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Teil 1 Ordnungswidrigkeitengesetz › X. Übergang zum Strafverfahren

X. Übergang zum Strafverfahren

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Überblick

Das Gericht ist im Bußgeldverfahren an die rechtliche Beurteilung der Tat als Ordnungswidrigkeit nicht gebunden.
Das Gericht kann nach einem entsprechenden Hinweis vom Bußgeld- zum Strafverfahren wechseln und den Betroffenen/Angeklagten wegen einer Straftat verurteilen.
Das Verfahren ist von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen/Angeklagten hin zu unterbrechen.
Ist der Übergang ins Strafverfahren (mit Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes!) vollzogen, so kann der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach der herrschenden Meinung nicht mehr zurückgenommen werden.
In dem weiteren (Straf-)Verfahren sind die besonderen Vorschriften des OWiG nicht mehr anzuwenden. Es gelten dann die Vorschriften der StPO.
Die bisherige in Anwesenheit des Betroffenen durchgeführte Beweisaufnahme kann verwertet werden.

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Gemäß § 81 OWiG ist das Gericht im Bußgeldverfahren an die Beurteilung der Tat als Ordnungswidrigkeit nicht gebunden. Es hat eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen und auch zu prüfen, ob eine Straftat vorliegt.[1]

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Das Gericht darf jedoch aufgrund eines Strafgesetzes nur entscheiden, wenn der Betroffene zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist, § 81 Abs. 1 S. 2 OWiG. Der Hinweis liegt nicht im Ermessen des Gerichts, er erfolgt von Amts wegen, wenn ein hinreichender Verdacht einer Straftat besteht.[2]

Hinweis

In der Praxis wird von den Gerichten häufig die Rücknahme eines eventuell an sich erfolgversprechenden Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid damit erzwungen, dass schon vor der Hauptverhandlung angekündigt wird, dass möglicherweise der Hinweis zu erwarten ist, anstelle der Ordnungswidrigkeit könne auch eine Straftat in Betracht kommen. Oft ist dies der Fall, wenn bei einem Unfall eine Person verletzt wurde und mangels öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen der fahrlässigen Körperverletzung zunächst eingestellt wurde. Das Gericht kann in diesem Fall nur bei einem wirksamen Strafantrag des Verletzten nach einem entsprechenden Hinweis zum Strafverfahren übergehen.[3] Liegt kein derartiger Antrag vor, so hängt die Verfolgung der fahrlässigen Körperverletzung davon ab, ob die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht. Das Gericht muss also zunächst der Staatsanwaltschaft Gelegenheit geben, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen.[4] Die Staatsanwaltschaft kann das öffentliche Interesse auch dann bejahen, wenn sie es zuvor verneint und das Verfahren deshalb eingestellt hat.[5] Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Verfolgung der Körperverletzung kann richterlich nicht nachgeprüft werden.[6] Der Verteidiger sollte also immer dann, wenn das Gericht einen solchen Hinweis gibt, überprüfen, ob ein Strafantrag des Verletzten vorliegt oder die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat. Auch wenn keine Körperverletzung vorliegt kann bei bestimmten Tatbeständen, die zunächst als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden (z.B. Vorfahrtverletzung, Drogen- und Alkoholdelikten) die Überleitung in ein Strafverfahren erfolgen.

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Auch wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung abwesend ist, kann der Hinweis ergehen. Es darf aber dann ohne ihn nicht weiter verhandelt werden, selbst wenn ein Verteidiger anwesend ist. Dessen Vollmacht bezieht sich nämlich im Zweifelsfall nur auf das Bußgeldverfahren. Das Verfahren ist von Amts wegen oder auf Antrag hin zu unterbrechen (§ 81 Abs. 2 OWiG).

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Der Hinweis selbst bewirkt den Übergang in das Strafverfahren (nicht schon die Ankündigung des Hinweises!), in diesem Augenblick hat der Betroffene gem. § 81 Abs. 2 OWiG die Rechtsstellung eines Angeklagten.[7] Meist wird vor diesem formellen Hinweis das Gericht darauf aufmerksam machen, dass auch eine Straftat in Betracht kommen könnte und ein Hinweis zu erwarten ist. Das gebietet an sich die richterliche Fürsorgepflicht.[8]

Hinweis

Der Verteidiger muss dann besonders genau prüfen, ob das Verfahren fortgesetzt oder nicht besser der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt ist dies noch möglich. Erfolgt der Hinweis selbst, ist es dazu zu spät!

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Der Betroffene kann die vollzogene Veränderung der Verfahrenslage mit keinem Rechtsmittel anfechten. Ist der Übergang ins Strafverfahren vollzogen, so kann der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach der herrschenden Meinung nicht mehr zurückgenommen werden.[9] Die Überleitung in das Strafverfahren soll selbst dann wirksam sein, wenn dem Betroffenen vor dem Hinweis keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt wurde, weil die darin enthaltene Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht so schwerwiegend ist, dass sie ein Verfahrenshindernis darstellt.[10] Diese Auffassung ist bedenklich, weil der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, dass vor dem Hinweis nach § 81 Abs. 2 S. 1 OWiG eine Anhörung des Betroffenen erfolgen soll.[11] Nach der Überleitung ist auch ein Anschluss als Nebenkläger möglich. Nach einer nicht herrschenden Meinung ist die Rücknahme des Einspruchs aber noch möglich, wenn dem Betroffenen vor dem Hinweis keinerlei Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde.[12]

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In dem weiteren (Straf-)Verfahren sind die besonderen Vorschriften des OWiG nicht mehr anzuwenden, § 81 Abs. 3 S. 1 OWiG. Es gelten dann die Vorschriften der StPO. Die bisherige in Anwesenheit des Betroffenen durchgeführte Beweisaufnahme kann verwertet werden, § 81 Abs. 3 S. 2 OWiG.

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Wird das Bußgeld- in ein Strafverfahren übergeleitet, der Angeklagte aber nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt, ist das Urteil mit Berufung anzufechten.[13]

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