz verantwortlich. Bei dem Luftangriff gegen 02:00 Uhr Ortszeit wurden zwei von den Taliban entführte Tanklastwagen und Menschen bombardiert, die sich in der Nähe befanden. Klein hatte diesen Bombenanwurf mit teilweise falschen Angaben angefordert; zwei US-amerikanische Flugzeuge hatten ihn ausgeführt. Nach Einschätzung der NATO wurden durch diesen Angriff bis zu 142 Menschen getötet und verletzt (es existieren unterschiedliche Zahlenangaben in verschiedenen Berichten über diesen Einsatz).Darunter befanden sich auch Kinder. Das war die bisher größte Opferzahl eines Bundeswehr-Einsatzes und der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF (International Security Assistance Force).

Der Einsatzbefehl und die Tötung von Zivilisten und Kindern wurde seinerzeit in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und führte zum Rücktritt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Jung, der zum Zeitpunkt der Ereignisse Bundesminister der Verteidigung war. Er hatte dafür die politische Verantwortung übernommen.

Die Bundeswehr hatte zunächst verlauten lassen, dass nur Taliban getötet wurden. Dann stellte sich heraus, dass auch Kinder und Jugendliche unter den Opfern waren. Nach dem Studium der ausführlichen Beschreibungen bei Wikipedia kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Oberstleutnant Klein mit seinem Einsatzbefehl eine große Anzahl von Taliban töten wollte. Damit wollte Deutschland wieder mitspielen in der militärischen ersten Liga. Man kann sich weiterhin des Eindrucks nicht erwehren, dass er dabei die Tötung von Zivilisten und Kindern billigend in Kauf genommen hat. Das sind für Militärs bedauerliche Kollateralschäden, die dazu gehören. Ein vorheriges Überfliegen des Tanklastzuges zur Warnung der dort vorhandenen Menschen ist nicht angeordnet worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies bewusst unterblieben war.

Schon seinerzeit sprach vieles dafür, dass dieser Oberstleutnant seinen Abschussbefehl nach Rücksprache mit höchsten militärischen Stellen, vielleicht sogar mit der obersten Heeresleitung in Berlin, abgegeben hatte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass dieser Mann, der für den Tod von Zivilisten und Kindern verantwortlich ist, innerhalb kürzester Zeit befördert wurde; heute ist er General. Der Mann ist nach seinem Tötungsbefehl karrieremäßig hochgegangen wie eine Rakete. Der Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, Klein 2013 zum Abteilungsleiter im neuen Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr zu befördern. Dort soll er den Rang eines Brigadegenerals erhalten. Das Bundesverteidigungsministerium hat bestätigt, dass Klein für die künftige Tätigkeit „gut geeignet“ sei und alle fachlichen Voraussetzungen erfülle. Ergibt sich seine gute Eignung für die Verantwortlichen der Bundeswehr daraus, dass er unschuldige Zivilisten und Kinder hat töten lassen? In den alkoholgeschwängerten Offizierskasinos der Armee wird er vermutlichals der „Held von Kunduz“ gefeiert. Im Übrigen: Was ist das für eine Tat, in der ein Mann einen Befehl zum Abschuss gibt, andere diesen ausführen und dabei unschuldige Menschen töten! Früher haben Soldaten mutige Kämpfe mit dem Feind geführt. Von einem besonderen Mut dieses Oberstleutnants kann hier keine Rede sein. Da hat ein Technokrat sein technokratisches Handwerk mit einem technokratischen Befehl ausgeübt. Er brauchte sich deswegen die Hände nicht schmutzig zu machen.

Bleibt noch zu erwähnen, dass der Versuch, Oberst Georg Klein wegen Mordes anzuklagen, durch das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen wurde. Auch wurden Vorermittlungen zu einem Disziplinarverfahren gegen Klein nach viermonatiger Dauer im August 2010 eingestellt. Dies war nicht anders zu erwarten (siehe oben).

Auch sei erwähnt, dass einem Vater in Afghanistan, der aufgrund des Befehls dieses Obersten zwei Kinder verloren hat, von der Bundeswehr ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lt. Meldung von „neues deutschland“ vom 29./30. Dezember 2012 3.600 € erhalten hat. Das ist doch ein echter Schnäppchenpreis für zwei getötete Kinder bei einem Kollateralschaden! Auch die Bundeswehr muss schließlich sparen! Jeder schlechte amerikanische Rechtsanwalt hätte für den Vater der getöteten Kinder ein Vielfaches an finanzieller Entschädigung herausgeholt, von einem guten Anwalt ganz zu schweigen.

In ihrem Bericht „Neue Klagen wegen Kundus-Mord“ meldete die Zeitung „neues deutschland“ ebenfalls, dass nunmehr weitere Hinterbliebene der Opfer Schadensersatz gefordert haben. Das Landgericht in Bonn habe den Eingang von zehn Sammelklagen bestätigt, die sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Ein Rechtsanwalt aus Bremen hatte bereits im Herbst 2011 eine erste Sammelklage für vier Personen eingereicht. Darüber ist noch nicht entschieden worden. Nun vertrete der weitere 79 Kläger. Sie fordern Entschädigungszahlungen zwischen 20.000 und 75.000 Euro. Diese Summen, ohnehin noch schrecklich gering für ein Menschenleben, scheinen näher an den Realitäten zu liegen als die von der Bundeswehr gezahlten 3.600€. Man wird sehen, wie sich die Verfahren weiter entwickeln werden.

Wenn der Name Oberst Klein fällt, denkt man unwillkürlich an Kurt Tucholsky.

Völlig überflüssig war auch das Kurzinterview während der Diskussionsrunde mit der Frau des Bundesverteidigungsministers. Dieser Auftritt sollte deutlich machen, dass auch eine Frau und Mutter den Einsatz von Soldaten für richtig hält. Normalerweise müssten Mütter dagegen aufschreien, wenn dazu aufgerufen wird, ihre Söhne zu verheizen. Der Bundesverteidigungsminister sollte seine Frau woanders vorführen. Grundsätzlich erscheint der vermehrte Einsatz von Politikerfrauen zu öffentlichen Werbezwecken für die Arbeit ihrer Männer äußerst zweifelhaft.

Eine weitere Propagandasendung für die Bundeswehr folgte mit der Ausstrahlung des Films „Auslandseinsatz“ am 17. Oktober 2012. Auch in diesem teilweise bewegenden Film ging es um den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan. Der Film wurde vom Ersten in den Vorschauen als „Kriegsfilm“ bezeichnet. Anschließend diskutierten Thomas de Maiziere, Omid Nouripour, Jürgen Todenhöfer, Franz Josef Overbeck und Marita Scholz über eine Bilanz des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan unter der Leitung von Anne Will.

Der Bundesverteidigungsminister bedankte sich eingangs wie gehabt brav für die Sendung. Frau Scholz berichtete redegewandt über ihre Erlebnisse mit ihrem Mann, der in Afghanistan eingesetzt war und seit seiner Rückkehr nach Deutschland an schweren posttraumatischen Störungen leidet. Sie forderte konkrete Verbesserungen für Menschen mit posttraumatischen Störungen und deren Familien.

Omid Nouripour, sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag, erläuterte und begründete, warum er seinerzeit als Abgeordneter für diesen Einsatz gestimmt hatte.

Jürgen Todenhöfer, dessen kriegskritische Grundhaltung bekannt ist, hielt den Befürwortern des Afghanistan-Einsatzes und damit dem Bundesverteidigungsminister einiges entgegen. Er meinte, dass der Krieg sich nicht gelohnt habe. Die vier Ziele, mit denen man die Bundeswehreinsätze begründet hatte, sind nicht erreicht worden: Man wollte den Terrorismus erfolgreich bekämpfen. Dies sei nicht gelungen, der Terrorismus sei stärker als bisher. Man wollte die Taliban erfolgreich bekämpfen – die Taliban sind stärker geworden. Man wollte westliche Werte verteidigen – nachts ziehen Todesschwadronen durch Kabul, die dort ihr Unwesen treiben. Man wollte das Land aufbauen. Tatsächlich wurde Afghanistan herunter gewirtschaftet. Es ist mittlerweile das Land mit der höchsten Säuglingssterblichkeit der Welt. Deswegen ist seine Gesamtbilanz zum Afghanistan-Einsatz negativ. Allerdings war er in seiner Argumentation zu devot; er müsste gerade dem Verteidigungsminister gegenüber aggressiver auftreten. Es war unangebracht von Jürgen Todenhöfer, in der Sendung zu sagen, wir hätten einen guten Verteidigungsminister. Ob wir den wirklich haben, sei dahingestellt. Zwar hat Todenhöfer im Laufe der Diskussion auf diesen Obersten Klein hingewiesen und die Entschuldigung für dessen Taten durch den Minister vor Ort gefordert. Aber dies überging der „gute“ Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Thomas de Maizière die Ernennung des Obersten Klein zum Brigadegeneral durchgesetzt hatte, der alles andere denn ein Vorbild ist, zeigt im Nachhinein, wie abgekartet der Einsatz in Kunduz seinerzeit gewesen ist.

Der rk Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, der stets wirkt wie ein Bubi ohne Lebenserfahrung, wie ein Klassenstreber, der nicht abschreiben lässt, tat das, was die rk Kirche immer getan hat: Er befürwortete natürlich den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan. Er leierte die altbekannte rk Litanei herunter (sogar das 2. Vatikanische Konzil vergaß er dabei nicht). Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan sei ein Einsatz für den Frieden. Schade, dass keine Waffen im Studio waren – er hätte die Friedenswaffen wohl auch noch gerne gesegnet. Ansonsten hatte er nicht viel zu sagen.

Auf das Tucholsky-Zitat “Soldaten sind Mörder“ ging Thomas de Maizière ebenso wenig ein wie auf die emotionale Kritik von Eugen Drewermann an Militäreinsätzen deutscher Soldaten. Drewermann sprach in einem eingeschobenen Beitrag von „bezahlten Auftragsmördern“. Dies mag überzogen sein, wird aber von vielen Menschen so gesehen, insbesondere von jungen Menschen. Und es weist in die richtige Richtung. Moralischer Rigorismus stellt überspitzt Grundprobleme dar. Zu dem Tucholsky-Zitat ist zu sagen, dass dies laut Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes geäußert werden darf aus Gründen der Meinungsfreiheit. Und es wird auch geäußert. Es ist ja auch viel dran an Tucholsky’s Meinung. Es sei auch darauf hingewiesen, dass Kurt Tucholsky mit seinem Leben bezahlt hat für seinen Mut gegen die Nazi-Schergen, die Deutschland in das tiefste Elend seiner Geschichte gezogen haben.

Ein Minister wird in hohem Ausmaß von seinem Apparat geprägt. Es fragt sich, in wieweit das Niveau bei der Bundeswehr mittlerweile gesunken ist. Der zuständige Minister merkt nicht, dass er gesellschaftliche Diskussionen in seiner Argumentation ausblendet. Das ist kein Wunder, denn er ist täglich von seinen in ihren Denkfähigkeiten oftmals einseitigen Militärs mit ihren Interessen umgeben. Deswegen hatte ihn die andersartige Argumentation von Prof. Wolfssohn aufgeregt.

Es können Wetten abgeschlossen werden, wann die nächste Werbesendung für die Bundeswehr im Deutschen Fernsehen gezeigt wird. Lange wird es nicht dauern!

Reinen Wein eingeschenkt hat Thomas de Maizière bei einer Bundeswehrtagung in Strausberg. Die taz berichtet darüber in einem kleinen Artikel „Der Maizière rechnet mit wachsender Zahl“ in ihrer Ausgabe vom 23. Oktober 2012. Danach stelle sich de Maizière auf mehr Bundeswehreinsätze im Ausland ein. „Als starkes Mitglied der internationalen Gemeinschaft wird Deutschland künftig eher häufiger gefragt werden, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen – auch militärisch“, sagte er dort. Mit “Verantwortung übernehmen“ werden künftige Kriegseinsätze verschleiernd benannt. Es hört sich doch schön an, wenn man Verantwortung übernimmt! Und es hört sich viel besser an, als wenn man von schmutzigen Kriegseinsätzen spricht. Als vereintes Land mit einer der größten Volkswirtschaften der Welt habe Deutschland Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in der Welt. „Wir werden gefragt, unser Einfluss ist erwünscht und wird anerkannt“, sagte er. Dies ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Dem wird der Tod von 53 Soldaten, die kaltschnäuzige Ausgrenzung anderer Auffassungen und die ebenso kaltschnäuzige Beförderung eines zweifelhaften Offiziers zum General untergeordnet. Es geht tatsächlich derzeit um die Stellung Deutschlands in der Welt. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, sagte man dazu früher. Genau das ist eine politische Argumentation, vor der der frühere Verteidigungsminister Helmut Schmidt als Altbundeskanzler immer zu Recht warnt.

Am 25. Januar 2013 meldete der Deutschlandfunk in seinen Abendnachrichten, das Bundesverteidigungsministerium prüfe derzeit den Kauf bewaffneter Drohnen. Auch dies zeigt, wohin die militärische Reise Deutschlands geht. Mit dem Kauf solcher Drohnen wird die Hemmschwelle für Kriege herabgesetzt.

Es soll nicht behauptet werden, dass Auslandseinsätze generell schlecht und abzulehnen sind. Aber es muss in aller Offenheit darüber diskutiert werden, ob wir sie wollen. Es muss diskutiert werden, ob der Preis für solche Einsätze deutscher Soldaten nicht zu hoch ist, ob wir alles dem sogenannten Ansehen Deutschlands in der Welt unterordnen wollen, ob in jedem Falle Bündnissolidarität wichtiger ist als eigene Vorstellungen von Krieg und Frieden. Dieser Diskussion ist der Bundesminister der Verteidigung bisher ausgewichen. .

Abschließend noch eine persönliche Bemerkung: Gerade bei diesem Kapitel über „Deutschland und seine Soldaten“ mag der eine oder andere Leser/die eine oder andere Leserin der Auffassung sein, die geäußerten Meinungen seien zu „radikal“. Das Wort „radikal“ kommt von „radix“, an die Wurzeln gehend. Dies sollte berücksichtigt werden, wenn für eine vermehrte Teilnahme deutscher Truppen an internationalen Kriegseinsätzen argumentiert wird. Es mag sein, dass politische Gründe solche Kriegseinsätze immer mehr notwendig machen. Deutschland hat mit der Wiedervereinigung eine neue Stellung in der internationalen Politik eingenommen und muss sie ausfüllen. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, zu welchen Folgen solche Kriegseinsätze führen werden. Der französische Schriftsteller Camus hat beobachtet, wie Kinder den Krieg wahrnehmen: Als „eine „Zeit, in der Arme und Beine verloren gingen“ (gefunden bei Sloterdijk, „Zeilen und Tage“, S. 176). Dies ist keine Gefühlsduselei, sondern es ist die ungeschönte Wahrnehmung der Folgen politischen Handelns aus Kindheitssicht. Es sollte darüber nachgedacht werden.

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