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Vorwort

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Nach der Veröffentlichung meines Buches „Aus dem Leben eines Oberamtsrates“ habe ich mich ein Jahr lang hingesetzt und politische und gesellschaftliche Ereignisse beobachtet und kommentiert. Mein politisches Tagebuch erstreckt sich auf den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 1. Mai 2013.

Die Politik ist mein Hobby, das mich Zeit meines Lebens interessiert hat. Sie ist für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln, das sie nicht verstehen und von dem sie deswegen so oft sagen: „Wir können ja doch nichts ändern“. Das ist falsch. Sie können sehr viel ändern. Nicht nur bei den regelmäßig stattfindenden Wahlen, sondern auch bei Volksbefragungen, Bürgerentscheiden, Mitarbeit in Vereinen, Interessengemeinschaften, politischen Gruppierungen und vielem anderem mehr. Weil die Politik aber schwer durchschaubar ist, möchte ich mit meinen Beobachtungen und Kommentaren aufklären. Denn Grundlage für das Verständnis politischer Entscheidungen ist Wissen. Ich möchte den Leserinnen und Lesern zeigen, dass wir eingebettet sind in unsere Politik und Geschichte, dass alles mit allem zusammenhängt und seinen Grund hat. Auch möchte ich zeigen, wer wessen Interessen vertritt. Politische Entscheidungen sind grundsätzlich interessengebunden.

Der Politikbegriff meiner Betrachtungen ist weit gefasst. Letztendlich ist alles Politik, was sich mit dem Zusammenleben der Menschen befasst. Nicht nur die Tagespolitik, sondern auch das Wirken von Künstlern, Schriftstelllern, Verbänden u. a. m. gehört dazu. Mit diesen Aufzeichnungen möchte ich das tun, was die Alten immer getan haben, nämlich erzählen, warum es heute so ist, wie es ist, und was in der Vergangenheit geschah, um die Gegenwart besser zu verstehen. Ich möchte das weiter geben, was gewesen ist, damit es sich nicht verliert und damit die Jungen davon hören. Sie sollen es verwenden können, wo sie es verwenden wollen, oder unbeachtet lassen, wo sie meinen, es sei nicht beachtenswert. Alter macht nachdenklich. Jugend und das Erwachsenensein lässt handeln; Alter lässt nachdenken über das Handeln und über Gott und die Welt. Dies möchte ich mit diesem Buch tun. Das Alter schenkt mir die Freiheit, zu sagen, was ich denke.

Mitmachen lohnt sich. Die Meinung, wir könnten nur alle vier Jahren wählen und seien dann zur Untätigkeit verdammt, ist genauso falsch wie die Meinung, es sei gleichgültig, wen man wähle – die etablierten Parteien machten alle den gleichen Mist. Wir leben in einer Demokratie, in der besten Staatsform, die Deutschland je gehabt hat. Wir sind frei, können tun und sagen, was wir wollen, sofern es keinem anderen schadet. Dies ist eine große Chance. Nutzen wir diese Chance, damit das System gut läuft.

Damit interessierte LeserInnen die politischen Gezeiten nachvollziehen können, habe ich das jeweilige Tagesdatum meinen Geschichten vorangestellt. Es bezieht sich auf Ereignisse, die meist an den Tagen vorher in der politischen Diskussion waren. Ich habe mich bei meinen politischen und gesellschaftlichen Betrachtungen der Medien bedient, des Fernsehens, der Zeitungen und des Radios. Die LeserInnen können sich in den angegebenen Quellen am Ende des Buches weiter informieren. Ganz kurze Quellen habe ich der Übersicht wegen als Zitate im Text aufgeführt und dort auf die Herkunft hingewiesen, weil ich das Lesen leichter machen und kein wissenschaftliches Werk veröffentlichen wollte.

Zu unserer Demokratie gehört die Kritik wie das Salz in der Suppe, damit das Beste erreicht wird. Demokratie tut gut. Wir sollten das Schlechte und die Tricksereien öffentlich machen und uns dagegen wehren. Dies bedarf kritischer Menschen, die sich die Geschehnisse immer wieder nachfragend anschauen und sich engagieren. Das ist ein permanenter Prozess. Je mehr wir uns engagieren, desto besser läuft die Demokratie und desto weniger können Politiker ihr eigenes Ding zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger durchziehen. Politisches Engagement der BürgerInnen und Tricksereien von Politikerinnen und Politikern sind wie kommunizierende Röhren. Deswegen ist das Engagement der Menschen so wichtig.

In meinem Buch schildere ich Einzelfälle. Es wäre falsch, zu meinen, alle Politikerinnen und Politiker seien Trickser und Lügner. Dies würde dem Engagement Vieler nicht gerecht. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die Politikerinnen und Politiker Teil des gesamtgesellschaftlichen Systems sind. Dies hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Zeiten, die in denen man z. B. von „Bankbeamten“ sprechen konnte, weil man den Angestellten dort eine ähnliche Unabhängigkeit und Gewissenhaftigkeit unterstellte wie den Staatsbeamten, sind längst vorbei. Heute werden sie umgangssprachlich als „Bankster“ bezeichnet, die hauptsächlich auf die Maximierung des Gewinns ihres Unternehmens zu achten haben. Ihnen gegenüber ist Misstrauen angebracht. Auch sind die Zeiten vorbei, in denen man generell von „ehrbaren Kaufleuten“ sprechen konnte. Heute wollen Geschäftsleute in erster Linie „Asche machen“, d. h. Geld verdienen. Da geht die Ehrbarkeit leicht flöten. Das Geld hat eine Rolle in unserer Gesellschaft eingenommen, die stark übertrieben ist und ihm nicht zukommt. Geld ist ein Tauschmittel – nicht mehr und nicht weniger. Es sagt nichts über den Wert von Menschen oder Institutionen aus. Das Gift des Geldes hat sich in alle unsere Beziehungen eingeschlichen. Daneben ist eine allgemeine Hinwendung zum Kriegerischen zu erleben. Die Welt ist aggressiver geworden. Das rechte Rattenpack wird immer unverschämter.

Vieles hat sich in meinen Augen zum Negativen gewendet. Ich habe noch Anderes erlebt. Die Menschen sind egoistischer geworden als früher. Damit müssen wir leben und darauf müssen wir uns einstellen. Die Fähigkeit, auch das Wohl des Anderen zu sehen und zu berücksichtigen, hat spürbar abgenommen. Deswegen geht auch das allgemeine Interesse an Politik zurück.

Das Wirken der politischen und wirtschaftlichen Eliten in Deutschland lässt auf allen Gebieten wünschen übrig. Sie sind immer weniger an dem Funktionieren der Gemeinschaft interessiert, sondern immer mehr an ihren eigenen Interessen und den Interessen der von ihnen vertretenen Institutionen. Geld soll verdient werden, ggf. auch zu Lasten der Gemeinschaft. Dies sind die Folgen eines jahrelang durchgezogenen Neoliberalismus‘, der sich verselbständigt und der Gier Tür und Tor geöffnet hat. Die politischen Eliten sind nicht mehr in der Lage, politische Probleme zu lösen, wie z. B. die Umweltbelastungen in der Welt zu reduzieren. 40 Jahre mit den Ergebnissen des Club of Rome blieben ohne großen Folgen. Hinsichtlich der Probleme in diesem Bereich haben wir bereits 10 Minuten nach Zwölf. Nicht mehr umkehrbare Veränderungen von Umwelt und Klima sind bereits eingetreten. Die wirtschaftlichen Eliten haben Maß und Ziel ebenso verloren wie die Finanzeliten; sie wissen, wenn es schief geht, springt der Staat ein. Deswegen sind weitere verheerende Wirtschafts- und Währungskrisen voraussehbar. Den medizinischen Eliten geht, trotz der großen Hilfsbereitschaft der Ärzte für das Wohl ihrer PatientInnen auf allen medizinischen Gebieten, der Ruf voraus, sie seien korrumpierbar; gleichwohl dürfen sie bisher nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht bestraft werden. Die medizinischen Eliten haben z. B. auch bei den Organspenden in den letzten Jahren auffallend oft versagt, indem sie für Transplantationen aus welchen Gründen auch immer eigene Patienten durch Manipulationen vorgezogen und mit Organen versehen haben, wofür vermutlich andere Menschen sterben mussten. Die links orientierten intellektuellen Eliten sind weitestgehend verschwunden; sie waren in den 1950er bis 1980er Jahren einmal die Vorzeigeeliten unseres Landes, die die Diskussionsthemen mitbestimmt haben. Einer ihrer letzten noch lebenden Kämpfer ist Günter Grass, der sich und seiner Stellung in der intellektuellen Szene allerdings sehr geschadet hat durch das jahrzehntelange Verschweigen seiner SS-Mitgliedschaft. Er erzählt mittlerweile, kurz vor seinem Abgang stehend, nur noch Blödsinn über Israel und tritt damit überflüssige Debatten los. Kurzum: Überall, wo man bei den sogenannten Eliten hinschaut, ist Lug und Trug, Mittelmaß und Verkalkung anzutreffen. Dies ist eine ungesunde Entwicklung; sie gibt Anlass zu Sorge.

Ich habe jedoch als älterer Mensch die nicht unbegründete Hoffnung, dass sich dies auch wieder ändern wird. Die Menschen werden wieder entdecken, wie wichtig die Gemeinschaft ist, das Zusammenhalten mit dem Anderen, mit Freunden, Nachbarn, Bekannten, Verwandten, mit Gleichgesinnten. Die Notwendigkeit einer funktionierenden Gemeinschaft und die Unterordnung anderer Bereiche (wie z. B. Wirtschaft, Finanzen usw.) unter die Anforderungen der Gemeinschaft, wird wieder erkannt und durchgesetzt werden. Ich wünsche mir, dass viele Menschen wieder Mitmenschlichkeit pflegen und Achtsamkeit, sich für Toleranz und Menschenrechte einsetzen und den Wahnsinn von Kriegen von Anfang an erkennen und vermeiden. Ich wünsche mir, dass die Menschen sich immer mehr für Frieden einsetzen - Frieden in der Familie, im Staat, in Europa und in der Welt. Mit Kriegen wurden nie Probleme gelöst, sondern sie dienten immer nur den Interessen der Mächtigen. Wir sind dazu in Europa auf dem besten Wege. Nicht ohne Grund haben die Europäer den Friedensnobelpreis erhalten.

Wir Alten haben unsere Erfahrungen gemacht und können die Entwicklungen in unserer Gesellschaft deshalb gut beurteilen. Die Jungen müssen sich ihre Erfahrungen erst neu erarbeiten; das ist das Problem. Aber sie werden dies tun, wie wir es auch getan haben. Der derzeitige Raubtierkapitalismus weckt Gegenkräfte, die ihn auch wieder in die Flucht schlagen werden. Der Pegel des Lebens schlägt hin und her. Was heute gängig ist, kommt morgen aus der Mode, was heute verurteilt wird, wird morgen wieder salonfähig. So ist das Leben! Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Zustände kritisieren, die es ihrer Auffassung nach zu kritisieren gilt. Damit wird manch eine weitere Entgleisung verhindert.

Wir sollten uns von unserem Konsensgetue lösen, als liefe alles gut, wenn wenig Streit herrscht. Diese Ansicht ist ein Relikt aus den Fesseln unserer Vergangenheit. Die Aufforderung zum Konsens ist falsch, und sie ist heute falscher denn je. Sie dient den Herrschenden, die hinter den Kulissen kräftig manipulieren und ihre Interessen vertreten. Auseinandersetzung lohnt sich, Demokratie macht Spaß!

Im Übrigen habe ich mich bemüht, Fremdwörter weitgehend zu vermeiden, weil mir die Fremdwörtelei fragwürdig erscheint. Damit versuchen Autoren, den Leser für dumm zu verkaufen, sich ein Überlegenheitsgefühl und dem Leser ein Unterlegenheitsgefühl vorzumachen. Dies gefällt mir nicht. Wenn ich in Ausnahmefällen einmal ein Fremdwort benutzt habe, finde ich trotz Duden, Zeit-Lexikon und Wikipedia kein benutzbares deutsches Wort oder es ist ein feststehender Begriff, der verständlich ist und keiner besonderen Erklärung bedarf (wie z. B. das Wort „Investition“).

Den Lesern und Leserinnen dieses Buches wünsche ich viel Vergnügen bei ihrer Lektüre.

Bonn, 1. Mai 2013

Demokratie macht Spaß!

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