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3. Fortbildung des Rechts, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Versagung des rechtlichen Gehörs

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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie ist nur möglich, wenn durch Urteil, nicht durch Beschluss, entschieden wurde. Dies ergibt sich aus § 79 Abs. 1 S. 2 und aus § 80 Abs. 1 OWiG. Es gibt somit keine Zulassungsrechtsbeschwerde gegen einen Beschluss im schriftlichen Verfahren gem. § 72 OWiG[8].

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Die Fortbildung des Rechts kann darin bestehen, dass bei der Auslegung von materiellen und formellen Rechtssätzen Gesetzeslücken vorhanden sind und deshalb Leitsätze aufgestellt werden müssen.[9] Wenn Rechtsvorschriften geändert oder neu erlassen wurden und wenn Zweifel bestehen, ob sie rechtsgültig sind, kann eine Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts ebenfalls in Betracht kommen.[10] Selbst dann, wenn ein anderes OLG bereits in dem Sinn entschieden hat, wie es das zulassende OLG will, kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgen.[11] Mit der Zulassung soll das Beschwerdegericht die Möglichkeit erhalten, seine Rechtsauffassung in richtungsweisender Art weiterzugeben, insbesondere an nachgeordnete Gerichte.[12] Eine Fortbildung des Rechts kommt immer dann in Betracht, wenn Rechtsfragen offen, streitig und deshalb klärungsbedürftig sind. Die Materie muss zusätzlich geeignet sein für die Aufstellung von allgemein gültigen Regeln durch das entscheidende OLG.[13] Bei Fehlen von Urteilsgründen (obwohl an sich erforderlich!) ist die Rechtsbeschwerde allein aus diesem Grund nicht zuzulassen.[14]

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Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kann die Rechtsbeschwerde zugelassen werden, wenn Besorgnis besteht, dass einzelne Amtsgerichte von einer gefestigten Rechtsprechung abweichen oder wenn schwer erträgliche Unterschiede für die Rechtsprechung im Ganzen bei gleichartigen Fällen entstehen. Allerdings gefährdet ein falsch entschiedener Einzelfall grundsätzlich noch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.[15] Dies gilt selbst dann, wenn es sich um offensichtliche Fehler handelt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn mit weiteren Fehlentscheidungen zu rechnen ist.[16] Dies ist der Fall, wenn wichtige Grundsätze missachtet oder falsch angewendet werden, wenn das Gericht also erkennen lässt, dass es keine Kenntnis von wesentlichen Vorschriften hat. Bei grober Verletzung der Aufklärungspflicht, bei Missdeutung des Schweigerechts, bei unterlassener Terminsladung oder bei Missachtung der Verteidigungsrechte liegt nach der Rechtsprechung eine Wiederholungsgefahr nahe.[17] Die Rechtsbeschwerde ist zudem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn das Amtsgericht an einer obergerichtlich beanstandeten Rechtspraxis festhält.[18]

Ob das Gericht bewusst oder unbewusst wichtige Grundsätze verletzt hat, ist nach der h.M. ohne Bedeutung.[19] Besteht zu bestimmten Rechtsfragen schon eine gefestigte Rechtsprechung, ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht möglich.[20]

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Eine Versagung des rechtlichen Gehörs kann vorliegen, wenn der Betroffene nicht ordnungsgemäß geladen wurde und Verwerfungsurteil ergeht,[21] wenn der Verteidiger versehentlich nicht zur Hauptverhandlung geladen wurde,[22] wenn in dieser bei erlaubter Abwesenheit des Betroffenen ein nicht angekündigter Beweis erhoben und verwertet wird[23] oder wenn dem Betroffenen das letzte Wort nicht gewährt wird.[24] Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann auch dann vorliegen, wenn das Gericht den Sachvortrag des Betroffenen aus offensichtlich unzulässigen verfahrensrechtlichen Gründen nicht zur Kenntnis nimmt.[25] Dies gilt auch, wenn einem Entbindungsantrag zu Unrecht nicht stattgegeben wird[26] oder wenn fälschlich entbunden wird[27]. Dies gilt ebenfalls, wenn das Gericht über den Entbindungsantrag gar nicht entschieden hat.[28] Die Nichtbescheidung eines im Schlussvortrag gestellten Hilfsbeweisantrages kann ebenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs begründen.[29] Das Gleiche gilt, wenn bei erlaubter Abwesenheit des Betroffenen neue Beweise verwertet werden, auch wenn der Verteidiger anwesend ist.[30] Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann im Bußgeldverfahren auch dann verletzt sein, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.[31]

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Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ohne Ansehung der Höhe der verhängten Geldbuße durch die Zulassungsrechtsbeschwerde gerügt werden, weil § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG neben den Fällen des § 80 Abs. 2 OWiG bestehen bleibt.[32] Keine Versagung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis eine höhere Buße als im Bußgeldbescheid ausgewiesen verhängt.[33]

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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nur in Frage, wenn das rechtliche Gehör tatsächlich verletzt ist. Dies ist im Zulässigkeitsverfahren zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen.[34] Der Verteidiger muss also darlegen, was der Betroffene vorgebracht hätte, wenn er angehört worden wäre.[35] Wenn also z.B. geltend gemacht wird, dass das rechtliche Gehör verletzt ist, weil dem Verteidiger keine Gelegenheit zum Schlussvortrag gegeben worden oder das letzte Wort nicht erteilt worden sei, muss ausgeführt werden, was im Einzelnen vorgetragen worden wäre.[36] Nimmt das Gericht die Einspruchsrücknahme nicht zur Kenntnis und verwirft den Einspruch, liegt darin zwar die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dieser Rechtsfehler rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, da nur ein Kostennachteil entsteht und nicht eine Beschwer in der Hauptsache.[37] Im Übrigen muss die Versagung des rechtlichen Gehörs mit einer der Formvorschrift des § 344 Abs. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend gemacht werden, dies ist bereits im Zulassungsverfahren zu beachten. Ob das rechtliche Gehör tatsächlich versagt wurde, wird in freien Beweisverfahren festgestellt.[38] Setzt sich das Verwerfungsurteil nicht mit Entschuldigungsgründen auseinander, ist dies nicht immer ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.[39]

Teil 1 OrdnungswidrigkeitengesetzXI. Rechtsbeschwerde › 4. Zulassungsbeschwerde bei Verstößen bis 100 €

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